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Erste realistischere Simulation der Ionisationsclustererzeugung in DNA-Segmenten

01.02.2011

Bislang berechnen alle Monte Carlo Programme, die zur Untersuchung der biologischen Wirkung ionisierender Strahlung auf DNA-Ebene eingesetzt werden, die Spurstruktur der Strahlung in flüssigem Wasser. Implizit werden also die Wirkungsquerschnitte von Wasser als Approximation für diejenigen der DNA angesehen. Um die Gültigkeit dieser Approximation bewerten zu können, ist es erforderlich, Simulationsrechnungen durchzuführen, die auf Wirkungsquerschnitten von DNA-Bausteinen beruhen.

Als erster Schritt hin auf dieses Ziel wurden im vergangenen Jahr im Fachbereich 6.6 die totalen, die differenziell elastischen und die doppelt-differenziell unelastischen Stoßquerschnitte von niederenergetischen Elektronen mit Tetrahydrofuran bestimmt, das dem DNA-Baustein Desoxyribose strukturell sehr ähnlich ist. Der im Umfang der abgedeckten Parameterbereiche weltweit einzigartige Datensatz wurde durch Vergleich mit theoretischen Modellen [1,2] parametrisiert und in das Monte-Carlo-Programm der PTB zur Spurstruktursimulation eingebaut. Zusätzlich wurde dieses Programm für die Zwecke der Nanodosimetrie optimierte Programm dahingehend erweitert, dass nun auch der Fall eines Zielvolumens, das sich in der chemischen Zusammensetzung von seiner Umgebung unterscheidet, behandelt werden kann.

Mit diesem modifizierten Programm wurden erste Simulationsrechnungen der von Elektronen erzeugten Ionisationsclustergrößenverteilungen in einem nanometrischen Zielvolumen, dessen Ausdehnung einem kurzen Segment der DNA-Doppelhelix entspricht und das von flüssigem Wasser umgeben ist. Zum Vergleich wurde das Zielvolumen dabei alternativ als mit flüssigem Wasser bzw. mit Tetrahydrofuran gefüllt angenommen, wobei zwei verschiedene Werte der Massendichte zu Grunde gelegt wurde. In einem Fall die Dichte von Wasser und im zweiten Fall die Dichte, die man erhält, wenn man in dem betrachteten Volumen die Masse der entsprechenden DNA-Bausteine hat, wobei alle vier Nukleinbasen als gleichverteilt angenommen wurden.

Aus den berechneten Ionisationsclusterverteilungen wurde schließlich für jede der betrachteten Elektronenenergien mit Hilfe des von Garty et al. vorgeschlagenen Modells [3] die Wahrscheinlichkeit für die Erzeugung eines Doppelstrangbruchs in dem betrachteten DNA-Segment ermittelt. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Untersuchung sind in der Abbildung dargestellt. Es zeigt sich, dass sich für alle betrachteten Fälle annähernd die selbe relative Energieabhängigkeit ergibt, während die absoluten Werte erheblich voneinander abweichen. Sollte sich diese Ergebnis auch für die weiteren DNA-Bausteine bestätigen, dann implizierte dies, dass mit konventionellen Spurstrukturprogrammen die biologische Strahlenwirkung überschätzt wird.

Abbildung : Aus Monte-Carlo Simulationsrechnungen unter Nutzung der experimentellbestimmten Elektronenstoßquerschnitte für Tetrahydrofuran (THF) ermittelte Wahrscheinlichkeit zur Erzeugung eines Doppelstrangbruchs (DSB) in einem DNA-Segment von 10 Basenpaaren, wenn die DNA im Zielvolumen durch Wasser bzw. THF mit den angegebenen Massendichten ersetzt wird.

Literatur:

  1. M. E. Rudd:
    Differential and total cross sections for ionization of helium and hydrogen by electrons,
    Phys. Rev. A 44, 1644-1652 (1991).
  2. Y.-K. Kim, M. E. Rudd:
    Binary-encounter-dipole model for electron-impact ionization,
    Phys. Rev. A 50, 3954-3967 (1994).
  3. G. Garty, R. Schulte, S. Shchemelinin, C. Leloup, G. Assaf, A. Breskin, R. Chechik, V. Bashkirov, J. Milligan, B. Grosswendt:
    A nanodosimetric model of radiation-induced clustered DNA damage yields,
    Phys. Med. Biol. 55, 761-781 (2010).