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Entwicklung und Kalibrierung eines Multi-Leaf-Faraday-Cups für die Bestimmung der Energie des Elektronenstrahls des Forschungs-Elektronenbeschleunigers der PTB in Echtzeit

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20.12.2019

Die Energie des Forschungs-Elektronenbeschleunigers der PTB ist im Bereich 0,5 - 50 MeV frei einstellbar. Um während der Präparation oder Optimierung eines Elektronenstrahls einer bestimmten gewünschten Energie und Strahlleistung diese Größen in Echtzeit messen zu können, wurde ein Multi-Leaf Faraday Cup (MLFC) mit 128 Absorberplatten und dazugehöriger Ausleseelektronik entwickelt. Die Reichweite des Elektronenstrahls im Plattenstapel hängt von der Energie ab. Der MLFC wurde durch Messung der Ladungsverteilungen von monoenergetischen Elektronenstrahlen bekannter Energien kalibriert. Aus den MLFC-Messungen werden Energie, Pulsladung und Strahlleistung ermittelt und in Echtzeit angezeigt, so dass bei einer Variation der Parameter des Beschleunigers der Einfluss auf diese Größen sofort beurteilt werden kann. Der MLFC wurde zum Patent angemeldet.

 Die Präparation eines Elektronenstrahls mit einer bestimmten gewünschten Energie und Strahlleistung von einem Linearbeschleuniger ist ein Optimierungsproblem mit vielen Parametern. Daher ist es hilfreich, die Energie und Strahlleistung während der Anpassung der Einstellungen in Echtzeit beurteilen zu können.

Die Reichweite geladener Teilchen und damit die anfängliche Verteilung der Ladung in einem Festkörper hängt von ihrer Energie ab. Mit Hilfe eines Multi-Leaf-Faraday-Cup (MLFC) ist es möglich, die vom Strahl deponierte Ladung in Abhängigkeit von deren Reichweite zu messen [1, 2]. Aus solchen Ladungsverteilungen kann die entsprechende Energie bestimmt werden.

Um am Forschungs-Elektronenbeschleuniger während der Präparation oder Optimierung eines Elektronenstrahls einer bestimmten gewünschten Energie und Strahlleistung diese Größen in Echtzeit messen zu können, wurde ein MLFC-Detektor gebaut und eine Auslesegerät auf Basis kostengünstiger elektronischer Schaltungen entwickelt. Der MLFC-Detektor besteht hauptsächlich aus einem Stapel von 128 voneinander galvanisch isolierten Al-Platten, die senkrecht zum Elektronenstrahl stehen. Abbildung 1 zeigt ein Foto des MLFC Detektors ohne sein Gehäuse. Die Al-Platten wirken wie Kondensatoren und speichern die Elektronen, die die jeweilige Platte erreicht haben, bis sie von der Elektronik sequentiell ausgelesen werden, um die Ladung zu ermitteln. Aus der Verteilung der Ladung auf den Platten bzw. in die 128 entsprechenden Auslesekanäle wird die Strahlenergie bestimmt. Die Abmessungen und die Dicke des Plattenstapels wurden so gewählt, dass er groß genug ist, um alle Primärelektronen bei der höchst möglichen Energie (50 MeV) vollständig zu absorbieren, ohne dass gestreute Elektronen den Detektor verlassen und nicht erfasst werden können. Andererseits sind die Platten so dünn, dass die Ladungsverteilung bei der niedrigsten Energie (5 MeV) noch gut durch die ersten 15 MLFC-Kanäle aufgelöst wird.

 

Abb. 1: MLFC Detektor bestehend aus 128 voneinander galvanisch isolierten Al-Platten.

Der MLFC wurde mit monoenergetischer Elektronenstrahlung am Ausgang eines 180-Grad-Magnetspektrometers an der 5 - 50 MeV-Beamline des Forschungs-Elektronenbeschleunigers kalibriert. Dazu wurden Ladungsverteilungen in Abhängigkeit der bekannten Strahlenergien aufgenommen. Abbildung 2 zeigt die auf das Maximum normierte Ladung als Funktion der Plattennummer, wobei #1 die vorderste und #128 die hinterste Platte ist. Das Flächenintegral der normierten Verteilungen steigt linear mit der Energie an. Der ermittelte Anstieg dient als Kalibrierfunktion. Der MLFC wurde dauerhaft am Ende der Beschleunigerstruktur anstelle eines Beamdumps installiert, wie in Abbildung 3 zu sehen ist. Aus den mit dem MLFC gemessenen Ladungsverteilungen werden Energie und Ladung sowie die daraus resultierende Strahlleistung ermittelt und in Echtzeit angezeigt. Abbildung 4 zeigt die GUI zur Ansteuerung des MLFC und für die Darstellung der Ergebnisse in Echtzeit. So kann der Einfluss von Stellgrößen auf diese Ausgangsparameter während der Strahlpräparation sofort beurteilt werden.

Abb. 2: Elektronenverteilungen für verschiedene Strahlenergien: auf Maximum normierte Ladung als Funktion der Plattennummer.

 

 

Abb. 3: Foto vom MLFC mit Gehäuse am Ende der Beschleunigerstruktur anstelle eines Beamdump angebaut (roter Pfeil).

 

Abb. 4: GUI für die Ansteuerung des MLFC und für die Anzeige der Ergebnisse in Echtzeit.

 

Abbildung 5 zeigt ein Foto des MLFC-Detektors und der dazugehörigen eigens entwickelten Ausleseelektronik jeweils mit Gehäuse. Der MLFC wurde unter der Nummer PCT/EP2019/065254 zum Patent angemeldet und bei der International Beam Instrumentation Conference (IBIC2019) vorgestellt [3]. Eine Erprobung des MLFC-Systems für den Einsatz in klinischen Protonen- und Kohlenstoffstrahlen in Zusammenarbeit mit MedAustron ist in Vorbereitung.

 

Abb. 5: Foto des MLFC-Detektors und der eigens entwickelten Ausleseelektronik.

Literatur:

(1)   B. Gottschalk et al., “Nuclear interactions of 160 MeV protons stopping in copper: A test of Monte Carlo nuclear models”, Med. Phys. 26 (1999) 2597-2601. doi: 10.1118/1.598799

(2)   K. Nesteruk et al., “Measurement of the Beam Energy Distribution of a Medical Cyclotron with a Multi-Leaf Faraday Cup”, Instruments 2019, vol. 3, p. 4. doi: 0.3390/instruments3010004

(3)   C. Makowski and A. Schüller, “Development and Calibration of a Multi-Leaf Faraday Cup for the determination of the Beam Energy of a 50 MeV Electron LINAC in real-time”, Proceedings of IBIC2019, Malmö, Sweden, MOPP004, ibic2019.vrws.de/papers/mopp004.pdf

Ansprechpartner:

C. Makowski, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.21

A. Schüller, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.21

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