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Reihenuntersuchung von monokristallinem Saphir für das Röntgen-Fabry-Perot-Interferometer

31.12.2007

In der PTB wird ein kombiniertes abstimmbares Fabry-Perot-Interferometers für sichtbares Laserlicht (Wellenlänge λL = 532 nm) und Mößbauer-Strahlung von 57Fe (Wellenlänge λM = 0,086 nm, Photonenenergie EM = 14,4125 keV) entwickelt. Das Kernstück bilden zwei orientierte, planparallele, zylindrische, Saphir-Einkristalle, deren zentrale Bereiche jeweils zu einer 100 µm dicken Lamelle ausgearbeitet sind. Die Netzebene (1 3  28) erfüllt bei ca. 115 °C die Bragg-Bedingung für 90°-Reflexion der Mößbauer-Strahlung [1,2].

Damit man bei der translatorischen Bewegung eines der Spiegel das typische Resonanzverhalten eines einzelnen Fabry-Perot-Resonators erhält und keine Überlagerung aus mehreren, ist es erforderlich, dass die an der Reflexion der Strahlung beteiligten Kristallbereiche einheitlich sind, d. h. keine Baufehler enthalten. Saphir kann im Gegensatz zu z. B. Silizium nicht versetzungsfrei gezogen werden und zur Verwendung von Saphir gibt es zur Zeit keine Alternative. Nur wenige Hersteller sind in der Lage, versetzungsarme Kristalle zu züchten, und auch hier variiert die Qualität. Es müssen daher versetzungsfreie Bereiche aus dem sonst defekten Kristall verwendet werden. Das Auffinden dieser versetzungsarmen Bereiche muss daher aus Reihenuntersuchungen einer Vielzahl von Kristallen verschiedener Hersteller und jeweils verschiedener Chargen eines Herstellers erfolgen. Benötigt wird hierzu also ein Röntgentopographie-Messplatz für hohen Probendurchsatz und möglichst großflächige Aufnahmen.

Speziell zu diesem Zweck wurde ein sog. Berg-Barrett-Aufbau [5,6] entwickelt, mit dem sich 1 cm2 große Röntgentopographie-Aufnahmen bei einem Durchsatz von 1-2 Proben pro Tag herstellen lassen. In Bild 1 ist die verwendete Strahlgeometrie schematisch dargestellt. Durch asymmetrische Reflexion werden großflächige Aufnahmen erreicht.


Schematische Darstellung der Röntgentopographie nach Berg und Barrett. Es wird charakteristische Molybdän-Kα-Strahlung ohne Vorkristall verwendet. Die Winkel α und Φ müssen für einen geeigneten asymmetrischen Reflex gefunden werden. Defekte wie Versetzungen haben einen größeren Akzeptanzwinkel und erscheinen gegenüber der dynamisch gebeugten Intensität des ungestörten Kristallgitters als dunklere Linien [3] (Schwärzung proportional zur Intensität).

Um einen geeigneten asymmetrischen Reflex zu finden, müssen die Winkel α und Φ durchgefahren werden. Mit einem Detektor, der auf den doppelten Bragg-Winkel eines gesuchten erlaubten Reflexes fest eingestellt wird, misst man die Intensität bei einem Umlauf von Φ. Aufgeteilt in viele Kanäle erhält man so ein Intensitätsspektrum über Φ. Als weiteren Parameter variiert man nun den Winkel α und erhält eine Schar von Spektren oder – anders ausgedrückt – eine Karte der Intensität über α und Φ wie sie Bild 2 zeigt.


Intensität über den Winkeln α und Φ zum Auffinden asymmetrischer Reflexe bei der Röntgentopographie nach Berg und Barrett (vgl. Bild 1) und Ergebnisse einer entsprechenden Simulation (orangefarbene Balken). Die Winkelauflösung von α beträgt bei dieser Aufnahme 0,005° und 9° bei Φ.

Mit Hilfe eines in MATLABTM entwickelten Simulationsprogramms lassen sich die Miller-Indizes der Reflexe benennen. Hieraus wird nun ein Reflex ausgewählt, α und Φ entsprechend fest eingestellt und ein geeigneter Röntgenfilm vor der Probe platziert, belichtet und entwickelt. Defekte wie Versetzungen haben einen größeren Akzeptanzwinkel und erscheinen gegenüber der dynamisch gebeugten Intensität des ungestörten Kristallgitters als dunklere Linien [3]. In Bild 3 sind so aufgenommene Topogramme gezeigt. Beide Proben stammen von demselben Hersteller und werden mit der gleichen Qualität spezifiziert. Offensichtlich gibt es dennoch deutliche Unterschiede. Während Probe a) völlig ungeeignet wäre, stellt sich Probe b) als geeignet heraus, weil Bereiche von einigen mm2 versetzungsfrei sind.


Röntgentopogramme von Saphirkristallen: a) Hohe Versetzungsdichte, schlechte Qualität. b) Sehr niedrige Versetzungsdichte, herausragende Qualität.

Der hier neu aufgebaute Messplatz eignet sich zur Qualitätskontrolle von Einkristallen, die für den Einsatz in Röntgeninterferometern bestimmt sind. Es lassen sich große Probenmengen in überschaubarer Zeit großflächig untersuchen. Mit der an Synchrotronlichtquellen durchgeführten Röntgenweißlicht-Topographie ist die hier erreichte Ortsauflösung vergleichbar, während die abgebildete Fläche bei der Berg-Barret-Topographie bis zu 50 mal größer sein kann [4].


Literatur:

[1] Yu. V. Shvyd’ko, “X-Ray Optics: High energy-resolution Applications”, Berlin, Heidelberg, New York: Springer, (2004).

[2] Yu. V. Shvyd’ko et al., ”X-Ray Interferometry with Microelectronvolt Resolution”, Phys. Rev. Lett. 90, 013904 1-4 (2003).

[3] U. Bonse, “Zum Kontrast an Versetzungen im Röntgenbild“, Z. Physik 177, 543-561 (1964).

[4] W. M. Chen et al. "Quality Assessment of Sapphire Wafers for X-Ray Crystal Optics Using White Beam Synchrotron X-Ray Topography", phys. stat. sol. (a) 186, No. 3, 365-371 (2001).

[5] Barrett, C.S. “A new microscope and its potentialities.” Trans. AIME, 161, (1945), 15–64.

[6] Berg, W.F. “Über eine röntgenographische Methode zur Untersuchung von Gittstörungen in Kristallen.” Naturwiss., 19, (1931), 391– 396.