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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Selbstkalibrierung von Teilkreisen auf Basis eines Primfaktor-Algorithmus

22.12.2009


Zur Kalibrierung der Teilungsabweichungen von verkörperten Kreisteilungen, wie optischen Polygonen, Winkel-Indextischen oder den als Basiskomponente von Winkelencodern eingesetzten optischen Teilscheiben werden verschiedene Selbstkalibrierverfahren angewandt. Diese basieren auf der Tatsache, dass die Summe der Teilungsabweichungen in R äquidistant über 2 π rad (360°) verteilten Winkelpositionen definitionsgemäß Null ergeben muss. Dies gilt für alle harmonischen Komponenten der Teilungsabweichungen mit Ausnahme der in R periodischen Komponente und ihrer Vielfachen.

Zur praktischen Bestimmung der Teilungsabweichungen von Kreisteilungen wird oftmals die Methode der Kreuzkalibrierung (cross calibration) angewendet, bei der die Teilungsabweichungen des Prüflings gegen eine zweite Kreisteilung gemessen wird, die sukzessive in R äquidistanten Winkelpositionen zum Prüfling orientiert wird. Sollen bei diesem Verfahren auch die höheren Harmonischen der Teilungsabweichungen des Prüflings mit erfasst werden, ist eine hohe Anzahl von Relativlagen der beiden Messsysteme zueinander notwendig. Die Messzeit für eine vollständige Kreuzkalibrierung ist dementsprechend hoch und in der Regel nur bei automatischer Einstellung der Relativlagen akzeptabel, wie sie am primären Winkelnormal WMT 220 der PTB möglich ist. Auf der anderen Seite erlaubt die Kreuzkalibrierung die Erzielung sehr geringer Messunsicherheiten für die verkörperte Kreisteilung, da deren systematischen Teilungsabweichungen hochgenau bestimmt werden.

Im Folgenden wird ein neues Fehlertrennverfahren auf der Basis einer Primfaktorzerlegung vorgestellt, welches - im Vergleich zur vollständigen Kreuzkalibrierung - eine Kalibrierung von Teilungsabweichungen mit deutlich reduziertem Aufwand, allerdings mit gering erhöhten Messunsicherheiten erlaubt. Die praktische Eignung dieser Methode für die Kalibrierung von verkörperten Kreisteilungen wurde am Beispiel eines Spiegelpolygons mit 24 Polygonflächen und eines Zahnrades mit 44 Zähnen nachgewiesen.

Der mathematische Hintergrund des neuen Kalibrierverfahrens beruht auf dem Ansatz von Thomas (1963) und Good (1958) für eine effiziente Berechung der diskreten Fouriertransformation (DFT) einer Funktion über N Funktionswerte. Hierbei lässt sich die Anzahl der erforderlichen Rechenschritte von N² auf R² + S² reduzieren, wenn sich N in die ganzzahligen Primfaktoren R und S zerlegen lässt (N = R x S), die DFT über N Funktionswerte wird also vorteilhaft durch eine 2-dim. DFT über R und S Funktionswerte ersetzt. Übertragen auf die Kalibrierung von Teilkreisen gilt: Das Auslesen von N Teilungsabweichungen in R über 360°/R gleichverteilten Relativlagen in Differenz gegen eine Relativlage unter 360°/S ergibt mit Anwendung der 2-dim. DFT die absoluten Teilungsabweichungen. Wobei R bevorzugt klein gewählt werden sollte (min. R = 2) und S beliebig groß. Zwei Beispiele sollen die Anwendbarkeit des neuen Verfahrens dokumentieren, welches als PFD-Verfahren bezeichnet wird (PFD: Prime Factor Division).

Im ersten Beispiel wurde ein 24-flächiges Spiegelpolygon zum einen mit der Methode der vollständigen Kreuzkalibrierung (cross calibration, CC: 24 x 24 Messungen) und zum anderen mit der neuen PFD-Methode gemessen (PFD: R = 3, S = 8). Die Differenzen beider Methoden sind auf der rechten Achse notiert und weisen eine mittlere Standardabweichung  von 0.013 arcsec auf. Im Vergleich hierzu beträgt die Standardabweichung eines Einzelwertes bei der Kreuzkalibrierung 0.004 arcsec.

Bild 1: Ergebnisse der Kalibrierung eines 24-flächigen Spiegelpoygons mit der Methode der vollständigen Kreuzkalibrierung (CC) sowie mit der neuen PFD-Methode in der 3,8-Konfiguration (24 = 3 x 8). Auf der rechten Achse sind die Differenzen der Ergebnisse beider Methoden dargestellt.

Im zweiten Beispiel wurde ein Zahnrad mit 44 Zähnen und einem Teilkreisdurchmesser von 207 mm ebenfalls mit beiden Methoden gemessen. Die nachfolgende Darstellung zeigt die Ergebnisse in gleicher Auftragung wie für das Spiegelpolygon.

Bild 2: Ergebnisse der Kalibrierung eines Zahnrades mit 44 Zähnen mit der Methode der vollständigen Kreuzkalibrierung (CC) sowie mit der neuen PFD-Methode in der 4,11-Konfiguration (14 = 4 x 11). Auf der rechten Achse sind die Differenzen der Ergebnisse beider Methoden dargestellt.

Die Differenzen beider Methoden am Zahnrad weisen eine mittlere Standardabweichung von 0.2 arcsec auf, bei einer Standardabweichung eines Einzelwertes als Ergebnis der Kreuzkalibrierung von 0.02 arcsec.

Die Ergebnisse der experimentellen Validierung des neuen PFD-Verfahrens - am Beispiel des Spiegelpolygons und des Zahnrades - zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Kreuzkalibrierung. Die Abweichungen der PFD-Ergebnisse liegen normalverteilt um die als Referenz betrachteten Ergebnisse der vollständigen Kreuzkalibrierung, wobei erstere deutlich größere Standardabweichungen aufweisen, im Wesentlichen bedingt durch die verringerte Anzahl von Messungen der PFD-Methode. Die experimentellen Beispiele belegen, dass sich das neue PFD-Verfahren gut für eine breitere Anwendung in der Messung von Teilkreisabweichungen aber auch darüber hinaus, beispielsweise in der Rundheitsmesstechnik eignet.

Die mathematischen Details des neuen PFD-Verfahrens sind in [1] dargelegt. Dieser Artikel wurde im Jahr 2009 von der MST-Redaktion mit dem „Outstanding Paper Award“ in der Kategorie „Precision Measurement“ ausgezeichnet.


[1] R. Probst: Self-calibration of divided circles on the basis of a prime factor algorithm,       Meas. Sci. Technol. 19 (2008) 015101 (11pp)

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