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Robuste Messung der Gruppenlaufzeitdispersion

17.10.2010

In der optischen Telekommunikationstechnik und in faserbasierten optischen Systemen, die kurze Lichtimpulse nutzen, ist es oft erforderlich, die chromatische Dispersion der Gruppenlaufzeit (group velocity dispersion GVD) der Übertragungsstrecke zu kompensieren, um beispielsweise ein Auseinanderlaufen der kurzen Impulse zu vermeiden. Hierzu muss die Dispersion gemessen werden, um die Kompensation zu dimensionieren, sowie um das Ergebnis zu überprüfen. Die existierenden Messmethoden bieten jedoch für anspruchsvolle Anwendungen eine nur unzureichende Auflösung oder beschränken die Faserlänge auf wenige Meter. Hier wird über ein Verfahren zur Gruppenlaufzeitmessung in der Frequenzdomäne berichtet, das einerseits für Faserlängen von einigen Metern bis zu einigen km geeignet ist und andererseits eine Auflösung im ps-Bereich ermöglicht. Abb. 1 zeigt den schematischen Messaufbau.

Abbildung 1: Schematischer Aufbau zur Faserlängen- und Dispersionsmessung

Das Licht aus einer Lichtquelle, z.B. einem Erbium-dotierten Femtosekunden-Faserlaser, wird mit der Frequenz f amplitudenmoduliert und dann mit einem Strahlteiler in zwei Arme aufgeteilt. Im einen Arm befindet sich die zu untersuchende optische Übertragungsstrecke, z.B. eine Einmodenfaser. Der andere Arm dient als Referenz. Die Amplitudenmodulation, d.h. die radiofrequente Einhüllende des optischen Trägers erfährt auf Grund der optischen Weglänge unterschiedliche Laufzeiten in den beiden Armen, was eine differentielle Messung der optischen Weglänge ermöglicht. Des Weiteren führt die unterschiedliche Gruppenlaufzeitdispersion in den Armen zu einer von der optischen Trägerwellenlänge abhängigen Laufzeit der RF-Einhüllenden. Wird also ihre Laufzeit wellenlängenabhängig gemessen, so ist auch die Gruppenlaufzeitdispersion bekannt. Die Methode basiert deshalb auf einer Bestimmung des Laufzeitunterschiedes der periodisch modulierten RF-Einhüllenden in den beiden Armen. Hierzu wird zunächst die Summe der optischen Leistungen aus beiden Armen gebildet, z.B. wie in Abb. 1 dargestellt mittels einer Photodiode, deren AC-Photostrom bei der Modulationsfrequenz f proportional zur Summe der einzelnen Leistungen ist. Wird die Modulationsfrequenz f durchgestimmt, ändert sich dieser AC-Photostrom bei einer Gruppenlaufzeitdifferenz τg zwischen den beiden Armen mit cos(2π f τg). Eine Fouriertransformation liefert dann eine ausgeprägte Linie bei der Gruppenlaufzeitdifferenz τg (s. Abb. 2). Die Linienbreite ist durch den inversen Abstimmbereich der Modulationsfrequenz gegeben, also z.B. 1 / (10 GHz). Da sich das Linienmaximum auf eine Hundertstel Linienbreite genau ermitteln lässt, kann die Laufzeit in diesem Fall mit einer Unsicherheit von ca. 1 ps bestimmt werden.
Abb. 2 zeigt das Fourierspektrum für eine Messung an einer ca. 500 m langen SMF28-Faser bei zwei optischen Spektralbereichen mit den Mittenfrequenzen
ν1 und ν2. Die Modulationsfrequenz f wurde hier von 10 MHz bis 1.1 GHz durchgestimmt. Durch die chromatische Dispersion ergibt sich ein Gruppenlaufzeitunterschied Δτg = 350 ps zwischen den beiden Spektralbereichen, der in der vergrößerten linearen Darstellung an den unterschiedlichen Zeitpositionen der Linienmaxima erkennbar ist. Mit ν1  = 187.7 THz und ν2 = 192.2 THz ergibt sich ein GVD-Wert von GVD Δτg/2π /(ν1 ν2) = 12.4 ps2, was in guter Übereinstimmung mit dem Literaturwert ist.

Abbildung 2: Fourierspektrum des gemessenen RF-Spektrums

Zur parallelen wellenlängenabhängigen Messung kann das Licht vor der Detektion mit einem Spektrometer spektral aufgespalten und ein Photodioden-Array zur Detektion verwendet werden. Ein großer Modulationsfrequenz-Abstimmbereich wäre dabei mit dem bisher beschriebenen Verfahren z.B. auf Grund der limitierten Auslesefrequenz nicht möglich. Deshalb wird vor dem Spektrometer ein zweiter Amplitudenmodulator eingefügt, dessen Treiberfrequenz um eine kleine Frequenz Δf zu der des ersten Modulators versetzt ist. Am Ausgang des 2. Modulators entstehen so zusätzlich die Mischprodukte bei 2f+Δf  und Δf , wobei das Letzte besonders vorteilhaft ist, weil dabei die detektierte Frequenz Δf trotz Abstimmvorgang fest bleibt und beliebig gewählt werden kann, etwa entsprechend der Abtast- bzw. Auslesefrequenz des Detektors. Bei einer parallelen wellenlängenabhängigen Messung werden viele spektrale Messpunkte gleichzeitig aufgenommen, was eine genaue Bestimmung der Taylorreihen-Koeffizienten der GVD bis zu hohen Ordnungen ermöglicht. Außerdem wird dadurch die Messzeit verringert und es ergibt sich eine Gleichtaktunterdrückung für Temperatureinflüsse.
Die Methode ist robust gegenüber vielen systematischen Fehlereinflüssen wie z.B. der Abhängigkeit von der Leistung der Lichtquelle oder vom Radiofrequenzgang der Photodioden, die bei einer direkten Messung der Laufzeit wie z.B. beim OTDR- (optical time domain reflectometry) Verfahren ins Messergebnis eingehen können, da mit der beschriebenen Fouriertechnik lediglich die Mittenposition einer Spektrallinie exakt bestimmt werden muss.