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Dosimetrie im Sekundärstrahlungsfeld bei der C-12-Strahlentherapie

04.01.2010

Die Therapie von soliden Tumoren mittels hochenergetischer Protonen oder 12C-Ionen ist eine der modernsten Formen der Krebstherapie bei bestimmten Tumorarten. In Deutschland wurde die 12C-Ionentherapie über viele Jahre von der GSI (GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH) in Darmstadt entwickelt und wird demnächst am Heidelberger Ionentherapiezentrum (HIT) in den Routinebetrieb gehen. Darüber hinaus entstehen in Marburg und Kiel weitere Ionentherapiezentren mit hochenergetischen Ionenstrahlen.

Ziel der Strahlentherapie ist es, den Tumor vollständig abzutöten und das umgebende gesunde Gewebe mit so wenig Strahlung wie möglich zu exponieren. Allerdings wird insbesondere bei der Ionentherapie durch die Wechselwirkung der Ionenstrahlen mit dem Gewebe auch Sekundärstrahlung erzeugt, die zu einer geringen Exposition des gesunden Gewebes führt. Die dosimetrische Erfassung der während der Strahlentherapie im Patienten erzeugten Sekundärstrahlung steht mittlerweile im Zentrum vieler Untersuchungen. Bei der Ionenstrahltherapie mit hochenergetischen Ionen - Protonen mit bis zu 250 MeV und 12C-Ionen mit bis zu 400 MeV pro Nukleon kinetischer Energie - werden durch Kernreaktionen mit den Atomkernen des Gewebes auch hochenergetische Sekundärteilchen wie Neutronen, Protonen, Deuteronen und Heliumatomkerne erzeugt [1]. Für dosimetrische Messungen in einem solch komplexen Strahlungsfeld sind die experimentellen Methoden der Mikrodosimetrie besonders geeignet.

Bei den von der PTB durchgeführten Messungen am 12C-Therapiestrahl der GSI wurde ein mit Gewebe-äquivalentem Gas gefüllter Proportionalzähler verwendet (engl. tissue equivalent proportional counter, TEPC), der auch zur Dosimetrie der kosmischen Strahlung in Flughöhen mit dem PTB In-flight Dosimetry System (πDOS) erfolgreich verwendet wurde [2]. Durch die Reduktion des Gasdrucks auf etwa 40 hPa wird so mit einem Gasvolumen von 5,69 cm Durchmesser ein Gewebevolumen von 4 µm Durchmesser simuliert. Mit einem TEPC wird eine Pulshöhenverteilung gemessen, die Rückschlüsse auf die Ionisationsdichte, d.h. auf die Strahlenqualität, erlaubt und die in eine Dosisverteilung umgerechnet werden kann. Dieses Messverfahren ist für alle Komponenten des Strahlungsfeldes geeignet, da es auf der Messung der Dosis in Gewebe und deren mikroskopischer Verteilung beruht, und insofern der Definition der Äquivalentdosis sehr nahe kommt.

Der Messaufbau bestand aus einem zylindrischen Wasserphantom mit ca. 15 cm Durchmesser, das mit dem 12C-Ionenstrahl mit einer Energie von 200 MeV pro Nukleon bestrahlt wurde. Die Dosisverteilung um das Phantom wurde unter 0°, 20° und 90° im Abstand von 2 m gemessen. Durch den Einsatz eines zusätzlichen Veto-Detektors war es auch möglich, die Dosisanteile durch neutrale Strahlungsteilchen, z.B. Photonen oder Neutronen, oder durch geladene Strahlungsteilchen, z.B. Protonen, Deuteronen oder Heliumatomkerne, zu unterscheiden. Die gemessene Verteilung der Umgebungs-Äquivalentdosis ist in Abbildung 1 im Vergleich mit anderen Messungen gezeigt.

Ziel der Messungen ist, die zusätzliche Dosis außerhalb des bestrahlten Tumors zu messen um die zusätzliche Dosis durch Sekundärstrahlung im Patienten abschätzen zu können. Vergleich man typische Bestrahlungsbedingungen bei einer Tumorbehandlung, z.B. die Bestrahlung eines 5 cm × 5 cm × 5 cm großen Volumens im Wasserphantom mit 10 Gy, so werden in Vorwärtsrichtung in 2 m Abstand Dosen von einigen hundert mikro-Sievert gemessen. Das bedeutet, dass in der Nähe des bestrahlten Tumors das gesunde Gewebe einer zusätzlichen Dosis von mehreren mSv exponiert ist.

Abbildung : Mit dem TEPC gemessene Umgebungs-Äquivalentdosis pro Strahlteilchen (πDOS). Die geladene Komponente () besteht in Vorwärtsrichtung hauptsächlich aus den Helium-Atomkernen und Protonen. Unter größeren Winkel werden hauptsächlich Neutronen emittiert (neutrale Komponente, ). Die Ergebnisse von πDOS und den Messungen der Neutronenkomponente mit einem WENDI-II Neutronenmonitor sind in guter Übereinstimmung. Die Unterschiede zu den Messungen mit einem BaF2-Detektorsystem lassen sich auf Protonen zurückführen, die von beiden Systemen, πDOS und WENEDI-II, teilweise nachgewiesen werden und nicht von Neutronen zu unterscheiden sind.

Literatur

  1. K. Gunzert-Marx, H. Iwase, D. Schardt, R. S. Simon:
    Secondary Beam Fragments produced by 200 MeV/u 12C ions in water and their dose contributions in carbon ion radio therapy.
    New Journal of Physics 10 (2008) 075003
  2. F. Wissmann:
    Long-term Measurements of H*(10) at Aviation Altitudes in the Northern Hemisphere.
    Radiat. Prot. Dosimetry 121 (2006) 347