Das EMPIR-Projekt „Standards for the evaluation of the uncertainty of coordinate measurements in industry“ (17NRM03 EUCoM) hatte das Ziel, neue Methoden zur Unsicherheitsbestimmung industrieller Koordinatenmessungen zu entwickeln. Die neu entwickelten Methoden A und B (analog zu Typ A und Typ B Unsicherheiten im GUM – Guide to the expression of Uncertainty in Measurement) sollen neue Möglichkeiten eröffnen, die Messunsicherheit einer taktilen Koordinatenmessung an einem Werkstück abzuschätzen.
Abbildung 1: Messung eines Werkstücks in mehreren Ausrichtungen für Methode A
Methode A („a posteriori“) verfolgt einen empirischen Ansatz: die Messunsicherheit wird aus einer großen Menge von Messdaten abgeschätzt. Das Messobjekt wird dabei in mehreren Ausrichtungen gemessen (Abbildung 1), um beispielsweise die Wiederholbarkeit und die Geometrieabweichungen des Koordinatenmessgeräts (KMG) abzuschätzen. Hinzu kommen Messungen von Längen- und Kugelnormalen zur Bestimmung von Skalen- und Tasterunsicherheiten (Abbildung 2). Vorteilhaft ist, dass für diese Methode zur Messunsicherheitsbestimmung keinerlei Modellierung von Messgerät, Werkstück usw. erforderlich ist, wodurch sie leicht umzusetzen ist. Sie erfordert allerdings einen vergleichsweise hohen Messaufwand.
Abbildung 2: Einzelbeiträge der Unsicherheit gemäß Methode A. Jedes Beispiel zeigt eine unabhängige Messung auf einem anderen Koordinatenmessgerät.
Bei der Methode B („a priori“) handelt es sich um zwei separate Ansätze (B1 und B2). Sie basieren ausschließlich auf Modellen und leiten die Messunsicherheit aus Vorwissen ab, wie z. B. Gerätespezifikationen, Messwerte aus genormten Tests und Expertenwissen. Verwendet werden unter anderem MPE-Werte (Maximum Permissible Error), Nominalpunkte und Vektoren (Methode B1) oder Ergebnisse von Prüfungen der Längenmessabweichung E gemäß ISO 10360-2 (Methode B2).
Die Verfahren werden derzeit im Rahmen des Projekts validiert. Die 14 Projektteilnehmer und -kollaborateure haben hierzu Messungen an mehreren Werkstücken durchgeführt. Mit den Werkstücken wird eine Vielzahl verschiedener Merkmale, inklusive Freiformflächen, abgedeckt. Weiterhin unterscheiden sich die Werkstücke und verwendeten KMGs auch qualitativ. All dies soll sicherstellen, dass die Ergebnisse breit anwendbar sind, insbesondere im industriellen Umfeld. Anhand der Messungen und der zugehörigen Spezifikationen werden die einzelnen Messunsicherheiten abgeschätzt und anschließend untereinander oder mit unabhängigen, etablierten Unsicherheitsschätzungen (z. B. vom virtuellen Koordinatenmessgerät VCMM) verglichen. So soll geprüft werden, ob die geschätzten Unsicherheiten vergleichbar sind – sowohl mit anderen Messungen als auch mit anderen Schätzmethoden – und wie robust sie sind. Bei einer erfolgreichen Validierung sollen die Methoden auch in der Reihe ISO 15530 genormt werden.
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