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Bestimmung der Wasser-Energiedosis für die interstitielle Brachytherapie

15.01.2007

Das Prostatakarzinom ist in entwickelten Ländern inzwischen die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung des Mannes. In Deutschland macht das Prostatakarzinom mit etwa 40.000 Neuerkrankungen pro Jahr etwa 20% aller Krebsneuerkrankungen beim Mann aus. Als organerhaltendes minimalinvasives radiotherapeutisches Verfahren hat die interstitielle Brachytherapie eine zunehmende Bedeutung bei der Behandlung des lokal begrenzten Prostatakarzinoms erlangt. Es handelt sich dabei um eine „Low-Dose“-Brachytherapie, bei der radioaktive Strahlungsquellen (Jod-125 oder Palladium-103) in Form von Seeds über Hohlnadeln zum dauerhaften Verbleib in das Prostata-Gewebe eingebracht werden. Eine genaue Bestimmung der von diesen radioaktiven Quellen erzeugten Dosisleistung ist eine wichtige Vorraussetzung für eine erfolgreiche therapeutische Behandlung. Wie in der Strahlentherapie auch sonst üblich sollte die Angabe der Dosis in der Messgröße Wasser-Energiedosis erfolgen. Allerdings sind die dafür erforderlichen Messmethoden noch nicht entwickelt und die Charakterisierung erfolgt daher bisher in Einheiten der Größe Luftkerma.

Zur Bestimmung der Wasser-Energiedosis im Umgebungsmaterial Wasser werden Extrapolationskammern verwendet, die sich jedoch aus technischen Gründen nicht im Wasserphantom, sondern nur im festen Phantommaterial (z. B. Graphit) einsetzen lassen. Die Wasser- Energiedosis im Umgebungsmaterial Wasser wird daher in drei Schritten ermittelt:

  1. Bestimmung der Luftkerma im Graphitphantom.
  2. Umrechnung der gemessenen Größe in die Messgröße Wasserkerma im Graphitphantom und Kalibrierung einer Transfer-Ionisationskammer.
  3. Übertragung der Einheit der Wasserkerma vom Graphitphantom auf das Wasserphantom, in der die Wasserkerma der gesuchten Wasser-Energiedosis entspricht.

Mit der Extrapolationskammer wird der Quotient aus der Zunahme der erzeugten Ladung ΔQ bei Vergrößerung der Kammertiefe um Δx gemessen. Dadurch erhält man eine so genannte „differentielle Extrapolationskurve“, die in der Abbildung durch eine blaue Linie dargestellt ist. Idealerweise kann die Dosis in der Grenzschicht zwischen Graphit und Luft durch eine Extrapolation der Kurve von größeren Kammertiefen zur Grenzschicht erhalten werden. Aufgrund ihrer Krümmung ist aber eine lineare Extrapolation nicht möglich. Die Krümmung wird verursacht durch Störeinflusse wie Strahldivergenz und Mehrfachstreuung in den Kammerwänden. Diese Störeinflüsse können mittels Monte Carlo Simulationen quantifiziert werden. Wendet man die so erhaltenen Korrekturtherme auf die gemessene Kurve an, so spiegelt die neu gewonnene differentielle Kurve (rot) die ungestörten Verhältnisse wider. Im Diagramm erkennt man auf den ersten 15 mm klar den typischen Dosisaufbau bevor dann Sekundärelektronengleichgewicht erreicht wird. Extrapoliert man von Tiefen größer als 20 mm nach Null so erhält man die Luftkerma in der Grenzschicht. Unsicherheitsbetrachtungen ergaben, dass die hieraus ermittelte Dosis mit einer erweiterten Unsicherheit von 1,5 % bestimmt werden kann.

Abb.: Beispiel einer Messkurve für eine ISO-N 40 Röntgenqualität. (blau: ermittelte Messwerte, rot: korrigierte Werte). Der Verlauf der roten, korrigierten Kurve entspricht dem idealen Dosisverlauf beim Eintritt von Photonenstrahlung in Materie.