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Verbesserte Strommessung an Ionisationskammern – ein Meilenstein für Aktivitäts- und Halbwertszeitbestimmungen

Kategorien:
  • Abteilung 6
  • Jahresbericht-Nachricht
  • Grundlagen der Metrologie
23.12.2020

Ionisationskammern sind als Sekundärnormale in der Radionuklidmetrologie für die Darstellung und Weitergabe der Einheit Becquerel unverzichtbar. Sie zeichnen sich durch eine hervorragende Langzeitstabilität aus und können bei sorgfältiger Charakterisierung einen Aktivitätsbereich von mehreren Größenordnungen vor allem für gammastrahlende Radionuklide abdecken. Darüber hinaus werden Ionisationskammern aufgrund ihrer intrinsisch guten Linearität seit langer Zeit für Halbwertszeitmessungen eingesetzt. Limitierender Faktor für die erreichbaren Unsicherheiten bei der Aktivitätsbestimmung ist oft die Messung des Ionisationsstroms. Bei kommerziellen Systemen sind Nichtlinearitäten im Prozentbereich nicht ungewöhnlich.

Im Fachbereich 6.1 „Radioaktivität“ sind einzelne Ionisationskammern seit ca. 50 Jahren fast kontinuierlich in Betrieb. Sie werden in erster Linie als Sekundärnormale für relative Aktivitätsbestimmungen genutzt. Der Vorteil dieser Sekundärnormalmessungen ist, dass die für die erste Kalibrierung nötigen und mit hohem zeitlichen und apparativen Aufwand verbundenen Primärnormalmessungen nur selten benötigt werden. Für die Erstkalibrierung einer Ionisationskammer werden die Ergebnisse von Absolutmessungen in Form von Kalibrierfaktoren bewahrt, welche über viele Jahre oder gar Jahrzehnte für Relativmessungen genutzt werden können, sofern die Ionisationskammersysteme eine hinreichende Langzeitstabilität aufweisen. Diese Stabilität lässt sich z. B. mit Hilfe von Referenzquellen langlebiger Radionuklide experimentell validieren.

In der Vergangenheit kamen zwei verschiedene Strommesseinrichtungen zum Einsatz, die jeweils spezifische, nachteilige Eigenschaften aufweisen. Das erste System basiert darauf, den Strom zu messen, indem ein Kondensator aufgeladen und aus der Spannungs‑Zeit‑Relation der Ionisationsstrom bestimmt wird. Hierbei konnten durch Umgebungseinflüsse induzierte jährliche Schwankungen von bis zu 0,4 % beobachtet werden. Dieses System wurde später durch ein kommerzielles Amperemeter ersetzt, das hinsichtlich der Umweltparameter stabiler war, aber deutliche Sprünge bei notwendigen Messbereichswechseln aufweist, so dass damit keine Reduzierung der Messunsicherheiten erreicht werden konnte. In vielen Fällen war daher die die dominierende Unsicherheitskomponente durch die Messung des Stroms gegeben.

In den PTB‑Fachbereichen 2.6 „Elektrische Quantenmetrologie“ und 7.6 „Kryosensorik“ wurde das neue ULCA‑System (Ultrastable low‑noise current amplifier) für Messungen sehr kleiner Ströme entwickelt [1] und im Rahmen einer Kooperation nun an den Messeinrichtungen im Fachbereich 6.1 evaluiert. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die Kombination der Kammern mit dem ULCA‑Gerät die Unsicherheiten der Strommessung soweit reduzieren kann, dass sie nicht mehr die Gesamtunsicherheit dominieren. Dies kann abhängig vom Radionuklid und der betrachteten Ionisationskammer eine Verbesserung der Unsicherheit um etwa eine Größenordnung bedeuten. Daher soll in nächster Zeit bei weiteren Sekundärnormalmesseinrichtungen der PTB mit Ionisationskammern das neue ULCA‑System zur Strommessung genutzt werden. In der Folge können dann durch neue Absolutmessungen gewonnene Kalibrierfaktoren für größere Messbereiche und längere Zeiträume genutzt werden und die Aktivitätsbestimmung mit Sekundärmethoden wird deutlich verbessert. Durch die exzellente Linearität des ULCA‑Systems können auch die Unsicherheiten für Halbwertszeitmessungen reduziert werden und somit kann ein wichtiger Beitrag geleistet werden, um elementare Radionukliddaten noch genauer zu bestimmen.

Abb. 1: Normierter und auf Zerfall korrigierter Ionisationsstrom eines Radiumstandards mit verschiedenen Elektrometern.
Bis 1999: Kondensatormethode, 1999 -2019: kommerzielles Elektrometer, seit 2020: ULCA.

Literatur

[1] Drung, D., Krause, C., Becker, U., Scherer, H., Ahlers, F. J.: Ultrastable low-noise current amplifier: A novel device for measuring small electric currents with high accuracy. Review of Scientific Instruments 86, 024703 (2015), https://doi.org/10.1063/1.4907358

Ansprechpartner:

Opens local program for sending emailO. Nähle, Fachbereich 6.1, Arbeitsgruppe 6.11

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