Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Dynamisches Verfahren zur Bestimmung der Biegesteifigkeit von Rasterkraftmikroskop-Cantilevern mit MEMS

01.12.2014

 
Verschiedene Anwendungen der Rasterkraftmikroskopie in der Nanomechanik erfordern die Kalibrierung der Steifigkeit des verwendeten Cantilevers in Auslenkungsrichtung. Im Rahmen des EMRP-Projektes MechProNO wurde ein Dynamisches Referenzfederverfahren (DRS) basierend auf einem MEMS-Nanokraftwandler zur Kalibrierung der Biegesteifigkeit von AFM-Cantilevern entwickelt. Die Biegesteifigkeit der Cantilever wird bei diesem Verfahren indirekt, durch Messung der Resonanzfrequenzverschiebung des Nanokraftwandlers nach Kontakt mit dem Cantilever, bestimmt. Während der Kalibrierung werden nur kleine Auslenkungen erzeugt, so dass die Kontaktkraft zwischen der Spitze des Cantilevers und dem MEMS so klein bleibt, dass eine Beschädigung der Spitze vermieden wird. Verglichen mit anderen quasi-statischen Kalibrierverfahren ermöglicht diese Methode relativ schnelle Messungen, die unempfindlich gegen Langzeitdriften sind und damit sehr gut geeignet sind für in-situ Kalibrierungen. In einer Machbarkeitsstudie konnte die Eignung der Methode nachgewiesen werden.

Das Schema eines typischen Cantilever-Kalibriersystems mit einem MEMS-Nanokraftwandler ist in Bild 1 dargestellt. Der Hauptschaft des Nanokraftwandlers lässt sich durch die elektrostatische Kraft Fe des MEMS-Wandlers soweit auslenken, dass auch der zu untersuchende Cantilever ausgelenkt wird.

Die Resonanzfrequenz des freistehenden MEMS kann ausgedrückt werden als:

                                                                            (1)

Wenn der Nanokraftwandler in Kontakt mit der Spitze des Cantilevers steht, ändert sich die Resonanzfrequenz wie folgt:

                                           (2)

Hier ist ktotal die Gesamtsteifigkeit des gesamten Systems:

                                                    (3)

  
(a) Schema des dynamischen Cantilever- Kalibrierungssystems  (b) Vereinfachtes mechanisches Modell des Cantilever-Kalibrierungssystems




Bild 1: Dynamisches Cantilever-Kalibrierungssystem basierend auf einem MEMS-Nanokraftwandler

Im Falle des Kontaktes einer Cantileverspitze aus Silicium mit einem MEMS ebenfalls aus Silicium ist unter Zugrundelegung Hertzscher Kontaktmechanik die Kontaktsteifigkeit kcontact wesentlich größer als die Steifigkeit typischer AFM-Cantilever (≤ 50 N/m). Darüber hinaus ist die Masse des beweglichen Teils des MEMS-Wandlers viel größer als die eines AFM-Cantilevers, d.h. mMEMS >> mCantilever. Daher kann Gleichung (2) vereinfacht werden:

                                                   (4)

Daraus ergibt sich die Steifigkeit des Cantilevers zu:

                                            (5)

Mit Hilfe von Gl. (5) kann die Cantilever-Steifigkeit kcantilever durch Messung der Resonanzfrequenzänderung des Nanokraftwandlers nach Kontakt mit dem AFM-Cantilever bestimmt werden.


Bild 2: Typisches Amplitudenspektrum eines freistehenden MEMS-Nanokraftwandlers (blaue Kurve) und eines Wandlers in Kontakt mit einem Cantilever (rote Kurve) bei etwa 200 nN Testkraft

Zum Nachweis der Machbarkeit des vorgestellten Verfahrens wurde ein PPP-FMR Cantilever (NanosensorsTM, 2,8 N/m Federkonstante laut Datenblatt) mit dem neu entwickelten MEMS-Kraftwandler gemessen (s. Bild 2). Die blaue Kurve zeigt das Amplitudenspektrum des freistehenden MEMS-Wandlers (Resonanzfrequenz: 4,73 kHz). Nach dem Kontaktieren des Cantilevers verschiebt sich die Resonanzfrequenz auf 7,67 kHz. Nach Gl. (5) ergibt sich mit der Steifigkeit des MEMS von 2,77 N/m eine Steifigkeit des Cantilevers von 4,5 N/m.

Die Empfindlichkeit dieser Methode kann mit Hilfe von Gl. (6) abgeschätzt werden:

                   (6)

(dabei ist δf die kleinste Resonanzfrequenzänderung, die noch sicher erfasst werden kann)

Der Qualitätsfaktor Q des Kraftwandlers ist in Luft relativ niedrig (10 bis 20), wodurch sich eine geringe Auflösung des DRS-Verfahrens ergibt. Die Verbesserung der Auflösung der DRS-Methode wird hier kurz beschrieben.

Bild 3: Auflösungsverstärkungstechnik der neuen dynamischen Cantilever-Kalibriermethode

Bild 3 zeigt den Amplituden-Frequenzgang des Wandlers im Bereich der Resonanzfrequenz. Die ansteigende Flanke der Kurve ist sehr linear und die Steigung su-f kann bestimmt werden. Die Frequenzverschiebung  δf kann durch die gemessene Amplitudenänderung Δu bei der Frequenz ft0 bestimmt werden:

                                                                                       (7)

Die kleinste Frequenzverschiebung, die mit diesem Verfahren noch gemessen werden kann, ergibt sich aus der kleinsten Amplitudenänderung, die messbar ist. Sie lag im vorliegenden Beispiel bei  Δu = 0,01. Mit der gemessenen Steigung von su-f = 5 / kHz ergibt sich nach Gl. (7) eine Frequenzauflösung von 2 Hz. Damit berechnet sich nach Gl. (6) eine Steifigkeitsauflösung des Verfahrens von δkCantilever = kMEMS/1000, d.h. die erreichte Auflösungsverstärkung des Verfahrens beträgt 1000.

 

 

Kontakt

Anschrift

Physikalisch-Technische Bundesanstalt
Bundesallee 100
38116 Braunschweig