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Digitales Datenaufnahmesystem für die Spektrometrie mit Szintillationsdetekoren

29.09.2008

Ein von der ENEA (Ente per le Nuove tecnologie, l'Energia e l'Ambiente, Frascati) entwickeltes digitales Datenaufnahmesystem wurde erfolgreich in der PTB in Betrieb genommen und im Einsatz an den Neutronenreferenzfeldern der PTB-Beschleunigeranlage getestet. Mit diesem System, das analoge Signale mit einer Auflösung von 14 Bit und einer Abtastrate von 200 Msamples/s aufnimmt, werden bei nahezu identischen Eigenschaften in den aufgenommenen Pulshöhenverteilungen bis zu einem Faktor 10 höhere Signalraten als mit der bisher benutzten analogen pulsverarbeitenden Elektronik erreicht.

Konventionelle analoge Elektronik zur Messung einzelner Signale von Strahlungsdetektoren ist in ihrem Einsatz auf relativ niedrige Zählraten begrenzt. Die Verarbeitungszeit von einigen µs verursacht Verluste durch Totzeit und Signalaufstockung zeitlich dicht aufeinander folgender Signale (Pile-up). Selbst bei Signaldauern deutlich unter 500 ns können nur Zählraten von kaum mehr als ca. 50•103 s-1 verarbeitet werden. Die neue digitale Datenerfassung überwindet diese Begrenzung durch kontinuierliches Abtasten des Detektorsignals. Zur Verringerung der anfallenden Datenmenge werden Zeiträume ohne Signal direkt durch einen schnellen, programmierbaren integrierten Logikschaltkreis (FPGA, Field Programmable Gate Array) von den eigentlichen Signalen abgetrennt. Dies ermöglicht bis zu einer maximalen Zählrate, die durch die Datenübertragungsrate des zum Transfer benutzen PCI-Bussystems von ca. 80 MByte/s bestimmt wird, eine praktisch totzeitfreie Datenaufnahme. Die Auswertung einer solchen Messung erfolgt im Anschluss "offline" auf einem PC. Die bei organischen Szintillatoren auftretenden Signale mit ihren unterschiedlichen Abklingzeiten, mit deren Hilfe Ereignisse von Neutronen und von Photonen unterschieden werden, können im nachhinein optimal separiert und ausgewertet werden. Ebenso werden Pile-up Signale von der Software erkannt und getrennt analysiert.

Die hohe zeitliche Auflösung und Bittiefe sind für die beabsichtigten Anwendungen im Bereich Spektrometrie mit organischen Szintillationsdetektoren von grundlegender Bedeutung. Die unterschiedlichen Abklingzeiten der durch Neutronen und Photonen erzeugten Signale verursachen unterschiedliche Signalverläufe mit charakteristischen Unterschieden im Bereich von ca. 15 ns bis 90 ns nach dem Signalmaximum. Die simultane Messung von Ereignissen im Neutronenenergiebereich von ca. 1.5 MeV bis ca. 20 MeV bedeutet eine Dynamik von mehr als einem Faktor 50 in den resultierenden Pulsintegralen. Damit ist nur ein System mit hoher zeitlicher Auflösung und Bittiefe mit geeigneter Nulldatenreduktion geeignet, um Pulshöhenspektren bestehend aus bis zu 5•106 Einzelpulsen aufnehmen zu können. Bei den Messungen an der PTB-Beschleunigeranlage wurde das System mit Zählraten bis zu 420•103 s-1 getestet. Bis zu ca. 150•103 s-1 zeigen die aufgenommenen Pulshöhenspektren keine Veränderungen in den spektralen Signaturen. Bei der maximal erreichten Zählrate, die vorher nicht mit analogen Systemen zugänglich war, ergeben sich geringe Veränderungen, die aus Nichtlinearitäten des verwendeten Photomultipliers resultieren. Dies ist in Abbildung dargestellt, in der die Pulshöhenspektren eines Szintillationsdetektors bei der Messung von 14 MeV Neutronen, die mit der digitalen Datenerfassung bei verschieden hohen Zählraten aufgenommen wurden, aufgetragen sind. Die genaue Ursache dieser Effekte wird zur Zeit untersucht.

Generell zeigt sich im Vergleich zu der bisher verwendeten analogen Elektronik eine geringfügige Verbreiterung der Strukturen des Pulshöhenspektrums, die im Rahmen einer ausführlichen Charakterisierung des Detektors berücksichtigt werden kann und somit keine Einschränkung darstellt.

Abbildung : Pulshöhenspektren eines Szintillationsdetektors, aufgenommen mit der digitalen Datenerfassung bei Zählraten von 12•103 s-1, 150•103 s-1 und 420•103 s-1.