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Doppelt differentieller Wirkungsquerschnitt für Ionisierung von Tetrahydrofuran durch Protonenstoß

11.12.2015

Die zunehmende Bedeutung der biologischen Wirksamkeit ionisierender Strahlung in Krebstherapie hat dazu geführt, dass Strahlenschäden des DNA-Moleküls intensiv untersucht werden. Die Simulation von DNA-Schäden, d. h. auf der Ebene zellulärer und subzellulärer Skalen, erfordert detaillierte Kenntnisse der atomaren und molekularen Eigenschaften des Targets. Tetrahydrofuran (THF, C4H8O) wird oft als Modellmolekül verwendet, das die Desoxyribosegruppe im DNA-Grundgerüst repräsentiert. Im Rahmen des EMRP-Projekts "BioQuaRT" [1] wurden die (in Winkel und Energie) doppelt differentiellen Wirkungsquerschnitte (DDCS) für die Ionisierung von Tetrahydrofuran durch Protonenstoß im Projektilenergiebereich zwischen 100 keV und 1910 keV gemessen. Die erhaltenen absoluten doppelt differentiellen Wirkungsquerschnitte würden in den PTB-Spurstrukturcode PTra und in das im Rahmen von BioQuaRT entwickelte Multiskalen-Spurstruktur-Simulationsprogramm aufgenommen, welches auf GEANT4 basiert.

Die Experimente wurden am kürzlich entwickelten elektrostatischen 150-kV-Be­schleuniger und am 3,75-MV-Van-de-Graaff-Beschleuniger der PTB Ionenbeschleunigeranlage (PIAF) durchgeführt. Die emittierten Elektronen wurden mit einem am ungarischen Forschungsinstitut Atomki (Debrecen, Ungarn) entwickelten und kürzlich aufgerüsteten elektrostatischen Elektronenspektrometer vom Typ ESA-22 gemessen. Eine ausführliche Beschreibung dieses Analysatortyps ist in Referenz [2] enthalten. Die Elektronen wurden gleichzeitig für mehrere Emissionswinkel zwischen ±15° und ±165° (mit Ausnahme von ±90°) in 15°-Schritten relativ zur Protonenstrahlrichtung erfasst.

Abbildung 1 zeigt die gemessenen doppelt differentiellen Wirkungsquerschnitte für die Ionisation von Tetrahydrofuran durch 100–keV–Protonen. Die Absolutwerte wurden durch Vergleich unserer Messung mit den experimentellen Daten aus [3] für die Wechselwirkung von 100 keV Protonen mit Argon abgeleitet. Die Referenzwerte für die Emissionswinkel und die Sekundärelektronenenergien, die in [3] fehlen, wurden durch lineare Interpolation bestimmt.

Abb. 1: Absolute doppelt differentielle Ionisierungsquerschnitte (DDCS) für die Emission von Sekundärelektronen durch Wechselwirkung von 100 keV Protonen mit Tetrahydrofuran (THF) für verschiedene Emissionswinkel (siehe Legende) relativ zur Protonenstrahlrichtung in Abhängigkeit von der Elektronenenergie.

Wir bedanken uns herzlich für die Unterstützung durch die Operateure von PIAF und durch das Werkstattpersonal. Insbesondere möchten die Autoren Andreas Pausewang für seine wertvolle Hilfe danken. Diese Arbeit wurde im Rahmen des EMRP-Joint-Research-Projektes SIB06 BioQuaRT durchgeführt. Das EMRP wird gemeinsam von den am EMRP teilnehmenden Staaten innerhalb EURAMETs und der Europäischen Union finanziert. Außerdem wurde diese Arbeit durch das Gastwissenschaftlerprogramm der PTB und den Ungarischen Fonds für Wissenschaftliche Forschung (Hungarian Scientific Research Foundation [OTKA, Teilprojektnummer K104409]) unterstützt.

Literatur

  1. Homepage des Projekts BioQuaRT: www.ptb.de/emrp/bioquart.html
  2. S. Ricz et al., Phys. Rev A 65, 042707 (2002)
  3. M. E. Rudd et al., At. Data Nucl. Data Tables 23, 405 (1979)