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Pulsaufgelöste Bestimmung der Ladung des Elektronenstrahls am Forschungs-Elektronenbeschleuniger der PTB

10.12.2015

Der Forschungs-Elektronenbeschleuniger der PTB ist ein Linearbeschleuniger
(LINAC), der nach den gleichen Prinzipien wie die in der Strahlentherapie eingesetzten medizinischen LINACs arbeitet. Dabei wird zur Erzeugung hochenergetischer Photonenstrahlung ein gepulster Elektronenstrahl mit einer Energie im Bereich von 0,5 bis 50 MeV auf ein Metall-Target gelenkt (Erzeugung von Röntgen-Bremsstrahlung). Im Unterschied zu den klinischen LINACs sind am Forschungs-Elektronenbeschleuniger der PTB die Elektronenstrahl-Parameter frei einstellbar und sehr genau messbar. Damit ist es möglich die Erzeugungs- und Wirkungsmechanismen der Strahlung in Abhängigkeit von ihren  grundlegenden physikalischen Größen zu studieren. Eine entscheidende Größe ist dabei die Ladung der Elektronenpulse, welche direkt proportional zur Dosis der erzeugten Photonenstrahlung ist. Aufgrund der Arbeitsweise eines LINACs, der Beschleunigung von Elektronenpaketen mittels Hochfrequenzkavitäten, kann sich die Ladung der Elektronenpulse von Puls zu Puls etwas unterscheiden. Beim Forschungs-Elektronenbeschleuniger der PTB kann die Puls-Ladung um bis zu 3 % schwanken. Es wurden Messeinrichtungen und -verfahren entwickelt, die es erlauben, die Ladung jedes Elektronenstrahl-Pulses zerstörungsfrei und rückführbar mit einer relativen Messunsicherheit (k = 2) von ca. 0,1 % zu bestimmen. Dies ist eine Voraussetzung für die Durchführung von Benchmark-Messungen [1], in denen Simulationsrechnungen des Strahlungstransportes in Materie mit Experimenten bei vollständig bekannten Strahlparametern mit einer Unsicherheit < 1 % verglichen werden.

Zur zerstörungsfreien Messung der Pulsladung wurde ein Transformator der Fa. Bergoz Instrumentation [2] verwendet (Abb. 1), welcher nach dem Prinzip der Rogowski-Spule arbeitet. Dabei stellt der zu messende Elektronenstrahl die Primärwicklung des Transformators dar. Die Spannung am Ausgang des Transformators bildet den Stromverlauf während des ca. 2 µs dauernden Ladungspulses ab (Abb. 2). Er wird mit einem schnellen 14-bit Digitizer in Echtzeit aufgenommen und ausgewertet. Das Transformatorsignal ist das Integral des Stroms, welches ein Maß für die tatsächliche Ladung des Strahlpulses ist.

Abb. 1: Transformator der Fa. Bergoz Instrumentation zum Einbau in das Strahlrohr der Forschungs-Elektronenbeschleunigers

 

Abb. 2: Ladungsimpuls des Forschungs-Elektronenbeschleunigers aufgenommen mit dem Transformator

Zur Kalibrierung des Transformators am für 10 bis 50 MeV ausgelegten Strahlrohr des Forschungs-Elektronenbeschleunigers wurde ein selbstkonstruierter, vakuumtauglicher Faraday-Cup verwendet (Abb. 3) [3]. Dessen Design wurde mittels Elektronentransportrechnungen basierend auf Monte-Carlo-Methoden so optimiert, dass Elektronen im relevanten Energiebereich vollständig gestoppt werden und zugleich Ladungsverluste über Sekundärelektronen z.B. durch Bremsstrahlung oder durch Rückstreuung minimal sind (< 1 %).

 

Abb. 3: Faraday-Cup für Elektronen von 10 MeV bis 50 MeV zum Anbau am Ende des Strahlrohrs des Forschungs-Elektronenbeschleunigers.

Die Ladung der mit dem Faraday-Cup aufgefangenen Elektronenpakete wurde mit drei voneinander unabhängigen Methoden bestimmt und damit auf unterschiedliche Messgrößen zurückgeführt: 1. Die Messung der Ladung mit einem Elektrometer, das mittels eines Luftkondensators kalibriert wurde, 2. die Messung des abfließenden Stroms über den Spannungsabfall an einem hochstabilen Widerstand mittels eines schnellen 14-bit Digitizers, der über eine Gleichspannung kalibriert wurde sowie 3. die Messung der mittleren Ladung der Pulse mit einem von der Fa. Ortec hergestellten Integrator, der mit einem Gleichstrom kalibriert wurde. Die Abweichung der mit den drei Messmethoden bestimmten Ladungen vom gemeinsamen Mittelwert ist im untersuchten Pulsladungsbereich von 20 nC bis 120 nC deutlich kleiner als 0,1 %.

Die vom Faraday-Cup gesammelte Ladung und das zeitgleich aufgenommene zugehörige Transformatorsignal eines jeden Elektronenpulses (bei stabilem Beschleuniger) zeigen keine Abweichung vom linearen Zusammenhang (Abb. 4), abgesehen von einer zufälligen Streuung von maximal 0,05 %, hauptsächlich aufgrund des Rauschens bei der Erfassung des Transformatorsignals. Aus dem Anstieg der linearen Anpassung wird der Kalibrierfaktor für das Transformatorsignal gewonnen. Damit ist es möglich auch nach dem Austausch des Faraday-Cups gegen das zur Erzeugung von Photonenstrahlung nötige Bremsstrahlungs-Target die Ladung jedes einzelnen Pulses absolut zu bestimmen.

 

Abb. 4: Transformatorsignal ST als Funktion der zeitgleich vom Faraday-Cup aufgefangenen zugehörigen Ladung SFC bei stabilen Betrieb des Forschungs-Elektronenbeschleunigers.

Da die Ladungsverluste des Faraday-Cups in der Größenordnung der zu erzielenden Unsicherheit liegen, wurde die Sammeleffizienz des Faraday-Cups experimentell bestimmt und ein Korrekturfaktor ermittelt. Dazu wurde die vom Faraday-Cup gesammelte Ladung über einen Leiter dem Elektronenstrahl entgegen durch das Strahlrohr des Transformators geführt. Die Wirkung des hinfliegenden Elektronenpakets und der zurückgeleiteten Ladung auf den Transformator können sich nur dann vollständig aufheben, wenn alle Elektronen eines Pulses vom Faraday-Cup aufgefangen werden und keine Ladungsverluste auftreten. Aus der Abweichung des Transformatorsignals von Null kann auf die Sammeleffizienz des Faraday-Cups geschlossen werden. Für Elektronen mit 27 MeV wurde eine Sammeleffizienz von h = 0,992 mit einer Unsicherheit (k = 2) von weniger als 0,05 % ermittelt. Die Abweichung dieses Wertes von der Simulation ist kleiner als 0,3 % (Abb. 5).

 

Abb. 5: Sammeleffizienz des Faraday-Cups als Funktion der Elektronenenergie.

Unter Berücksichtigung der Unsicherheit (k = 2) bei der Messung von Ladungspulsen (< 0,1 %), der Unsicherheit (k = 2) bei der Bestimmung des Kalibrierfaktors des Transformators und aufgrund des Rauschens bei der Aufnahme des Transformatorsignals (< 0,05 %) sowie der Unsicherheit (k = 2) bei der Bestimmung der Sammeleffizienz des Faraday-Cups (< 0,05 %) ergibt sich eine Gesamtunsicherheit von ca. 0,1 %.

Die Ladung des Elektronenstrahls am für 10 bis 50 MeV ausgelegten Strahlrohr des Forschungs-Elektronenbeschleunigers der PTB wird zerstörungsfrei, pulsaufgelöst in Echtzeit mit einer relativen Messunsicherheit (k = 2) von ca. 0,1 % gemessen.

Literatur:

  1. F. Renner:
    Benchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen für die Dosimetrie in der Strahlentherapie

    Dissertation, Technische Universität Ilmenau, (2014).
    www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet sowie
    PTB-Bericht PTB-Dos-57 (2015)
  2. Bergoz Instrumentaion
    www.bergoz.com
  3. J. Illemann
    Rückführbare Strommessung am Elektronenlinearbeschleuniger

    PTB-Bericht (2012)

Ansprechpartner
Opens window for sending emailA. Schüller, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.21
Opens window for sending emailR.-P. Kapsch, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.21