Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
Direkteinstieg für Wissenschaftler

Bestätigung des Äquivalenzprinzips im Orbit

PTB liefert Testmassen mit Fertigungstoleranzen im Submikrometerbereich für Weltraummission

PTBnews 2.2023
02.05.2023
Besonders interessant für

Physikalische Grundlagenforschung

Mit vier Testmassen in Form von Hohlzylindern aus der PTB konnte im Rahmen der Weltraummission MICROSCOPE das sogenannte Äquivalenzprinzip mit bisher unerreichter Präzision bestätigt werden.

Die Testmassen bestehen meist aus einer Platin-Rhodium-Legierung. Lediglich die äußere Testmasse in der heterogenen Konfiguration wurde aus Titan gefertigt.

Seit den Zeiten von Galileo Galilei und Isaac Newton gilt es als eines der Fundamente der Physik: das Äquivalenzprinzip. Es besagt in seiner schwachen Definition, dass nur die Masse eines Körpers bestimmt, wie ein homogenes Gravitationsfeld auf ihn wirkt – egal, welche Form der Körper besitzt, aus welchen chemischen Elementen er aufgebaut ist oder an welchem Ort er sich zu einer beliebigen Zeit befindet. Gravitations- und Trägheitskräfte sind also äquivalent. Ihre Wirkung kann experimentell nicht unterschieden werden. Schon Albert Einstein betrachtete dies als ein mögliches Grundprinzip einer Theorie der Gravitation, und diese Überlegungen führten ihn zur Allgemeinen Relativitätstheorie.

Mathematisch lässt sich das Äquivalenzprinzip durch das sogenannte Eötvös-Verhältnis η darstellen. Es beschreibt für zwei unterschiedliche Massen die Differenz ihrer Fallbeschleunigungen dividiert durch deren Summe. Wenn das Äquivalenzprinzip erfüllt ist, ergibt sich η = 0. Selbst geringe Abweichungen von diesem Wert würden auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips hinweisen. Daher wird das Eötvös-Verhältnis seit langer Zeit immer genauer gemessen, um eine solche Verletzung nachweisen oder ausschließen zu können.

Zunächst wurden klassische, mechanische (Torsions-) Pendel genutzt (Isaac Newton, Friedrich W. Bessel: η < 10–3, Loránd Eötvös: η < 10–9). Im Rahmen der Apollo-Missionen wurden auf dem Mond Spiegel aufgestellt, die es erlauben, aus den Photonenlaufzeiten auf der Strecke Erde–Mond–Erde das Eötvös-Verhältnis zu bestimmen (Irwin Shapiro: η < 10–12). Die genauesten bisherigen Messungen mit η < 10–13 wurden von einer Gruppe um den Gravitationsphysiker Eric G. Adelberger durchgeführt.

Um eine noch kleinere Obergrenze für das Eötvös-Verhältnis bestimmen zu können, wurde die Weltraum-Mission MICROSCOPE ins Leben gerufen. An Bord eines Minisatelliten aus der Myriade-Serie wurden Experimente mit Akzelerometern durchgeführt, die die Beschleunigung von Testmassen im Schwerefeld der Erde messen. Die insgesamt vier Testmassen in Form von Hohlzylindern wurden vom Wissenschaftlichen Gerätebau der PTB gefertigt. Durch aufwendige Weiterentwicklungen der genutzten Herstellungs- und Messverfahren konnten Fertigungstoleranzen im Sub-Mikrometerbereich erzielt werden, die für die angestrebte Genauigkeit der Messungen erforderlich waren.

In der sogenannten heterogenen Konfiguration wurde ein Akzelerometer mit zwei Testmassen aus verschiedenen Materialien bestückt, mit denen das Äquivalenzprinzip nachgewiesen werden konnte. Systematische und instrumentenspezifische Einflüsse wurden durch ein zweites Akzelerometer eliminiert, das mit zwei Testmassen aus dem gleichen Material homogen konfiguriert wurde. Auf diese Weise war es möglich, die Obergrenze des Eötvös-Verhältnisses in bisher unerreichter Präzision zu messen: η < 1,5 · 10–15

Ansprechpartner

Daniel Hagedorn
Fachbereich 5.5, Wissenschaftlicher Gerätebau
Telefon: (0531) 592-5540
daniel.hagedorn(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

P. Touboul, G. Metris, M. Rodrigues, D. Hagedorn, F. Löffler et. al.: MICROSCOPE Mission: Final results of the test of the equivalence principle. Physical Review Letters 129, 1–8 (2022)