Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Bestimmung der räumlichen Ansprechfunktion von Ionisationskammern in Elektronen- und Photonenstrahlungsfeldern

21.08.2013

Motivation

In der Strahlentherapie werden mit klinischen Linearbeschleunigern hochenergetische Photonen- und Elektronenstrahlungsfelder erzeugt, um Tumore zu behandeln. Dabei ist das Ziel, die Dosis auf den Bereich des Tumors zu konzentrieren, und die Belastung des umgebenden Gewebes gering zu halten. Die Entwicklung bildgebender Verfahren in den letzten 15 Jahren hat es ermöglicht, die Lage von Tumoren immer besser zu bestimmen, wodurch die Bestrahlung durch geeignete Kollimatoren genau dem Tumorprofil angepasst werden kann, wie es zum Beispiel in der intensitätsmodulierten Stahlentherapie (intensity-modulated radiotherapy, IMRT) mit Hilfe sogenannter Multileaf-Kollimatoren (MLC) gemacht wird. Für die IMRT wie auch für andere Therapieformen, in denen das Strahlungsfeld dem Tumorprofil angepasst wird, ist die genaue Kenntnis der räumlichen Verteilung des Strahlungsfeldes entscheidend, um die Bestrahlung des Tumors kontrollieren zu können. In den letzten Jahren sind verschiedene Verfahren entwickelt und weiterentwickelt worden, um Dosisverteilungen mit hoher räumlicher Auflösung messen zu können. Unter anderem werden kleinvolumige Ionisationskammern, Halbleiterdetektoren, Diamantdetektoren, Polymergele und Speicherfolien dazu benutzt. Neben der hohen Auflösung ist für die praktische Anwendung wichtig, dass die Detektoren einfach zu handhaben sind, dass sie nicht zu teuer sind, dass man Messungen schnell und einfach durchführen kann, und dass man sie unter denselben Bedingungen wiederholen kann. Diese Punkte machen die Ionisationskammer für die klinische Anwendung besonders geeignet.

Indem man das Volumen von Ionisationskammern verkleinert, kann man das Auflösungsvermögen verbessern. Das Volumen kann aber nicht beliebig klein gemacht werden, da dadurch auch das Signal-Rausch-Verhältnis kleiner wird. Weil bei der Messung mit Ionisationskammern über das gesamtes Messvolumen gemittelt wird, stimmt das gemessene Feld nicht mehr mit dem wahren Feld überein (schematisch dargestellt in Abbildung 1). Die Veränderung von wahrer Feldverteilung D(x) zu gemessener Feldverteilung Dm(x) lässt sich mathematisch durch eine Faltung der wahren Feldverteilung mit der räumlichen Ansprechfunktion des Detektors K(x) beschreiben:

Erst durch genaue Kenntnis der Ansprechfunktion K(x) kann also aus der gemessenen die tatsächliche Feldverteilung bestimmt werden.

Abb. 1 : Schematische Darstellung des Unterschieds zwischen wahrem und gemessenem Dosisprofil durch das endliche Volumen der Messkammer. Ein rechteckiges Dosisprofil wird bei Messung mit einer Ionisationskammer an den Seiten abgeflacht.

Vorgehensweise

Im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes "Metrology for radiotherapy using complex radiation fields" (EMRP-HLT09) wurden in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die räumliche Ansprechfunktionen von vier Ionisationskammern der Typen PTW31010, PTW31016, FC65G und NE2561 und einer Siliziumdiode des Typs PTW60012 experimentell bestimmt. Dazu wurden zwei Methoden angewandt und verglichen (siehe auch Abbildung 2):

Die Kammer wird hinter einem Spalt zwischen zwei Bleiziegeln verfahren und das Kammersignal in regelmäßigen Abständen gemessen. Durch die Messung hinter einem Spalt wird das räumliche Ansprechvermögen direkt gemessen.

Die Kammer wird aus dem Schatten einer Bleiziegelkante gefahren und dabei in regelmäßigen Abständen gemessen. Bei der Messung hinter einer Bleiziegelkante wird eine Stufenfunktion simuliert. Die Ansprechfunktion K(x) wird aus der numerischen Ableitung des gemessenen Feldverlaufs Dm(x) bestimmt [1]:

Die Messungen wurden in der PTB in den Photonen- und Elektronenstrahlungsfeldern eines klinischen Linearbeschleunigers vom Typ Elekta Precise durchgeführt. Zur Bestimmung des Ansprechvermögens wurde Photonenstrahlung mit nominellen Beschleunigungsspannungen von 4 MV, 8 MV und 25 MV sowie Elektronenstrahlung mit nominellen Energien von 6 MeV, 15 MeV und 20 MeV verwendet. Messungen wurden in Luft und in Wasser durchgeführt.

Abb. 2 : Schematische Darstellung der Messungen (a) am Bleiziegelspalt und (b) an der Bleiziegelkante. Die Kammer wird von rechts nach links hinter dem Bleiziegel verschoben und in regelmäßigen Abständen gemessen. Im Fall der Kantenmessung (b) wird die Ansprechfunktion aus der Ableitung der gemessenen Feldverteilung bestimmt.

Ergebnis

Die räumlichen Ansprechfunktionen der untersuchten Kammern konnten für Photonen- und Elektronenstrahlungsfelder in einer bisher nicht erzielten Auflösung gemessen werden.

Die unterschiedlichen Ansprechfunktionen für Photonen und Elektronen sind aus Abbildung 3 am Beispiel der Kammer des Typs FC65G ersichtlich, beides sind Messungen in Luft bei einer nominellen Beschleunigungsspannung von 8 MV beziehungsweise einer nominellen Elektronenenergie von 15 MeV. Für Photonen sieht man eine typische Struktur mit drei Peaks. Die Peaks befinden sich an den Positionen der Elektroden der Ionisationskammer, woraus sich schließen lässt, dass die Photonen besonders mit den festen Bestandteilen der Kammer wechselwirken und dort Sekundärteilchen erzeugen. Diese wiederum erzeugen im Luftvolumen zwischen den Elektroden Ionenpaare, die gemessen werden. Bei Elektronen dagegen zeigt die Ansprechfunktion nur einen Peak, der der Breite der Kammer entspricht, mit einem lokalen Minimum an der Position der Innenelektrode. Elektronen wechselwirken also direkt im Luftvolumen zwischen den Elektroden und erzeugen die Ionenpaare, die das Signal geben. Das lokale Minimum lässt sich dabei als Schatten der Innenelektrode interpretieren.

Abb. 3 : Gemessene Ansprechfunktionen der Kammer des Typs FC65G im Photonenstrahlungsfeld (blau) Elektronenstrahlungsfeld (rot) in Luft.

Zur Beschreibung der Kurven haben wir einen geometrischen Lösungsansatz gewählt, ähnlich eines Ansatzes von van't Veld et al. [2]. Für diesen Lösungsansatz haben wir angenommen, dass die Anzahl der Ionenpaare und damit das Ansprechvermögen proportional zur Strecke ist, die die ionisierende Strahlung innerhalb des Detektors zurücklegt, gewichtet mit Vorfaktoren für verschiedene Materialien, die an die Messkurve angeglichen werden. Da der Aufbau der Kammern konzentrisch ist, ergibt sich eine Summe aus elliptischen Funktionen:

Hier stehen Ca, Cl, Ci für die Wichtungsfaktoren der Außenwand, des Luftvolumens und der Innenelektrode; die Symbole R1, R2, R3 und R4 stehen für den Außen- und Innenradius der Kammerwand und der Zentralelektrode. Nach Erweiterung der Funktion für die konzentrische Spitze, und Faltung mit einem Gauß-Kern ergibt sich die theoretische Kurve in Abbildung 4, die zusammen mit der experimentell bestimmten Kurve der Kammer des Typs NE2561 für eine Beschleunigungsspannung von 4 MV gezeigt ist.

Abb. 4. : Ansprechfunktion der Kammer vom Typ NE2561. Die gemessenen Werte bei 4 MVX Photonenstrahlung in Luft sind rot dargestellt. An der Position der Außen- und Innenelektrode (die innen hohl ist) sind Peaks sichtbar. Die schwarze Kurve zeigt eine Kurvenanpassung mit dem im Text beschriebenen geometrischen Modell.

Literatur

  1. Garcia-Vicente, F.; Delgado, J. M. und Peraza, C.:
    Experimental determination of the convolution kernel for the study of the spatial response of a detector,
    Med. Phys. 25, p. 202-207 (1998)
  2. van't Veld, A. A.; van Luijk, P.; Praamstra, F. und van der Hulst, P. C.:
    Detector line spread functions determined analytically by transport of Compton recoil electrons,
    Med. Phys. 28, p. 738-751 (2001)