
Ziel des BALANCE Projektes ist es für den Fall einer Exposition mit Freisetzung von Neutronen mit Hilfe der biologischen Dosimetrie eine individuelle Dosisabschätzung für eine große Anzahl von Personen durchführen zu können. Ursprünglich wurde von Gefährdungen durch Terroranschläge mit einem sogenannten „improvised nuclear device“ (IND) oder bei Unglücken in Kernkraftwerken ausgegangen, doch leider wird aktuell auch der Einsatz von taktischen Nuklearwaffen befürchtet.
Grundlage für die Biologische Dosimetrie sind in vitro erstellte Dosiswirkungskurven, die zuvor in den an der Analyse beteiligten Laboren etabliert werden müssen. Im bestehenden, vom BfS initiierten Europäischen Netzwerk für biologische Dosimetrie und retrospektive physikalische Dosimetrie (RENEB) standen den Partnern bis jetzt keine entsprechenden Dosis‑Wirkungskurven zur Verfügung. Damit das Netzwerk auch im Falle einer Neutronenexposition effektiv eingesetzt werden kann, ist die Etablierung von Dosiswirkungskurven für verschiedene Neutronenenergien dringend erforderlich. Eine Förderung durch die National Institutes of Health (NIH)/USA bot die Gelegenheit, entsprechende Kurven auch im internationalen Vergleich mit amerikanischen Partnern zu erstellen und anschließend in Ringversuchen zu validieren. Zudem konnten die manuelle und die schnelle, automatische Auswertung miteinander verglichen werden.
Für die Blutbestrahlungen an der PTB (Abbildung 1) wurde mit dem PTB‑Tandembeschleuniger ein Deuteriumstrahl mit einer Energie von 3,4 MeV und einem Ionenstrom von 50 µA erzeugt und auf eine Berylliumscheibe gelenkt. Durch die Kernreaktion 9Be(d,n) wird dort ein intensives Neutronenfeld mit einer breiten Energieverteilung erzeugt, dessen Energiespektrum dem Spektrum bei der Atombombenexplosion von Hiroshima ähnelt.
Abbildung 1: Blutproben im intensiven Neutronenfeld der PTB
Die bestrahlten Proben wurden von der Projektleiterin an die RENEB Netzwerkpartner zur Auswertung verteilt. Die Ergebnisse für dizentrische Chromosomenaberationen (Abbildung 2) aus 8 Laboren wurden anschließend von einem Biostatistiker analysiert und werden gerade zur Veröffentlichung eingereicht.
Abbildung 2: Typische Aufnahme einer Metaphase von geschädigten Blutzellen nach Bestrahlung. Die dizentrische (dic) und eine azentrische (ace) Chromosomenaberration sind markiert.
Das einzigartige Angebot an verschiedenen Neutronenenergien und Intensitäten der PTB wurde schon für mehrere nationale und europäische Projekte benutzt und stellt eine wichtige Ressource für die Biologische Dosimetrie und die Erforschung von biologischen Strahleneffekten dar.
Literatur
[1] International comparison exercise for biological dosimetry after exposures with neutrons performed at two irradiation facilities as part of the BALANCE project, Endesfelder D, Kulka U, Bucher M, Giesen U, Garty G, Beinke C, Port M, Gruel G, Gregoire E, Terzoudi G, Ainsbury E, Moquet J, Prieto MJ, Domene MM, Barquinero JF, Pujol-Canadell M, Vral A, Baeyens A, Wojcik A, Oestreicher U; Cytogenetic and Genome Research, https://doi.org/10.1159/000530728
[2] Förderung durch: Grant number U19-AI067773 to the Center for High‑Throughput Minimally Invasive Radiation Biodosimetry, from the National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), National Institutes of Health (NIH). CINF: Columbia IND Neutron Facility, Columbia University, Irvington, New York, USA
Ansprechpersonen
U. Giesen, Fachbereich 6.4, Arbeitsgruppe 6.45
U. Oestreicher, BfS, Oberschleißheim