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Bestimmung der Aktivität und der Halbwertszeit von Thorium-227

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16.04.2019

In der Nuklearmedizin bieten alphastrahlende Radionuklide interessante Möglichkeiten bei der Krebstherapie. Alpha-Strahlung hat trotz relativ hoher Energie eine kurze Reichweite. Gelingt es einen Alphastrahler in das Tumorgewebe zu schleusen, so werden im Wesentlichen Tumorzellen durch die Alphastrahlung zerstört. Starke Schäden am gesunden umliegenden Gewebe werden dagegen geringgehalten. Das gezielte Einschleusen eines Alphastrahlers in das Tumorgewebe kann z.B. durch die Radioimmuntherapie erfolgen, wobei das entsprechende Radionuklid an Antikörper gekoppelt wird, die bevorzugt das erkrankte Gewebe ansteuern. Ein Radionuklid, das für einen derartigen Therapieansatz erforscht wird, ist Thorium-227. Die Wirksamkeit ist dabei besonders hoch, da der Alpha-Strahler Thorium‑227 mehrere radioaktive Tochternuklide hat (siehe Abbildung 1), welche ihrerseits Alpha‑Strahlung emittieren. In der nuklearmedizinischen Anwendung werden die Folgeprodukte vom Thorium-227 getrennt, bevor die Ankopplung an die Antikörper erfolgt.

 

Zerfallsreihe des Thorium-227

Abb. 1: Zerfallsreihe des Thorium-227.

In der PTB wurden nun erstmals Methoden entwickelt, um die Aktivität von Thorium-227 genau zu bestimmen. Eine Besonderheit ist dabei, dass Thorium-227 nicht im radioaktiven Gleichgewicht mit seinen Folgeprodukten vorliegt. Die Aktivität der Folgeprodukte relativ zur Aktivität des Thorium-227 ändert sich mit der Zeit und führt in vielen Messapparaturen dazu, dass das Messergebnis (Zählrate oder Ionisationsstrom) zunächst ansteigt und erst später abfällt.

Die Aktivitätsbestimmung erfolgte mittels Flüssigszintillationszählung gewogener Teilmengen einer Thorium-227 Lösung. Bei dem Verfahren wird die Nachweiswahrscheinlichkeit der einzelnen Radionuklide der Zerfallsreihe durch eine Rechenmethode ermittelt, die für frühere Aktivitätsbestimmungen von Actinium-227 und Radium-223 entwickelt wurde [1]. Beim Thorium-227 muss nun aber zusätzlich beachtet werden, dass die Aktivitätsverhältnisse sich zeitlich ändern, da kein radioaktives Gleichgewicht vorliegt. Dazu wurde ein Verfahren entwickelt, das es mittels eines numerischen Minimierungsalgorithmus ermöglicht, die spezifische Aktivität sowie den Zeitpunkt der chemischen Abtrennung der Folgeprodukte zu bestimmen. Für die spezifische Aktivität wurde eine relative Unsicherheit von nur 0,25% erzielt. Eine ausführliche Beschreibung der neuen Methode wurde nun veröffentlicht [2].

Die Bestimmung einer Zählrate erfolgt, indem im Detektor nachgewiesene Ereignisse in einem festgelegten Zeitraum gezählt werden und anschließend durch die Messdauer geteilt wird. Da sich während dieses Messzeitraums die Aktivität der Probe ändert, muss eine Korrektion auf Zerfälle während der Messdauer vorgenommen werden. Für radioaktive Proben, bei denen ein exponentieller Zerfall vorliegt, ist eine solche Korrektion leicht zu bestimmen. Sie hängt lediglich von der Halbwertszeit des Radionuklids und der Messdauer ab. Beim Thorium-227 steigt die Zählrate aber zunächst an. Daher wurde für diesen Fall eine neue Rechenmethode für die Korrektion auf Zerfälle während der Messdauer entwickelt und angewendet. Die entsprechende Korrektion ist beim Thorium-227 nun auch abhängig vom Zeitpunkt der Messung [2].

Die Messdaten der Flüssigszintillationszählung wurden außerdem dazu verwendet, die Halbwertszeit des Thorium-227 zu bestimmen. Das Ergebnis ist abhängig von der Halbwertszeit des Radium-223, welches das langlebigste Folgeprodukt ist. Die Abhängigkeit von der Radium-223 Halbwertszeit ist direkt nach der Abtrennung der Töchter von Thorium am größten und wird reduziert, wenn der Messzeitraum besonders lang ist1. Die Messungen in der PTB erfolgten über insgesamt etwa 150 Tage, was ein bedeutender Vorteil gegenüber wesentlich kürzeren Messzeiträumen in anderen Experimenten ist.

Ionisationskammermessungen wurden in der PTB sogar über einen Zeitraum von etwa 180 Tagen durchgeführt, womit eine zweite unabhängige Halbwertszeitbestimmung gelang. Die Resultate beider Verfahren stimmen gut überein und durch Kombination ergibt sich als Endergebnis eine Halbwertszeit von T½ = 18,681(9) Tagen.

Die neu entwickelten Methoden können auch für andere Radionuklide wie z.B. Radium‑224 angepasst werden.

Literatur

[1] Kossert, K., Bokeloh, K., Dersch, R., Nähle. O.J.: Activity determination of 227Ac and 223Ra by means of liquid scintillation counting and determination of nuclear decay data. Applied Radiation and Isotopes 95 (2015) 143-152.

[2] Kossert, K., Nähle. O.: Determination of the activity and half-life of 227Th. Applied Radiation and Isotopes 145 (2019) 12-18, DOI: doi.org/10.1016/j.apradiso.2018.12.010.

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1 Die Abhängigkeit verschwindet, wenn alle Messungen im radioaktiven Gleichgewicht erfolgen.

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