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Neue Methoden für mehr Sicherheit in der MRT-geführten Strahlentherapie

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  • Metrologie für die Gesellschaft
23.12.2020

Abbildung 1: Zur Charakterisierung des Einflusses eines magnetischen Feldes auf verschiede Strahlungsdetektoren wurde in den Laboren der PTB ein wassergekühlter 1.5 T Elektromagnet vor einem klinischen Linearbeschleuniger aufgebaut (oben links). Der zu untersuchende Detektor wurde zur Charakterisierung in einem kleinen Wasserbecken zwischen den Polschuhen platziert (oben rechts). Aufgrund des geringen Abstands zwischen den Polschuhen lässt sich hier die Ionisationskammer nicht parallel zum magnetischen Feld ausrichten. In der Röhre eines MR-linacs (unten) ist genug Platz vorhanden, um Detektoren flexibel zu positionieren. Doch das magnetische Feld lässt sich hier, aufgrund der supraleitenden Spulen, nicht ohne Weiteres abschalten.

Damit der Teilchenstrahl hierbei hochpräzise auf das tumoröse Gewebe gelenkt werden kann, wird immer häufiger die Magnetresonanztomographie (MRT), als bildgebendes Verfahren, unmittelbar vor und auch während der Bestrahlung genutzt. Allerdings sind spezielle Korrektionen nötig, um den Teilchenstrahl unter dem Einfluss des magnetischen Feldes des MRTs zu charakterisieren (Dosimetrie), da die hierzu verwendeten Detektoren durch magnetische Felder beeinflusst werden. Die genaue Charakterisierung des Teilchenstrahls ist aber essenziell zur Gewährleistung einer sicheren Behandlung. An der PTB wurden hierzu zwei neue und unabhängige Methoden zur Ermittlung der nötigen Korrektionen entwickelt.

Die Methode der bildgeführten Strahlentherapie (IGRT) gewinnt zunehmend Bedeutung im klinischen Alltag und trägt bedeutend zur Entwicklung der personalisierten Onkologie bei. Hierzu wird die genaue Position des Tumors direkt vor und sogar während der Bestrahlung durch bildgebende Verfahren erfasst, um den Teilchenstrahl zielgenau auf den Tumor zu lenken. Während bildgebende Verfahren basierend auf Röntgenstrahlen bereits seit Längerem zu diesem Zweck verwendet werden, findet in der IGRT nun zunehmend auch die MRT-Bildgebung eine neue Anwendung. Neben der geringeren Strahlenbelastung für den Patienten bietet die MRT-Bildgebung eine hervorragende Bildqualität in Körperregionen, in welchen sich der Tumor während und vor der Bestrahlung häufig bewegt. Kombinationsgeräte, welche die Erzeugung eines Teilchenstrahls bei gleichzeitiger MRT-Bildgebung ermöglichen (MR-linacs), werden bereits seit 2018 in deutschen Kliniken zur Behandlung von Patienten genutzt. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei die Charakterisierung des Teilchenstrahls dar. Normalerweise werden hierzu luftgefüllte Ionisationskammern verwendet, doch deren Signal wird durch die bildgebende MRT‑Komponente des MR-linacs gestört. Diese Störungen hängen stark von der Orientierung der genutzten Ionisationskammer zur Ausrichtung des magnetischen Feldes des MRT ab. Die PTB forscht seit mehreren Jahren an Methoden, um diese Störungen zu kompensieren, hierzu wurden bereits in mehreren wissenschaftlichen Zeitschriften experimentell bestimmte Korrektionen für verschiedene Ionisationskammern publiziert. Allerdings lassen sich in den experimentellen Aufbauten der PTB bestimmte Ionisationskammer‑Orientierungen nicht realisieren (Abbildung 1). Zur Lösung dieses Problems wurden nun zwei neue Methoden entwickelt, welche die Messungen an der PTB durch zusätzlich Messungen an klinischen MR-linacs ergänzen.

Hierzu wurden Experimente an der Universitätsklinik Tübingen (Deutschland) sowie am Hôpital Riviera‑Chablais in Rennaz (Schweiz) durchgeführt. Verschiedene Ionisationskammern wurden in einem großen Wasserbecken in verschiedenen Orientierungen bestrahlt. Die Ergebnisse aus diesen Messungen konnten mit früheren Messungen aus den Laboren der PTB kombiniert werden, um Korrektionen für Kammer‑Orientierungen zu bestimmen, in welchen das magnetische Feld parallel zur Detektorachse steht.

Zudem wurden speziell hierfür präparierte, auf der Aminosäure Alanin basierende, chemische Strahlungsdetektoren verwendet. Die dabei auf die Alanin‑Tabletten übertragene Energie des Teilchenstrahl wurde später mittels Elektronenspinresonanz (ESR) in den Laboren der PTB ermittelt. Auch diese Information wurde genutzt, um unabhängige Korrektionen für parallele Kammer‑Orientierungen zu bestimmen.

Die Abweichung der durch die verschiedenen Methoden bestimmten Korrektionsfaktoren lag für alle Detektoren unterhalb von 0.5 % und damit innerhalb der ermittelten Messunsicherheiten. Zusätzlich stimmen die Ergebnisse mit den Computersimulationen der PTB überein. Durch die Unabhängigkeit der verschiedenen Methoden konnten somit verlässliche Korrektionen für die klinische Anwendung bestimmt werden. Um die Ergebnisse in die Praxis zu bringen, beteiligt sich die PTB seit diesem Jahr zusätzlich an der Erstellung einer neuen DIN‑Norm. Diese soll in Zukunft Medizinphysikerinnen und Medizinphysikern die korrekte Charakterisierung des Teilchenstrahls und die Qualitätssicherung der Dosimetrie in der Klinik erleichtern.

Ansprechpartner:

Opens local program for sending emailS. Pojtinger, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.25

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