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Bestimmung von Kammerkorrektionsfaktoren für Röntgentherapiequalitäten

20.12.2019

Die primäre Messung der Wasserenergiedosis für Röntgentherapie-Strahlungsqualitäten mit Hilfe von Kalorimetern ist extrem zeitaufwändig. Alternativ können Ionisationskammern frei in Luft in der Messgröße Luftkerma kalibriert werden, um dann mit Hilfe von Umrechnungsfaktoren den Kalibrierfaktor für die Wasserenergiedosis zu berechnen. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der McGill Universität Montréal in Kanada konnte dieser Umrechnungsfaktor zum ersten Mal für sechs Ionisationskammertypen mit relativen Standardmessunsicherheiten kleiner als 1 % gemessen und mit Monte-Carlo-Simulationen mit relativen Unsicherheiten von 0,3 % berechnet werden. Aus dem Vergleich ergaben sich jedoch Abweichungen von bis zu 3 %, deren Ursachen noch erforscht werden.

Harte Röntgenstrahlungen mit Erzeugerspannungen zwischen 80 kV und 300 kV werden vornehmlich zur Strahlentherapie von entzündlichen und degenerativen Erkrankungen von Gelenken und Weichteilen angewendet (Hartstrahltherapie). Die Referenzdosimetrie wird mit kalibrierten Ionisationskammern durchgeführt, mit denen die Wasserenergiedosis in einer Wassertiefe von 2 cm gemessen wird. In der PTB wird die Wasserenergiedosis primär mit einem Wasserkalorimeter dargestellt. Diese Art der Darstellung ist sehr anspruchsvoll, da die Strahlungsqualitäten im Wasser einen hohen Dosisgradienten haben, und die Intensität am Messort relativ gering ist. Da die Messprozedur extrem zeitaufwändig ist, wurden zur Zeit der wasserkalorimetrischen Messungen zwei Transferkammern direkt im Wasserkalorimeter kalibriert und fortan für die Rückführung von Routinekalibrierungen eingesetzt [1].

Eine deutlich weniger aufwändige Methode beruht auf der Kalibrierung einer Kammer in der Messgröße Luftkerma frei in Luft und anschließender Umrechnung in den Kalibrierfaktor bezüglich der Wasserenergiedosis. Die dafür notwendigen Umrechnungsfaktoren setzen sich zusammen aus dem kammerunabhängigen berechenbaren Verhältnis der über die Photonenfluenzspektren gemittelten Massen-Energieübertragungskoeffizienten von Luft zu Wasser und einem kammerspezifischen Korrektionsfaktor, der das unterschiedliche Ansprechvermögen der Kammern in Luft und Wasser und die unterschiedliche Störung des Feldes durch die Kammer und den Kammerstiel berücksichtigt.

Die Berechnung der mittleren Massen-Energieübertragungsverhältnisse von Luft zu Wasser ist mit sehr kleinen Unsicherheiten von ca. 0,3 % möglich [1]. Dagegen sind Korrektionsfaktoren der Kammern bisher vornehmlich nur aus Monte-Carlo-Simulationen ermittelt worden und mit relativ großen Unsicherheiten von bis zu 3 % behaftet. Weiterhin sind diese nur für eine begrenzte Auswahl an Kammertypen vorhanden und teilweise schon veraltet. Nun gab es in den letzten Jahren sowohl messtechnisch als auch rechentechnisch signifikante Fortschritte, die es möglich machten, die kammerspezifischen Korrektionsfaktoren mit deutlich kleineren Unsicherheiten neu zu bestimmen. Darüber hinaus sind inzwischen deutlich verbesserte Kammertypen auf dem Markt, für die es bisher noch keine solchen Korrektionsfaktoren gab. Dieses waren die wesentlichen Gründe für die PTB, in einem gemeinsamen Projekt mit der McGill Universität Montréal in Kanada die Kammerkorrektionsfaktoren für die am häufigsten verwendeten Kammertypen neu zu bestimmen. Weiterhin sind diese Daten relevant für das internationale, weltweit gebräuchliche Dosimetrieprotokoll IAEA TRS 398 [2], welches zurzeit in der Revision ist.

In der PTB wurden die sechs untersuchten Kammertypen in den Strahlungsfeldern der TH‑Serie von 50 kV bis 300 kV sowohl in Luftkerma als auch in Wasserenergiedosis gegen die jeweiligen Primärnormale der PTB kalibriert. Der gesuchte Kammerkorrektionsfaktor ergibt sich dann einfach durch Division der Kalibrierfaktoren bezüglich Wasserenergiedosis und Luftkerma normiert auf das Massen-Energieübertragungsverhältnis von Wasser zu Luft. Die abgeschätzten relativen Standard-Messunsicherheiten dieser experimentellen Bestimmung der Korrektionsfaktoren sind kleiner als 1 %.

Der Projektpartner von der McGill Universität hat die entsprechenden Korrektionsfaktoren mit dem Anwendercode „egs_chamber“ des EGSnrc Monte Carlo Code Systems [3] unter Verwendung der in der PTB mit Germaniumdetektoren gemessenen Photonenfluenzspektren berechnet. Dazu wurden realistische Kammermodelle der einzelnen Typen in die Simulation eingefügt und die Dosis im Kammervolumen in Wasser und Luft sowie die Wasserenergiedosis und Luftkerma am Referenzpunkt berechnet. Dabei war es möglich, die relativen Unsicherheiten der Korrektionsfaktoren auf 0,3 % zu reduzieren, was gegenüber den bisherigen Unsicherheiten von bis zu 3 % eine signifikante Verbesserung darstellt.

Schließlich wurden gemessene und berechnete Korrektionsfaktoren miteinander verglichen. Die Ergebnisse für den Kammertyp PTW TM30013 sind in Abbildung 1 (aus [5]) zu sehen. Dabei ergaben sich unerwartete Abweichungen von bis 3 %. Die Abweichungen waren ähnlich für alle sechs untersuchten Kammertypen und konnten eindeutig den Abweichungen des berechneten und gemessenen absoluten Verhältnisses der Wasserenergiedosis zur Luftkerma frei in Luft zugeordnet werden. Die Ursachen für diese Abweichungen sind Gegenstand weiterer Untersuchungen.

Abb. 1: Gemessene (blaue Punkte) und berechnete (rote Punkte) Korrektionsfaktoren für die Kammer PTW TM30013 als Funktion der Cu-Halbwertschichten der Strahlungsqualitäten der TH-Serie.

Literatur

(1)   KRAUSS, A., BÜERMANN, L., KRAMER, H.-M., SELBACH, H.J., Calorimetric determination of the absorbed dose to water for medium-energy x-rays with generating voltages from 70 to 280 kV, Physics in Medicine and Biology 57 (2012) 6245.

(2)   INTERNATIONAL ATOMIC ENERGY AGENCY, Absorbed Dose Determination in External Beam Radiotherapy, Technical Reports Series (TRS) No. 398, Vienna (2000).

(3)   KAWRAKOW, I., MAINEGRA-HING, E., ROGERS, D.W.O., TESSIER, F., WALTERS, B.R.B., The EGSnrc Code System: Monte Carlo simulation of electron and photon transport, Technical Report PIRS-701, National Research Council Canada (2017).

(4)   BANCHERI, J. et al., to be submitted to Physics in Medicine and Biology.

Ansprechpartner:

Opens window for sending emailS. Ketelhut, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.25

Opens window for sending emailL. Büermann, Fachbereich 6.2, Arbeitsgruppe 6.25