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Strahlformung mit Röntgenkapillaroptiken

31.12.2007

Röntgenstrahlung kann durch Glaskapillaren verschiedener Formen fokussiert bzw. kollimiert werden. Da der Brechungsindex für Festkörper kleiner als eins ist, wird der Röntgenstrahl durch Totalreflexion an der Glassinnenwand wie sichtbares Licht in einer Glasfaser weitergeleitet und geformt. Der Totalreflexionswinkel liegt aber z.B. für Molybdän Kα-Strahlung selbst für Bleiglas nur bei 0,13°. Dadurch ist die Geometrie dieser Optiken langgestreckt mit Längen von 10 bis 30 cm und typischen Kapillareninnendurchmessern von 40 bis 200 µm. Bild 1 zeigt schematisch wie ein divergentes Strahlenbündel durch mehrfache Reflexion in einer konisch auslaufenden Kapillare paralleler wird. Anwendungen dieser Optiken sind die Röntgenmikrodiffraktometrie und -mikrofluoreszenzanalyse.


Bild 1: Schematischer Strahlenverlauf in einer konisch auslaufenden Kapillare

Mit Hilfe eines speziell entwickelten Raytracing-Programms werden die Optiken für die jeweilige Anwendung, wie z.B. die Mikrodiffraktometrie (MXRD) mit Molybdän Kα-Strahlung einer Mikrofokus-Röntgenquelle (BMBF-Verbundvorhaben „iForceSens“), optimiert. Das Programm ermöglicht Simulationen zu elliptischen, zylindrischen, parabolischen und konischen Formen und berechnet die zu erwartenden Intensitäten, die räumliche Verteilung der Strahlung am Probenort sowie die Winkelverteilungen der Bragg-Reflexionen im Mikrodiffraktometer.

Für die Herstellung geeigneter Glaskapillaren wurde eine Kapillarziehmaschine entwickelt. Sie besteht im Wesentlichen aus zwei Linearverschiebetischen und einem Ofen.


Bild 2: Ziehmaschine zur Herstellung von Röntgenkapillaroptiken

Die Ofentemperatur bestimmt zusammen mit der Geschwindigkeit des Zutriebs das Fließverhalten des Glases. Eine Computersteuerung regelt die Abtrieb- und die Zutriebsgeschwindigkeit. So kann durch einen kontrollierten Schmelzprozess jedes gewünschte Kapillarprofil hergestellt werden. Das Ausgangsmaterial sind industriell vorgefertigte Zylinderkapillaren mit einer hohen Ebenheitsqualität der Kapillareninnenfläche. Der Ziehprozess selbst verringert die Rauheit der Glasflächen weiter. Ein geeigneter Anbieter für Kapillaren aus Borsilikatglas wurde durch den Vergleich der Raytracing-Berechnungen mit den experimentellen Winkelverteilungenfür im Mikrodiffraktometer ermittelt.

Repräsentativ ist in Bild 3 das Strahlprofil einer konisch auslaufenden Glaskapillare gezeigt.


Bild 3: Strahlprofil einer konischen Kapillare (L=150mm, R1=50µm, R2=100µm), links :Simulation der räumlichen Intensitätsverteilung, rechts: Kamerabild des Direktstrahls

Nach dem Durchgang durch die Optik entspricht die Form des Röntgenstrahls dem berechneten Profil. Die Simulation geht von ideal glatten inneren Oberflächen und exakt linear gefertigten Kapillaren aus. Die gemessene Intensität erreicht zwar zunächst nur ein Drittel der erwarteten, weitere Verbesserungen sind durch eine geringe Nachkrümmung zum Ausgleich der Fertigungsfehler aber zu beobachten.