Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Erweitertes Traceable Multi Sensor - Verfahren zur Topographievermessung optischer Oberflächen

31.12.2007

Das Traceable Multi Sensor (TMS)-System dient zur hochgenauen Topographiemessung optischer Oberflächen. Das Verfahren berechnet aus einer Serie überlappender Einzelmessungen des Prüflings sowie Winkelmessungen die Gesamttopographie, die Höhenabweichungen der Linearführung von einer idealen Führung sowie die systematischen Abweichungen der Referenzfläche von einer idealen Ebene. Dargestellt werden die Ergebnisse von Computersimulationen bezüglich der Stabilität des Verfahrens für ausgewählte Fehlereinflüsse. Weiterhin wurde ein erweiterter TMS - Algorithmus entwickelt, der das Messverfahren unabhängig von der Positionierabweichung der Scaneinheit macht.

1 Das TMS - Verfahren

Bei TMS - Verfahren wird ein flächenmessendes Interferometer scannend über die zu messende Topographie bewegt. Die ungewollte Verkippung durch die Führung wird mit einem Autokollimator gemessen. Die systematischen Abweichungen der einzelnen Interferometerpixel in Messrichtung sind im nachfolgenden Bild (Abb. 1) blau dargestellt.


Skizze des TMS-Verfahrens

Betrachtet man das Pixel Nr. j mit der Position  im Interferometer in der Messposition Nr. i am Ort , so lässt sich dessen Messwert m bei einer Verkippung um aufschreiben als:

Diese Gleichung ist linear bzgl. der Topographie  , der systematischen Sensorabweichungen  und der Höhenoffsets  der Linearführung. Diese Größen erhält man mit dem TMS - Algorithmus als Lösung des zugehörigen linearen Gleichungssystems. Im Gegensatz zu herkömmlichen Stitching - Algorithmen erhält man mit dem TMS - Verfahren auch den quadratischen Anteil der Topographie1, 2.

2 Datenvorverarbeitung

Um den Rechenaufwand zu reduzieren, werden insgesamt 10 Pixel zu einem virtuellen Abstandssensor zusammengefasst. Der Messwert dieses virtuellen Abstandssensors ist der Wert eines an die Messwerte der Pixel angepassten Polynoms an der jeweiligen Sensorposition.


Rms - Fehler für eine sinusförmige Topographie mit einer Ausdehnung von 10 cm und einer Amplitude von 100 nm. Der Abstand ds der virtuellen Abstandssensoren beträgt 10  Pixel 189 µm.

In Abhängigkeit vom Grad des Fitpolynoms werden hohe Ortsfrequenzen unterschiedlich stark gedämpft (Abb. 2).

3 Laterale Positionierabweichung

Grundlage des TMS - Verfahrens ist, dass die Abstandssensoren hintereinander an denselben Topographiepositionen messen. Eine lineare Verschiebeeinheit kann diese Positionen aber nur mit endlicher Genauigkeit anfahren. Der Einfluss dieser Positionierabweichung in Abhängigkeit von der Topographiewellenlänge ist in Abb. 3 wiedergegeben.


Einfluss der Positionierabweichung auf die resultierende Topographie. Für die Vorverarbeitung wurden je 10 Pixel mittels eines Polynomfits 4ten Grades zu einem virtuellen Abstandssensors zusammengefasst.

Für eine Wellenlänge von 1,6 mm ergibt sich ein lokales Minimum für den rms - error der Topographie. Die Wellenlänge für welche dieses Minimum auftritt, ist vom Abstand zwischen erstem und letztem virtuellen Abstandssensor abhängig. Bei Vorwissen über die spektrale Verteilung der Ortsfrequenzen der Rauigkeit des Prüflings, können die virtuellen Abstandssensoren geeignet gewählt werden.

4 Pixelabstand

Wesentlich für das TMS-Verfahren ist eine genaue Kenntnis des Pixelabstandes. Dessen Einfluss, wie auch derjenige der Verzeichnung, wurde mittels einer Asphäre mit einem Peak to Valley (PV) von 50 μm simuliert.


Einfluss eines falsch angenommenen Pixelabstandes auf die resultierende Gesamttopographie für eine Topographie mit einem PV von 50 µm. Links: Pixelabstand zu klein angenommen, rechts: Pixelabstand zu groß angenommen.

Wie in Abb. 4 dargestellt, hängt der resultierende rms - Fehler nicht davon ab, ob der Pixelabstand zu groß oder zu klein angenommen wurde. Eine relative Abweichung im Pixelabstand führt etwa zu einem ebensogroßen relativen rms - Fehler der rekonstruierten Topographie.

5 Verzeichnung

Die Optik des Interferometers führt zu einem vom Abstand zum Symmetriezentrum abhängigen Vergrößerungsfaktor. Die auf den Prüfling projizierten Pixel sind daher nicht äquidistant. Für die Simulationen wurden die Pixelposition als Funktion vom Abstand zur optischen Achse nicht linear, sondern als Polynom 2. Grades modelliert. Die angegebene relative Verzeichnungsabweichung in Abb. 5 entspricht der relativen Abstandsänderung eines Pixels am Rand der Apertur (Ø = 3 mm) bzgl. der optischen Achse.


Einfluss der Interferometerverzeichnung auf die resultierende Gesamttopographie für eine Topographie mit einem PV von 50 µm. Links: tonnenförmige Verzeichnung, rechts: kissenförmige Verzeichnung.

Für die Auswertung wurden die Pixel als äquidistant angenommen, wobei hierfür der gemittelte Pixelabstand verwendet wurde. Im Vergleich zum Pixelabstand, ist der Einfluss der Verzeichnung etwa eine Größenordnung geringer.

Realistische Größenordnungen für die relative Pixelabstandsabweichung (10-4 ) und die Verzeichnung (kleiner 2 . 10-3) ergeben für die simulierte Asphäre mit einem PV von 50 µm einen rms - Fehler von weniger als 10 nm.

6 Erweiterter TMS - Algorithmus

Der bisherige TMS - Algorithmus setzt eine exakte laterale Positionierung des Interferometers voraus. Mit einem zusätzlichen Abstandssinterferometer ist es jedoch mögliche genauere Informationen über die laterale Messposition zu erhalten (Abb. 6). Um diese Information nutzen zu können, muss der TMS - Algorithmus dahingehend erweitert werden, dass auch Messungen an Positionen zwischen den  korrekt berücksichtigt werden.


Erweiterter TMS Aufbau

Dies kann z.B. durch die Nutzung von Interpolationsverfahren ermöglicht werden. Eine Messung an der Position  kann dann wie folgt mit den Topographiewerten in Zusammenhang gebracht werden:


Die Topographiehöhe  wird hier als eine Linearkombination der Topographiehöhen an den Positionen  dargestellt. Die Koeffizienten  werden mittels der Lagrangeinterpolation3 gemäß Gleichung 3 bestimmt.

Der Index o gibt den Grad des Interpolationspolynoms an. Da Gleichung 2 weiterhin linear in den Topographiehöhen  ist, kann weiterhin die Lösung mittels eines linearen Gleichungssystems bestimmt werden. Die Koeffizienten  sind daher die neuen Elemente der Matrix des linearen Gleichungssystems. Für den Fall, dass  identisch mit einer der Positionen  ist, geht Gleichung 2 in die Ausgangsgleichung 1 über.

Für die Simulationen wurde angenommen, dass die laterale Position  mit dem Abstandsinterferometer mit einer Unsicherheit von 100 nm bestimmt werden kann. Für den Interpolationsgrad wurde mit o=41 ein sehr hoher Interpolationsgrad gewählt, um auch hohe Ortsfrequenzen der Topographie korrekt berechnen zu können. In Abb. 7 ist das Ergebnis der Simulation für den erweiterten TMS Algorithmus dargstellt. Der verbleibende Fehler für die kleinen Wellenlängen ist auf die eingangs beschriebene Vorverarbeitung zurückzuführen.

Das laterale Auflösungsvermögen des TMS Verfahrens ist somit nicht mehr durch die Scaneinheit limitiert, sondern lediglich von der Messunsicherheit der Längenmessung, der lateralen Auflösung des flächenmessenden Interferometers sowie der Datenvorverarbeitung abhängig. 


Einfluss der Positionierabweichung auf die resultierende Topographie für den erweiterteten TMS Algorithmus bei einer lateralen Messunsicherheit von 100 nm. Für die Vorverarbeitung wurden je 10 Pixel mittels eines Polynomfits 4. Grades zu einem virtuellen Abstandssensors zusammengefasst.


Literatur:

[1] I. Weingärtner and C. Elster, “System of four distance sensors for high-accuracy measurement of topography,” Precision Engineering 28, pp. 164–170, 2004.

[2] C. Elster, I. Weingärtner, and M. Schulz, “Coupled distance sensor systems for high-accuracy topography measurement: Accounting for scanning stage and systematic sensor errors”, Precision Engineering 30, pp. 32–38, 2006

[3] W. H. Press, B. P. Flannery, S. A. Teukolsky, and W. T. Vetterling, Numerical Recipes in C : The Art of Scientific Computing, Cambridge University Press, October 1992