Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Experimentelle Bestimmung von Korrektionsfaktoren für die Strahlungsqualität im SOBP eines C-12-Strahls mit Hilfe der Wasserkalorimetrie

23.12.2021

Die Referenzdosimetrie mit kalibrierten Ionisationskammern weist in Kohlenstoffstrahlen eine deutlich höhere Messunsicherheit auf als in hoch‑energetischen Photonenfeldern. Das ist vor allem auf die hohe Unsicherheit des Korrektionsfaktors für die Strahlungsqualität kQ zurückzuführen, der in Kohlenstoffstrahlen aufgrund fehlender experimenteller Daten theoretisch berechnet wird.

Um diese Unsicherheit zu reduzieren, wurden in Kooperation mit dem Heidelberger Ionenstrahl‑Therapiezentrum (HIT), kQ‑Faktoren experimentell mit Hilfe der Wasserkalorimetrie bestimmt.

Die Strahlentherapie mit hoch‑energetischen Ionen, wie sie am HIT angewendet wird, bietet gegenüber der konventionellen Photonen‑Therapie einige Vorteile, wie eine höhere biologische Wirksamkeit, eine höhere Eindringtiefe sowie, aufgrund der inversen Tiefendosiskurve und des geringeren Streuverhaltens, eine präzisere räumliche Verteilung [1]. Zusätzlich wird jedoch auch eine präzise Bestimmung der applizierten Dosis benötigt. Die Messgröße ist hierbei die Wasserenergiedosis, die in der Praxis mit Hilfe kalibrierter Ionisationskammern bestimmt wird.

Diese Ionisationskammer‑basierte Dosimetrie weist momentan in Kohlenstoffstrahlen noch eine deutlich höhere Standardmessunsicherheit auf als bei hoch‑energetischen Photonen. Dies ist vor allem auf die hohe Unsicherheit des Korrektionsfaktors für die Strahlungsqualität kQ zurückzuführen.  Aufgrund fehlender experimenteller Daten wird kQ in Kohlenstofffeldern bislang berechnet, wobei eine Gesamtunsicherheit von 2,8 % nach TRS‑398 [2] bzw. 2,2 % nach DIN 6801‑1 [3] erzielt wird. Für Photonen liegt diese bei lediglich 0,6 % [4].

Innerhalb einer Kooperation mit dem HIT konnten in einem vorangegangenen Projekt bereits kQ‑Faktoren für verschiedene Ionisationskammern experimentell mit Hilfe der Wasserkalorimetrie für den flachen Eingangskanal eines monoenergetischen Kohlenstofffeldes bestimmt werden. Hierbei wurde eine Gesamtunsicherheit für kQ von 0,8 % erreicht [5].

In einem weiteren Projekt, das jetzt erfolgreich abgeschlossen werden konnte, wurden kQ‑Faktoren für den Spread‑Out Bragg Peak (SOBP) bestimmt. Dabei wurde der SOBP passiv in der Tiefe moduliert unter Einsatz eines sogenannten 2D‑Reichweitenmodulators (2DRM) [6]. Dadurch konnte die Bestrahlungsdauer im Vergleich zu einem aktiven Scanverfahren, wie es in der klinischen Praxis angewandt wird, drastisch reduziert werden, was es ermöglichte, Wärmeleitungseffekte für die Wasserkalorimetrie mit geringer Unsicherheit zu bestimmen. Dies wiederum trug zu einer geringen Gesamtunsicherheit der experimentell bestimmten kQ‑Faktoren bei.

Das mit Hilfe des 2DRM erzeugte Strahlungsfeld wurde durch wiederholte Messungen der dreidimensionalen Dosisverteilung eingehend charakterisiert und hinsichtlich Homogenität und Reproduzierbarkeit untersucht [7]. Auf dieser Grundlage wurden diverse Korrektionsfaktoren sowohl für die kalorimetrischen als auch für die ionometrischen Messungen bestimmt.

Für die Bestimmung der kQ‑Faktoren wurde zunächst die im Wasser absorbierte Dosis unter den gegebenen Bestrahlungsmodalitäten mit Hilfe des PTB Wasserkalorimeters bestimmt. Anschließend wurden Messungen mit den Ionisationskammern PTW TM30013 und IBA FC65G unter denselben Bestrahlungsbedingungen im Wasserphantom des Kalorimeters durchgeführt. Der Messaufbau des Kalorimeters mit davor positioniertem 2DRM ist in Abbildung 2 gezeigt. Insgesamt wurden innerhalb von vier Messkampagnen 282 Messungen mit dem Wasserkalorimeter sowie jeweils 70 Ionisationskammer‑Messungen für jede der beiden Kammern durchgeführt. Der genaue Messablauf sowie die detaillierten Ergebnisse sind in [8] publiziert.

Messaufbau Wasserkalorimeter

Abbildung 1: Messaufbau des Wasserkalorimeters (rechts) vor der Beam Nozzle (links) mit 2DRM im Isozentrum (Mitte).

Letztlich konnten so die kQ‑Faktoren für beide Ionisationskammern mit einer Standardmessunsicherheit von 0,7 % bestimmt werden. Verglichen mit der Unsicherheit der im TRS-398 Report [2] angegebenen Faktoren bedeutet dies eine Reduktion um einen Faktor vier.

Die finalen kQ‑Faktoren wurden mit den Werten aus TRS‑398 [2] und DIN 6801-1 [3] sowie den für den Eingangskanal bestimmten Werten [5] verglichen. Eine grafische Darstellung ist in Abbildung 3 zu sehen.

Es zeigt sich, dass die für den SOBP experimentell ermittelten kQ‑Werte innerhalb der Messunsicherheit mit den Werten aus DIN 6801‑1 übereinstimmen, aber zwischen 1,3 % und 2,3 % unterhalb der Werte aus TRS‑398 liegen. Diese Abweichungen könnten darauf hindeuten, dass die Annahmen, die für die theoretische Berechnung der kQ-Werte in TRS‑398 für den SOBP gemacht werden, unzureichend sind.

Korrektionsfaktoren Strahlungsqualität, 2 Diagramme

Abbildung 2: Experimentell bestimmte kQ‑Faktoren für Eingangskanal [5] und SOBP [8] im Vergleich mit in der Literatur angegebenen Werten [2,3] für die PTW TM30013 (links) und die IBA FC65G (rechts). Grafik entnommen aus [8].

Verglichen mit den kQ‑Werten, die im Eingangskanal experimentell bestimmt wurden, sind die im SOBP ermittelten kQ-Faktoren um etwa 1,1-1,9 % kleiner. Beide Experimente unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der verwendeten Eingangsenergie der Teilchen und insbesondere im verwendeten Bestrahlungsplan (Raster‑Scan). Durch neuere Messungen im Eingangskanal unter Verwendung der gleichen Energie (aber ohne Verwendung des 2DRM) und des gleichen Bestrahlungsplans wie für den SOBP könnten die Unterschiede zwischen Eingangskanal und SOBP weiter untersucht werden.

Referenzen

[1]    M. Durante and J. Loeffler, Nat. Rev. Clin. Oncol. 7 (2010) 37-43

[2]    IAEA TRS-398, V.12 (2006)

[3]    DIN-Normenausschuss Radiologie (NAR), DIN 6801-1 (2016)

[4]    P. Andreo et al, Phys. Med. Biol. 65 (2020) 095011

[5]    J.-M. Osinga-Blättermann et al, Phys. Med. Biol. 62 (2017) 2033-2054

[6]    Y. Simeonov et al, Phys. Med. Biol. 62 (2017) 7075-7096

[7]    K. Holm et al, Phys. Med. Biol. 65 (2020) 215003, doi.org/10.1088/1361-6560/aba6d5

[8]    K. Holm et al, Phys. Med. Biol. 66 (2021) 145012, doi.org/10.1088/1361-6560/ac0d0d

Ansprechpartner

Opens local program for sending emailK. Holm, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23

Opens local program for sending emailA. Krauss, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.23