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Entwicklung eines digitalen Unfallberichts

Kategorien:
  • Metrologie für die Gesellschaft
  • Digitalisierung
13.11.2020

Ziel des ISAN-Projektes ist die Entwicklung und Etablierung einer systemgesteuerten Unterstützung für Notfallrettungsdienste. Diese soll für die Rettungsdienste wertvolle und ggf. lebenswichtige Informationen nach einem Unfall liefern, um möglichst schnell helfen zu können und eine auf die Situation angepasste Notfallversorgung zu gewährleisten.

Wenn man sich einen Notfall in der analogen Welt vorstellt, werden folgende W-Fragen wichtig: Was ist passiert? Wo ist es passiert? Wann ist es passiert? Wie viele Personen wurden dabei verletzt? Der Grundgedanke des digitalen Unfallberichts besteht darin, dass diese W-Fragen automatisch beantwortet und einer eineindeutigen International Standard Accident Number (ISAN) zugeordnet werden können. Damit aber nicht genug: aufgrund der Sensordaten können auch Rückschlüsse auf die Art und Schwere möglicher Verletzung gezogen werden. Diese sehr wichtigen Informationen können dann in die Rettungskette einfließen.

Bei einem Unfall mit einem neueren Fahrzeug, in einem Smart Home, des Trägers einer Smart Watch o. ä. werden von den Sensoren Daten erfasst. Diese Daten erlauben Rückschlüsse auf die Art und Schwere der Verletzung und wurden bisher nicht genutzt. Bisher war bei PKWs über die Sensorik nur die Anzahl der Personen im Auto bekannt. Weitere Patientendaten fallen an, wenn die verletzte Person vom Notfallpersonal erstversorgt und in ein Krankenhaus gebracht wird. Das Ziel besteht darin, dass diese Daten verifiziert und mit den richtigen Einheiten versehen bereits im Krankenhaus vorliegen, bevor die verunfallte Person dort ankommt. Dies geschieht mit Hilfe eines digitalen Personenunfallberichts, der auf den bereits entwickelten digitalen Kalibrierschein der PTB aufbaut und Daten von Sensoren und Messgeräten mit den Unfalldaten beinhaltet.

Dazu ist es notwendig, dass die vernetzten Sensoren und Messgeräte im bevorzugten Einheitensystem, den SI-Einheiten [2], miteinander kommunizieren. Auf der Basis des DCC und des D-SI [3] wird dazu ein Austauschformat für die Unfalldaten entwickelt. Dabei kommunizieren die Messgeräte und Sensoren auf der Basis des SI-Einheitensystems. Das medizinische Personal bekommt die Daten schließlich in den in der Medizin üblichen Einheiten (z. B. mm Hg beim Blutdruck) dargestellt.

Die Umwandlung der Daten von SI Einheiten aus den sensorgestützten Messungen in medizinische Daten erfolgt über eine Middleware. Dabei geht es nicht nur um die Umwandlung der Einheit, sondern auch um den Informationsgehalt. Für das medizinische Verständnis müssen zum Beispiel Messungen in eine Beschreibung des Unfallhergangs abgeleitet werden. Ein Mediziner wird zum Beispiel kaum etwas mit Kräften in Newton anfangen können, um die Folgen des Unfalls abschätzen zu können. Vielmehr ist es für ihn wichtig zu erfahren, was genau bei dem Unfall passiert ist. Hat das Lenkrad den Brustkorb geprellt? Wurden die Personen eingequetscht? Kann ich schon im Voraus durch die Kräfte, die beim Unfall eingewirkt haben, die Folgen der Verletzung der Person vorhersagen? Hat sich das Fahrzeug mitsamt den Insassen überschlagen?

Medizinische Daten von Personen sind hochsensibel. Daher ist auf jeden Fall dafür Sorge zu tragen, dass die bei einem Unfall anfallenden Daten geschützt bleiben. In dem Moment, wenn der Unfall registriert wird, wird zunächst ein eindeutiger Identifier – die ISAN– generiert. ISAN wird aus einer Kombination von Geokoordinaten (falls diese verfügbar sind) und einem Zeitstempel erzeugt und mit einer Zufallszahl ergänzt. Die ISAN wird anschließend mit den entstehenden Berichten verknüpft. Kryptographische Verfahren sollen dann die geschützte Verarbeitung der Daten und die genaue Zugriffskontrolle auf die Daten garantieren.

Weiterhin soll der Ansatz verfolgt werden, nicht nur einen Unfallbericht für die Person, sondern auch eine für das Objekt selbst zu erstellen. So kann bei einem intelligenten Auto eine Rettungskarte und eine Protokollierung der am Auto während des Unfalls entstandenen Schäden geliefert werden. Die Rettungskarte liefert äußerst wichtige Informationen für die am Rettungseinsatz beteiligte Feuerwehr oder andere technische Hilfsdienste. Durch die Rettungskarte wissen die Einsatzkräfte, wo sie das Auto am besten schneiden können. Bei einem Elektrofahrzeug kommen noch Informationen über die leistungsstarken Batterien hinzu, die bei einem Einsatz eine ernsthafte Gefahr für die Einsatzkräfte darstellt. Zudem lässt sich eine solche Karte visualisieren. Mit Hilfe von Sensordaten passgenau zu der Rettungskarte des Fahrzeugs kann eine essenzielle Risikoeinschätzung der Situation vor Ort erfolgen. In dem Fall kann sehr schnell festgestellt werden, ob Gefahr im Verzug besteht, zum Beispiel bei hohen Temperaturen oder einen Brandherd in der Nähe der Batterie oder am Tank etc. 

Durch diese Idee kann der digitale Unfallbericht in mehrere Bereiche unterteilt werden: 1. Der digitale Unfallbericht für die Person, 2. Der digitale Unfallbericht für Objekte, 3. Der digitale Unfallbericht für Risikobewertungen. Diese Untergliederungen bilden im Gesamtpaket den digitalen Unfallbericht und berücksichtigen die SI-Einheiten in gleichem Maße.

Das ISAN - Projekt wird von der PTB und dem Peter L. Reichertz Institut für medizinische Informatik (PLRI) vorangetrieben, welches seine Standbeine an der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat. Dabei kann die PTB aufgrund ihrer Erfahrungen bei der Etablierung des digitalen Kalibrierscheins (DCC) und der digitalen SI - Einheiten das Projekt entscheidend bereichern.  

Aus dem Schema des DCC soll ein Schema für derartige Berichte abgeleitet werden, welches sowohl die medizinischen Informationen über den Geschädigten, weitere Daten (z.B. Ortsinformationen), als auch die ISAN beinhalten kann.

Weiterhin ist die PTB in dem Projekt für die Entwicklung eines sicheren Netzwerkes zuständig, welches die Integrität, Verfügbarkeit und Vertraulichkeit und somit die Privatsphäre absichert.

Das Projekt gehört zum Gesamtprogramm „Big Data in den Lebenswissenschaften der Zukunft“ des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und der VolkswagenStiftung, das mit insgesamt 18 Millionen Euro 16 Projekte im Bereich Digitalisierung der Lebenswissenschaften fördert.

 

Literatur:

[1] Digitales Kalibrierzertifikat Opens external link in new windowLink

[2] EN: BIPM Broschüre Opens external link in new windowLink; DE: Opens external link in new windowLink

[3] D-SI Opens external link in new windowLink

[4] Pressemitteilung der PTB zum Projektstart Opens external link in new windowLink

 

Ansprechpartner:

Justin Jagieniak, FB 1.2, AG 1.24, E-Mail: Opens local program for sending emailjustin.jagieniak(at)ptb.de

Siegfried Hackel, Abt. 1, E-Mail: Opens local program for sending emailsiegfried.hackel(at)ptb.de

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Dr. Dr. Jens Simon

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