Thermische Ausdehnung und Kompressibilität von einkristallinem Silizium

Vor fünf Jahren wurde bei Längenmessungen an einkristallinem Silizium dessen thermische Ausdehnung im Temperaturbereich von 7 K bis 293 K bestimmt und das Ergebnis den bereits publizierten Resultaten aus Literaturquellen sowie den Referenzdaten von CODATA gegenübergestellt. Das bisher abgedeckte Temperaturintervall wurde nun um den Bereich bis hinauf zu 320 K erweitert und dabei um die gleichzeitige Bestimmung der Kompressibilität ergänzt [1]. Hierzu wurde die absolute Länge eines Siliziumendmaßes in einer mehrwöchigen Messreihe bei verschiedenen Temperaturen und Luftdrücken untersucht. Der aufgespannte Parameterraum deckt Temperaturen von 285 K bis 320 K und Luftdrücke von Atmosphärendruck bis 10^-5 hPa ab. Als Messverfahren ist die abbildende Interferometrie mit Brechungsindexausgleich unter Berücksichtigung einer druckbedingten Korrektur des verwendeten Refraktometers eingesetzt worden. Aus dem erhaltenen Datensatz wurde der thermische Ausdehnungskoeffizient sowie die Kompressibilität – bzw. der Kompressionsmodul als deren Kehrwert – von einkristallinem Silizium bestimmt. Da die Wahl des der Auswertung zugrundeliegenden Modells nicht eindeutig ist, wurde ein Bayes’scher Modell-Mittelungsansatz angewandt, um mögliche Modellfehler bei der Unsicherheitsbewertung zu berücksichtigen.

Für die thermische Ausdehnung wurden im abgedeckten Temperaturbereich Standardmessunsicherheiten von weniger als 1 × 10^-9 K^-1 erreicht, womit die Unsicherheit der Referenzdaten unterschritten werden konnte. Im Hinblick auf die vorliegenden Ergebnisse sowohl der aktuellen Messungen als auch derjenigen im kryogenen Temperaturbereich kann eine Aktualisierung der bisher empfohlenen CODATA-Referenzdaten in Betracht gezogen werden. Die 2019 aktualisierte Mise en pratique für den Meter beschreibt zudem die sekundäre Darstellung des Meters auf der Nanometerskala auf Basis des Silizium-Gitterabstands. Aufgrund der Abhängigkeit des Gitterabstands von Temperatur und Druck ist die genaue Kenntnis der thermischen Ausdehnung und Kompressibilität hierbei wichtig.

Das Ergebnis der Kompressibilität stimmt mit den Daten überein, die mit verschiedenen in der Literatur beschriebenen Messverfahren erhalten wurden. Darüber hinaus lässt sich unter Berücksichtigung der erreichten Messunsicherheiten keine signifikante Abhängigkeit der thermischen Ausdehnung vom bestehenden Luftdruck im abgedeckten Parameterraum feststellen. Dies begründet beispielhaft die allgemeine Annahme, dass es zulässig ist, die unter Vakuumbedingungen gemessenen Werte für thermische Ausdehnungskorrekturen von Längenmessungen anzuwenden, die bei Atmosphärendruck durchgeführt werden.

[1] Guido Bartl et al 2020 Meas. Sci. Technol.31 065013