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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Interferometrische Kalibrierung von Parallelendmaßen

Arbeitsgruppe 5.43


Stellungnahme und Kommentare zur Bestätigung von Toleranzklassen für Parallelendmaße

Die wichtigste Information zu einem Parallelendmaß ist die absolute Länge bei 20 °C und ihre beigeordnete Messunsicherheit. Zur Konformitätsbestätigung der Toleranzklasse eines gemessenen Parallelendmaßes (siehe DIN EN ISO 3650) muss die Messunsicherheit berücksichtigt werden (siehe EN ISO 14253-1). Wenn die Messunsicherheit und die angegebenen Toleranzen (Mittenmaß lc und Abweichungen von Mittenmaß (Abweichungsspanne) die gleiche Größenordnung haben, lässt sich die Toleranzklasse eines Endmaßes in vielen Fällen nicht eindeutig bestimmen (z.B. gemessene Abweichung des Mittenmaßes vom Nennmaß: 30 nm, Messunsicherheit: 50 nm, Toleranz: 50 nm). Eine verlässliche Bestätigung der Toleranzklasse eines Endmaßes nach EN ISO 3650 ist nur dann möglich, wenn die Messunsicherheit deutlich niedriger ist als die Toleranz und wenn zusätzlich alle anderen Anforderungen (Abmaße, Materialeigenschaften, Längenstabilität, Rechtwinkligkeit usw.) erfüllt werden.

Ein weiteres Problem ist der Vergleich von Messergebnissen, die durch unterschiedliche Messmethoden erhalten wurden. Bei interferentiellen Längenmessungen wird die Oberfläche des Endmaßes und die der angeschobenen Planplatte durch die Anschubkräfte beeinflusst, während das Endmaß bei einer mechanischen Unterschiedsmessung im freien Zustand gemessen wird. Daher kann es durch den Einfluss der Oberflächenthopographie zu unterschiedlichen Messergebnissen für das Mittenmaß und für die Abweichungsspanne kommen. Bei der mechanischen Unterschiedsmessung wird die Abweichungsspanne nur in den vier Ecken des Endmaßes gemessen und liefert daher nur Ergebnisse mit einer statistischen Aussage, da die max. Abweichungsspanne nicht zwangsläufig in den 4 Ecken zu finden ist. Diese Methode dient vor allem dazu, die Qualität von Parallelendmaßen zu überprüfen, ist aber nicht geeignet, metrologisch sauber, eine Toleranzklasse mit sehr kleinen Messunsicherheiten zu bestimmen. Aus Kostengründen wird sie aber in den meisten industriellen Kalibrierlaboratorien überall auf der Welt verwendet.

Die metrologische Aufgabe von Parallelendmaßen mit hoher Genauigkeit (Kalibrierklasse K, Toleranzklasse 0) ist es, die Übertragung der Länge in der Mitte der Endmaßmessfläche sicherzustellen.

Die wichtigsten Voraussetzungen für ein Endmaß-Bezugsnormal sind gute Anschub- und Reflexionseigenschaften, gute Parallelität im Mittenbereich und eine hohe Längenstabilität des Endmaßes. Wenn ein Endmaß diese Bedingungen erfüllt, kann es mit der kleinsten Messunsicherheit kalibriert werden, um die Rückführung auf die SI-Einheit Meter sicherzustellen. Die beste Information ist dann das kalibrierte Mittenmaß mit Angabe der zugeordneten Messunsicherheit.

Es ist weder sinnvoll noch wirtschaftlich, die Endmaße nur mit der Information zu nutzen, dass sie eine bestimmte Toleranz, bezüglich des Mittenmaßes, einhalten (Konformität), also zum Beispiel „Kalibrierklasse K“ oder „Toleranzklasse 0“ entsprechen, denn die vollständige Information über die gemessene Länge wird dann nicht genutzt. Aus metrologischer Sicht bringt die formale Einhaltung einer Toleranzklasse keinen Nutzen. Da der Messwert für das Mittenmaß auf dem Kalibrierschein angegeben wird, ist eine geringe Überschreitung der Toleranz aus metrologischer Sicht nicht relevant. Wichtiger als die Konformitätsbestätigung einer Toleranzklasse bezüglich der Abweichungsspanne, ist die einwandfreie Kalibrierfähigkeit des Parallelendmaßes, vor allem in der Mitte der Messfläche. Die Frage „welcher Toleranzklasse entspricht dieses Endmaß?“ ist häufig eine Endlos-Geschichte ohne metrologischen Nutzen.

Aus diesen Gründen gibt die Physikalisch-Technische Bundesanstalt PTB normalerweise keinen Wert für die Abweichungsspanne an. Eine Ausnahme sind spezielle Endmaßkalibrierungen, bei denen die PTB die Länge in den vier Ecken mittels Interferometrie ermittelt und diese Werte auch durch eine mechanische Unterschiedsmessung überprüft.

Wie von der PTB vorgeschlagen, wurde die Einstufung „Toleranzklasse 00“ in der letzten Ausgabe der ISO 3650 gestrichen. Wir sind der Überzeugung, dass die Einstufung „Toleranzklasse 0“ ebenfalls gestrichen werden sollte, um das Problem zu umgehen, das bei einem ungünstigen Verhältnis von Toleranz und Messunsicherheit entsteht.