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In-vivo Dosimetrie mit Alanin/ESR

Kategorien:
  • Metrologie für die Gesellschaft
30.03.2009

Die Dosimetrie spielt für die Strahlentherapie eine entscheidende Rolle. Bei den modernen Strahlentherapieformen, bei denen die Dosis im Tumor stark erhöht werden soll, wird eine genaue Dosisbestimmung immer wichtiger, insbesondere in Bereichen in der Umgebung des Tumors, die geschont werden müssen (Risikogewebe).

Zu den verbreitetsten Krebsarten gehört das Prostatakarzinom. Risikogewebe sind dabei insbesondere der Enddarm, die Harnröhre und die Blasenwand. Obwohl die in-vivo Dosimetrie, d.h. die Dosismessung im Patienten, nicht zu den typischen Einsatzgebieten von Sekundärnormal-Messeinrichtungen gehört, bietet das Messsystem der PTB auf der Basis von Alanin und Elektronen-Spin-Resonanz (ESR) eine einmalige Möglichkeit, die Zuverlässigkeit von Bestrahlungsplänen und deren Anwendungen direkt zu überprüfen. In Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Göttingen wurden daher bereits Untersuchungen im Rektum bei Prostatabestrahlung durchgeführt [1]. Aktuelle Arbeiten haben zum Ziel, die Dosis direkt in der Harnröhre zu messen, und zwar bei Bestrahlung der Prostata mit 192Ir, welches in Hohlnadeln mittels eines so genannten Afterloaders ins Zielgewebe gebracht wird. Bei der Bestrahlungsplanung, d.h. bei der zunächst virtuellen Positionierung der Hohlnadeln, wird besonderes Augenmerk auf die Schonung der Harnröhre gelegt. Mittels des Alanin/ESR Messsystems soll die tatsächlich applizierte Dosis mit der geplanten verglichen werden.

In einem Blasenkatheter mit einem Innendurchmesser von nur 2,7 mm können Alanin-Tabletten mit einem Außendurchmesser von 5 mm nicht verwendet werden. Daher wurde eine neue Detektorform entwickelt. Alaninpulver, mit Bindemittel vermischt, wird in einem Schrumpfschlauch von 2 mm Außendurchmesser an einem Kunststoff-Stab wasserdicht angebracht und kann so in den Blasenkatheter eingeführt werden. Das Detektorpulver wird erst nach der Bestrahlung zu Tabletten verpresst.

Diese Vorgehensweise beinhaltete unbekannte Einflussgrößen, beispielsweise war nichts über den Einfluss des Pressens nach der Bestrahlung bekannt. Es zeigte sich, dass die so erzeugten Detektoren ein deutlich stärkeres Fading (Verlust der Dosisinformation mit der Zeit) aufwiesen als die sonst verwendeten Alanin-Tabletten, die bereits vor der Bestrahlung gepresst worden waren. Glücklicherweise hing in diesem Fall das Fading nicht davon ab, ob mit 192Ir oder 60Co bestrahlt wurde, wie in einer Messreihe gezeigt werden konnte. Daher wird nun die Dosis mithilfe der Schlauchdetektoren so bestimmt, dass zeitgleich mit der Patientenbestrahlung ein identischer Schlauchdetektor in einem Referenzfeld mit bekannter Dosis bestrahlt wird. Die in der Harnröhre zu messende Dosis wird dann relativ zu der bekannten Dosis bestimmt; das Verhältnis ist dabei unabhängig vom vorliegenden Fading, d.h. der Einfluss des Fadings kann so eliminiert werden.

Weiterhin war das Ansprechvermögen von Alanin/ESR für 192Ir bezogen auf 60Co nicht bekannt. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe "Brachytherapie" konnte ein vorläufiger Wert ermittelt werden. Das Ansprechvermögen für Iridium liegt ca. 4,3 % unterhalb des Ansprechvermögens für Kobalt.

Als Vorbereitung für die für das erste Quartal 2009 geplanten Messungen in-vivo wurde das Messverfahren bei Bestrahlungen an einem speziellen Prostataphantom erfolgreich getestet. Die gemessenen und die geplanten Dosen stimmten innerhalb der abgeschätzten Unsicherheit von ca. 4 % gut überein. Ein wesentlicher Beitrag zum Unsicherheitsbudget war dabei die Positionierung der Detektoren in der Urethra [2]. Dieses Problem wird sich bei der Patientendosimetrie voraussichtlich verschärfen. Dennoch werden Messergebnisse erwartet, die Aufschluss über die Zuverlässigkeit der Bestrahlungsplanung, insbesondere bezüglich der Schonung des Riskogewebes erlauben werden. Vom anstehenden Übergang des Primärnormals für 192Ir von der Luftkerma zur Wasser-Energiedosis wird zudem eine deutliche Verringerung der Unsicherheit des Ansprechvermögens erwartet.

Literatur

  1. Daniela Wagner, Mathias Anton, Hilke Vorwerk, Tammo Gsänger, Hans Christiansen, Bjoern Poppe, Clemens Friedrich Hess, Robert Michael Hermann:
    In vivo alanine/electron spin resonance (ESR) dosimetry in radiotherapy of prostate cancer: a feasibility study
    Radiotherapy and Oncology 88 (2008) pp 140-147
  2. Mathias Anton, Daniela Wagner, Hans-Joachim Selbach, Thomas Hackel, Robert Michael Hermann, Clemens Friedrich Hess, Hilke Vorwerk:
    In vivo dosimetry in the urethra using alanine/ESR during 192Ir HDR brachytherapy of prostate cancer - a phantom study
    zur Veröffentlichung eingereicht bei Physics in Medicine and Biology

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