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Inbetriebnahme der neuen Spallationsneutronenquelle n_TOF am CERN

23.12.2021

Der Fachbereich 6.4 "Neutronenstrahlung" ist Mitglied von n_TOF, der Kollaboration, die die gepulste, "weiße" Neutronenquelle des CERN betreibt. In der n_TOF‑Anlage werden Neutronen in einem Energiebereich von fast 11 Größenordnungen durch Spallation von 20 GeV/c Protonenpulsen erzeugt, die auf ein massives Bleitarget treffen. Die Neutronen werden in zwei Experimentierbereiche (EAR1 und EAR2) geleitet, in denen Neutronen‑Kern‑Wechselwirkungen untersucht werden können, die für die nukleare Astrophysik, medizinische Anwendungen, Nukleartechnologien und die Neutronenmetrologie von Interesse sind.

Von 2019 bis Mitte 2021 durchlief das CERN den sogenannten Long Shutdown 2 (LS2), eine zweieinhalbjährige Unterbrechung der experimentellen Aktivitäten, die der Modernisierung und Wartung des Beschleunigerkomplexes gewidmet war. Während LS2 wurde auch die n_TOF‑Anlage einer umfassenden Modernisierung unterzogen und ein neues Neutronenproduktionstarget installiert [1]. Dabei handelt es sich um die dritte Generation von Targets, die bei n_TOF zum Einsatz kommen und im Vergleich zu den vorherigen Generationen sowohl hinsichtlich des Strahlenschutzes als auch der Energieauflösung optimiert wurden. Die Inbetriebnahme des neuen Targets begann im Juli 2021, und die PTB leistete zusammen mit mehreren anderen Instituten aus ganz Europa wissenschaftliche und technische Unterstützung und stellte zwei Spaltionisationskammern zur Messung des Neutronenflusses in EAR1 und EAR2 zur Verfügung.

zwei Spaltionisationskammern

Abbildung 1: Die PTB‑Spaltionisationskammer H19 (links) wurde im Experimentierbereich 1 und die massearme Spaltionisationskammer (rechts) im Experimentierbereich 2 der n_TOF Neutronenquelle am CERN zur Charakterisierung der Neutronenenergieverteilung eingesetzt.

Spaltionisationskammern sind Neutronendetektoren, die einige zehn bis hundert Milligramm spaltbares Material enthalten. Diese Geräte nutzen die relativ große Energiemenge, die bei neutroneninduzierten Spaltreaktionen freigesetzt wird, um leicht nachweisbare Signale zu erzeugen, die das Vorhandensein von Neutronen anzeigen. Die beiden PTB‑Kammern enthalten sehr dünne Schichten des spaltbaren Isotops U‑235, das keine Spaltschwelle hat. Daher können sie zum Nachweis von Neutronen über den gesamten n_TOF‑Energiebereich vom thermischen Bereich bei 25,3 meV bis zu mehreren hundert MeV verwendet werden. Die in EAR1 verwendete Kammer H19 ist ein Sekundärstandard für die Messung der Neutronenfluenz, der vom Fachbereich 6.4 seit den 1990er Jahren betrieben wird und der bereits für die Charakterisierung der Neutronenfelder in zahlreichen anderen externen Einrichtungen verwendet wurde. Die zweite Kammer ist eine Neuentwicklung aus den Jahren 2017/2018, die bisher allerdings noch nicht so gut charakterisiert ist wie die Kammer H19. In dieser neuen Ionisationskammer wurde die Menge an Strukturmaterialen, die die Messungen des Neutronenflusses beeinflussen, minimiert und die Kammer in mehrere separat auslesbare Sektionen unterteilt. Sie ist daher gut für den Einsatz an der Position EAR2 geeignet, wo die Neutronenintensität aufgrund des geringeren Abstands zum Spallationstarget etwa zwei Größenordnungen höher ist als bei EAR1.

Die Messkampagne zur Inbetriebnahme unter der Leitung des lokalen n_TOF‑Teams dauerte den ganzen Sommer und Herbst 2021. Sie wurde Mitte November 2021 wegen der Winterabschaltung des CERN unterbrochen und wird im Jahr 2022 abgeschlossen. Hunderte von Terabyte an Daten wurden bereits gesammelt, und die Analyse hat bereits begonnen, wobei die Aufgaben unter den Mitgliedern der Kollaboration aufgeteilt werden. Die ersten Ergebnisse werden voraussichtlich ab Sommer nächsten Jahres auf internationalen Konferenzen und in von Experten begutachteten Artikeln in Fachzeitschriften vorgestellt.

Literatur

[1] R. Esposito, M. Calviani, et al. (for the n_TOF collaboration), Physical Review Accelerators And Beams 24(2021) 093001.

Ansprechpartner

Opens local program for sending emailDr. E. Pirovano, Fachbereich 6.4, Arbeitsgruppe 6.42