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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Optimierte Selbstkalibrierung des Winkelprimärnormals der PTB

01.12.2010

      

Zur Kalibrierung von Winkelmesstischen stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, welche es erlauben, den Vollwinkel 2p rad (360°) als natürliches und fehlerfreies Normal für den ebenen Winkel zu nutzen. Hierbei wird der Vollkreis in Abschnitte unterteilt und die bei dieser Kreisteilung auftretenden systematischen Fehler der beteiligten Winkelmesssysteme werden durch mathematische Verfahren ermittelt.

Im Falle des Winkelprimärnormals der PTB, dem Winkelkomparator WMT 220 [1], wird die Winkelskala durch ein radiales Reflexionsphasengitter verkörpert. Dieses wird durch acht Abtastköpfe ausgelesen, welche gleichmäßig bezüglich des Umfangs des Phasengitters verteilt sind, siehe Bild 1. Der Winkelmesswert wird schließlich durch Mittelwertbildung über alle Abtastköpfe gewonnen. Neben den acht primären Messabtastköpfen lesen weitere acht Kalibrierabtastköpfe das Phasengitter aus, welche so angeordnet sind, dass die relativen Winkelpositionen aller 16 Abtastköpfe die Teilwinkel 360°/2n mit n = 1 bis 7 vollständig abdecken [2].




Bild 1. Spezielle Anordnung der acht Messabtastköpfe (rote Kreise) und weiterer acht Kalibrierabtastköpfe (Dreiecke), welche das radiale Phasengitter des Winkelkomparators WMT 220 auslesen. Sie sind so angeordnet, dass ihre relativen Winkelpositionen alle Teilwinkel 360°/2n mit n = 1 bis 7 abdecken.

Durch diese spezielle Anordnung der Abtastköpfe ist die Anwendung eines Selbstkalibrierverfahrens möglich, welches eine schnelle (wenige min.) und hochgenaue Kalibrierung des Winkelprimärnormals ohne Rückgriff auf externe Hilfssysteme ermöglicht [2-8]. Dieses beruht auf der Analyse von Messwertdifferenzen aller 16 Abtastköpfe relativ zu einem Referenzkopf im Fourierraum. Bei der Analyse der Differenzen können verschiedene Gewichtungsschemata zur Anwendung kommen, was in [8] im Detail beschrieben wird. Dort werden drei Gewichtungsschemata untersucht: identische Gewichte, komplexe Gewichte, welche dem bisherigen Verfahren [6] entsprechen, sowie optimale Gewichte.

Gegenüber dem bisherigen Verfahren ergibt sich bei Anwendung der optimalen Gewichte eine erheblich verbesserte Fehlerpropagation durch die Algorithmen, welche die Messdaten analysieren. Diese Untersuchungen wurden nun erstmals durch Anwendung eines eigens dafür entwickelten, umfangreichen Softwarepakets auf reale Kalibrierdaten des Winkelprimärnormals WMT 220 experimentell erprobt.

Hierfür wurden 150 Kalibrierläufe durchgeführt und die Teilungsabweichungen sowohl des Phasengitters, als auch die Winkelabweichungen des Winkelprimärnormals ermittelt, letztere ergeben sich aus der Summation über die Auslesungen des Phasengitters durch alle acht primären Messabtastköpfe. Bei der Bestimmung der Teilungsabweichungen des Phasengitters ist die Wiederholbarkeit der Kalibrierergebnisse um einen Faktor 2,0 besser, wenn optimale Gewichte verwendet werden. Dies ist unabhängig davon, welcher der acht Messabtastköpfe als Referenzkopf verwendet wird. Bei der Bestimmung der Winkelabweichungen des Winkelprimärnormals selbst, welche für dessen praktische Anwendung relevant sind, ist die Wiederholbarkeit bei optimaler Gewichtung um den Faktor 3,4 besser, der Gewinn durch die optimale Gewichtung ist damit noch größer.

Angesichts der neuen Ergebnisse kann das Messunsicherheitsbudget des Winkelprimärnormals WMT 220 überarbeitet und der Typ-A-Fehleranteil [9] reduziert werden. Das Unsicherheitsbudget enthält jedoch weitere Messunsicherheitseinflüsse des Typs B [9], die aus der Analyse verschiedener, voneinander unabhängiger Kalibrierverfahren und -ergebnisse abgeleitet werden, und welche das Budget dominieren [10].


Literatur

[1] Probst R, Wittekopf R, Krause M, Dangschat H and Ernst A: The new PTB angle comparator. Meas. Sci. Technol. 9 (1998)1059-1066

[2] Ernst A: Winkelmesseinrichtung. Europ. Patent 0 440 833 B1 1994

[3] Masuda T and Kajitani M.: An automatic calibration system for angular encoders. Precis. Eng. 11 (1989) 95-100

[4] Watanabe T, Fujimoto H, Nakayama K, Masuda T and Kajitani M.: Automatic high precision calibration system for angle encoders. Proc. SPIE 4401 (2001) 267-274

[5] Watanabe T, Fujimoto H, Nakayama K, Masuda T and Kajitani M.: Automatic high precision calibration system for angle encoders (II). Proc. SPIE 5190 (2003) 400-409

[6] Probst R and Krause M.: Six nanoradian in 2p radian - a primary standard for angle measurement. Proc. 2nd Euspen Int. Conf. 2001 326-329

[7] Probst R.: Self-calibration of divided circles on the basis of a prime factor algorithm. Meas. Sci. Technol. 19 (2008) 015101 11pp

[8] Geckeler RD, Fricke A and Elster C.: Calibration of angle encoders using transfer functions. Meas. Sci. Technol. 17 (2006) 2811-2818

[9] Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement 1995
(Geneva: International Organization for Standardization ISO)

[10] Just A, Krause M, Probst R, Bosse H, Haunerdinger H, Spaeth C, Metz G and Israel W.: Comparison of angle standards with the aid of a high-resolution angle encoder. Precis. Eng. 33(4) (2009) 530-533

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