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Fertigungskette von Si-Kugeln und interferometrische Bestimmung des Kugelvolumens

Messung der piezoelektrisch induzierten Längenänderung von funktionellen Materialien bei hohen Temperaturen

24.06.2015

Funktionelle Materialien, wie z. B. Piezokeramiken, finden Anwendung in zahlreichen Einsatzgebieten, u.a. Automobilindustrie, Luftfahrttechnik, Messtechnik, Energieerzeugung oder Prozessüberwachung. Zunehmend wird auch der Einsatz bei hohen Temperaturen angestrebt. Im Rahmen des europäischen Kooperationsprojekts METCO (Metrology of Electrothermal Coupling, projects.npl.co.uk/METCO/) werden geeignete Materialien und die entsprechende Messinfrastruktur entwickelt, um die Kopplung zwischen mechanischen, elektrischen und thermischen Eigenschaften in einem großen Temperaturbereich untersuchen zu können.

In der PTB sollen hierzu Längenänderungen bei hohen Temperaturen (derzeit bis 200 °C) und angelegtem elektrischem Feld (-2 kV/mm bis +2 kV/mm) interferometrisch gemessen werden. Die Funktionalität der in der PTB eigens dafür entwickelten Probenumgebung ist an einer kommerziell erhältlichen Blei-Zirkonat-Titanat-Keramik (PZT) bei verschiedenen Temperaturen getestet worden.

Dabei wurde der piezoelektrische Verzerrungskoeffizient d33 bei 20 °C sowie bei einer Temperatur von 100 °C aus der gemessenen piezoelektrisch induzierten Längenänderung ermittelt. Das Ergebnis bei 20 °C stimmt im Rahmen der Messunsicherheit mit den Herstellerangaben überein. Der bei 100 °C gemessene Wert folgt dem Trend, den man für PZT aufgrund seiner Materialeigenschaften erwarten kann: d33 wird mit zunehmenden Temperaturen größer. Die bisherigen Ergebnisse stimmen mit Messungen überein, die von Kooperationspartnern mit kommerziellen Messsystemen durchgeführt worden sind, und ließen sich auch an weiteren Proben reproduzieren.

Der Vorteil des PTB-Interferometers liegt aber darin, dass es sich um ein abbildendes System handelt, so dass nicht nur punktweise Längenmessungen möglich sind, sondern eine ortsaufgelöste Längenvariation (Längentopographie) der kompletten Probenoberfläche gemessen werden kann. Dies liefert zusätzliche Informationen, z. B. über Inhomogenitäten oder Randeffekte. Diese Ortsauflösung ist bei Materialherstellern und Kooperationspartnern auf großes Interesse gestoßen, was das Potential von abbildenden Interferenzkomparatoren verdeutlicht.

Nach ersten erfolgreichen Tests werden im weiteren Verlauf nun die vom Projektpartner Universität Leeds (UK) neu entwickelten Hochtemperatur-Piezomaterialien untersucht. Diese Keramiken aus der Klasse der Bismuth-Ferrit-Perovskite haben eine Curie-Temperatur im Bereich von 600 °C und können damit bei deutlich höheren Temperaturen eingesetzt werden.

 

 

Bild 1: Höhentopographie der Probe bei 20 °C und 100 °C ohne und mit angelegter Spannung, wobei für die Darstellung ein Längenoffset und eine angepasste Ebene abgezogen wurden.

Bild 2: Piezoelektrisch induzierte Längenänderung bei 20 °C (blau) und 100 °C (rot). Der daraus ermittelte piezoelektrische Verzerrungskoeffizient d33 beträgt (265 +/- 37) pm/V bei 20 °C und (407 +/- 20) pm/V bei 100 °C. Die 100 °C-Messkurve endet bei -3 kV, weil an dieser Stelle die Zerstörschwelle des Materials erreicht worden ist.

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