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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Standardisierte Bildung von Bezügen und Bezugssystemen

01.12.2014


Bei der Bezugsbildung wird dem Werkstück ein Koordinatensystem zugeordnet. Da sich weitere Messergebnisse wie beispielsweise die Position einer Bohrung auf dieses Koordinatensystem beziehen sollen, ist es unbedingt erforderlich, dass ein standardisiertes, reproduzierbares Verfahren für die Bezugsbildung gegeben ist. Dies umfasst sowohl die Messstrategie, mit der die Bezugsfläche am Werkstück erfasst wird, gegebenenfalls die Filterung der Daten und die Ausreißerelimination, sowie die Vorschrift, nach der den Messpunkten ein geometrisches Element wie eine Ebene oder ein Zylinder zugeordnet wird.

Die klassische Bezugsbildung an ebenen Bezugsflächen erfolgt mit Hilfe von Messplatten, an die das Werkstück angelegt wird. Um dieses Verfahren auf einem Koordinatenmessgerät nachzubilden, muss das den Messpunkten zugeordnete Ersatzelement ebenfalls von der materialfreien Seite her an der Oberfläche anliegen. Für ebene Bezugsflächen ist in der DIN-Norm 5459 derzeit die Bezugsbildung über das Minimum-Zone-Verfahren vorgeschrieben. Dabei werden zunächst zwei parallele Ebenen mit minimal möglichem Abstand voneinander bestimmt, die alle Messpunkte einschließen. Bezugsfläche ist dann die auf der materialfreien Seite liegende Ebene. Lage und Ausrichtung des Bezugselementes werden dabei sowohl von Punkten, die die anliegende Ebene berühren, als auch von Punkten, die einen maximalen Abstand zu der Ebene haben, bestimmt.

Da aber bei der klassischen Bezugsbildung allein die Berührpunkte das Bezugselement festlegen, wurde zudem ein alternatives Verfahren betrachtet, das auch diese Eigenschaft widerspiegelt. Dabei dient als Bezugselement das Tangentialelement, das immer in drei Punkten von der materialfreien Seite her an dem Werkstück anliegt. Die Berührpunkte sind dabei so gewählt sind, dass der Flächenschwerpunkt der gemessenen Fläche innerhalb des von den Berührpunkten aufgespannten Dreiecks liegt.

Zur Bestimmung des Bezugselements muss die Oberflächenform des Werkstücks im Prinzip vollständig bekannt sein. Bei den oben genannten Verfahren bestimmen letztlich jedoch nur einige wenige Punkte die Lage und Ausrichtung des Bezugselements. Unter der Voraussetzung, dass aufgrund des Fertigungsverfahrens bestimmte lokale Anomalien wie isolierte Spitzen ausgeschlossen werden können, ist ein iterativer Ansatz zur Bestimmung dieser für die Bezugsbildung relevanten Punkte möglich. Dabei wird in einem ersten Schritt die Oberfläche zunächst nur vergleichsweise grob erfasst und das anliegende Element sowie die Formabweichung in erster Näherung berechnet. Danach werden alle Messpunkte bestimmt, die in für die Bezugsbildung relevanten Bereichen liegen. Im Falle des Tangentialelementes sind dies Punkte, deren Abstand zum anliegenden Element um ein Vielfaches kleiner ist als die ermittelte Formabweichung. Wird das anliegende Element über das Minimum-Zone-Verfahren bestimmt, müssen hier zusätzlich Punkte mit einem maximalen Abstand zur Bezugsfläche berücksichtigt werden. Durch Zusammenfassen benachbarter Punkte können somit Bereiche auf der Werkstückoberfläche bestimmt werden, in denen anschließend Verfeinerungsmessungen durchgeführt werden. Durch Wiederholung dieser Vorgehensweise wird das Bezugselement iterativ ermittelt, wobei die oben beschriebene Bestimmung der jeweils nächsten Messgebiete mit Hilfe interaktiver Softwaremodule erfolgt.


Bild 1: Iterative Erfassung der Bezugsfläche in drei Schritten

Um die Unsicherheit der gebildeten Bezüge oder Bezugssysteme zu bestimmen, wird das virtuelle Koordinatenmessgerät (VCMM) verwendet. Dabei werden typische Abweichungen, wie sie bei der Messung auf einem Koordinatenmessgerät auftreten, simuliert. Zusätzlich zu den eigentlichen Messpunkten erhält man somit weitere, aus der Simulation stammende Punkte, wodurch eine statistische Auswertung zur Bestimmung der Messunsicherheit möglich ist. Auf diese Weise erhält man beispielsweise Unsicherheiten für die Position und Ausrichtung des Bezugselements. Zusätzlich zur Auswertung mit dem VCMM wird eine Abschätzung durchgeführt, wie gut die Oberfläche für eine Bezugsbildung geeignet ist. Hier wird beispielsweise geprüft, ob eine Oberfläche konvex und deshalb als Bezugsebene ungeeignet ist.

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