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Die spektrale Verteilung des ANITA Neutronenstrahls

04.01.2010

Am Gustav-Werner Zyklotron des The Svedberg Laboratoriums (TSL) in Uppsala wird der hoch-intensive Neutronenstrahl ANITA (atmospheric-like neutrons from thick target) durch Beschuss eines 25 mm dicken Wolframtargets mit 178 MeV Protonen erzeugt. In der Lethargiedarstellung zeigt die mit der Neutronenenergie E gewichtete spektrale Ausbeute EYE einen so genannten Spallationspeak bei etwa 100 MeV und einen Verdampfungspeak bei etwa 1 MeV. Sie ähnelt damit der spektralen Verteilung der von der primären kosmischen Strahlung induzierten Neutronenkomponente der Umgebungsstrahlung. Der ANITA Strahl wird deshalb vor allem zur Untersuchung von strahlungsinduzierten Ausfällen in Halbleiter-Datenspeichern (SRAM) eingesetzt. Für diese Experimente ist vor allem der hochenergetische Anteil der spektralen Neutronenverteilung oberhalb von etwa 10 MeV wichtig.

Die Charakterisierung der spektralen Verteilung mit der Flugzeitmethode wird durch die ungünstige Zeitstruktur des Protonenstrahls erschwert. Der zeitliche Abstand der Protonenimpulse beträgt nur 44 ns. Die zeitliche Ausdehnung eines Impulses ist mit etwa 5 ns dagegen relativ groß. Deshalb muss zur Erzielung einer ausreichenden Energieauflösung eine relativ große Flugstrecke von etwa 15 m verwendet werden. Damit haben dann aber nur Neutronen mit Energien oberhalb von 70 MeV so kurze Flugzeiten, dass sie eindeutig einem Protonenimpuls zugeordnet werden können. Für niederenergetischere Neutronen wird diese Zuordnung mehrdeutig und führt zu einem so genannten ‚frame-overlap’-Untergrund in den experimentellen Flugzeitspektren.

Im Rahmen einer vom EFNUDAT Projekt [1] unterstützten Messkampagne wurden deshalb Flugzeitmessungen mit einer 238U Spaltionisationskammer am ANITA Strahl durchgeführt und ein Verfahren entwickelt, mit dem der ‚frame-overlap’-Untergrund zuverlässig bestimmt werden kann. Durch eine Kombination von Messungen bei verschieden Abständen konnte damit die spektrale Verteilung oberhalb von etwa 13 MeV experimentell bestimmt werden. Dazu wurde die Form der für ANITA zu erwartenden spektralen Verteilung durch eine Modelfunktion beschrieben. Dieses Model orientiert sich an spektralen Verteilungen, die mit dem Neutronentransportcode MCNPX [2] unter Verwendung der Kerndatenbibliothek TENDL [3] berechnet wurden. Die den hochenergetischen Spallationspeak beschreibenden Modellparameter wurden mit dem WinBUGS [4] Software mit dem Verfahren der Parameterschätzung nach Bayes aus den experimentellen Daten und den vorhandenen Vorinformationen bestimmt. Dabei wurden alle zur Verfügung stehenden experimentellen Informationen konsistent und gleichberechtigt verwendet. Neben den Parameterwerten liefert dieses Verfahren auch die Unsicherheiten und Korrelationen der geschätzten Parameterwerte. Die Parameter für den niederenergetischen Verdamfungspeak wurden aus den Transportrechnungen übernommen.

Die Abbildung 1 zeigt vier experimentelle Flugzeitspektren für unterschiedliche Flugstrecken sowie die aus dem Modell der spektralen Verteilung berechnete Flugzeitverteilung und den ‚frame-overlap’-Untergrund. In der Abbildung 2 ist die Modellfunktion für die spektrale Verteilung sowie die aus den Flugzeitspektren ermittelte und die mit MCNPX berechnete spektrale Verteilung wiedergegeben. Alle Verteilungen sind auf die elektrische Ladung der auf das Wolframtarget treffenden Protonen normiert. Die bei hohen Neutronenenergien sichtbaren Abweichungen zwischen der Modellfunktion und den experimentellen Ergebnissen ist zum Teil auf die relativ schlechte Zeitauflösung der 238U Spaltionisationskammer und des Protonenstrahls zurückzuführen. Das Verfahren der Parameterschätzung ist unter diesen Bedingungen nicht mehr empfindlich für den genauen Verlauf der spektralen Verteilung in der Nähe der Maximalenergie. Die untere Energiegrenze der mit dem geschilderten Verfahren bestimmten spektralen Verteilung ist im Wesentlichen durch die kürzeste durch den technischen Aufbau der ANITA Anlage möglich Flugstrecke bedingt.

Abbildung 1 : Neutronenflugzeitverteilungen für verschiedene Flugstecken. Das Histogramm gibt die am ANITA Strahl mit einer 238U Spaltionisationskammer bestimmten experimentellen Verteilungen wieder. Die blaue Linie zeigt den ‚frame-overlap’-Untergrund und die rote Linie das gesamte aus der Modellfunktion für die spektrale Verteilung berechnete Flugzeitverteilung. Der TOF-Parameter entspricht der Differenz eines für jede Teilabbildung unterschiedlichen Zeitnullpunkts und der Ankunftszeit der Neutronen in der Spaltionisationskammer.

Abbildung 2 : Auf die Targetladung Q bezogene spektrale Ausbeute YE des ANITA Strahls. Das schwarze Histogramm zeigt die aus den Flugzeitmessungen nach Subtraktion des ‚frame-overlap’-Untergrunds berechnete spektrale Ausbeute und die blaue Linie die Modellfunktion. Die Parameter der Funktion wurden mit WinBUGS aus den Flugzeitspektren ermittelt. Das rote Histogramm gibt die Resulate der Simulation mit MCNPX wieder.

Literatur

  1. European Facilities for Nuclear Data Measurements (EFNUDAT), Website www.efnudat.eu
  2. D.B. Pelowitz, Laboratory Report LA CP 050369, Los Alamos National Laboratory (2005)
  3. A.J. Koning and D. Rochman, Report JEFF-DOC 1262, November 17, 2008
  4. D.J. Spiegelhalter, A. Thomas and N.G. Best, WinBUGS Version 1.4, MRC Biostatistics Unit (2003), die WinBUGS Software ist im Internet fügbar unter http://www.mrc-bsu.cam.uk/bugs