Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Licht schaltet Licht, und dies möglichst verlustarm - Vektorielle Messung optischer Nichtlinearitäten

03.02.2010

Im sogenannten Jahrhundert des Photons spielen ultraschnelle rein-optische Schalter, all-optical switches (AOS), eine Schlüsselrolle für die Datenübertragung und ‑verarbeitung. Ein wesentlicher Mechanismus ist hier der optische Kerreffekt, also die Abhängigkeit des Brechungsindexes von der Lichtintensität. Diese Indexänderung soll dabei möglichst schon bei niedrigen Intensitäten stattfinden und idealerweise keine nichtlinearen Verluste verursachen.
Für die Weiterentwicklung derartiger photonischer Bauelemente sind deshalb Messverfahren erforderlich, die sowohl den nichtlinearen Brechungsindex n2 als auch den nichtlinearen Absorptionskoeffizienten β messen können. Es existieren zwar Verfahren (z. B. z-scan) für ausgedehnte Proben geeigneter nichtlinearer Materialien (z. B. Chalcogenid-Gläser, Polymere, Silizium, Lithiumniobat) die jedoch nicht für Wellenleitern geeignet sind. Die Messmöglichkeit an einmodigen Wellenleitern ist hingegen entscheidend für optische Chips, da hier ihr konkretes Herstellungsverfahren (z. B. Ätzen, Laserablation oder Eindiffusion von Ionen) die Werte n2 und β des Ausgangsmaterials empfindlich verändern kann.
Im Fachbereich Optische Technologien wurde das im Rahmen des DFG Sonderforschungsbereichs 407 entwickelte Verfahren zur Messung kleinster optischer Nichtlinearitäten [1] modifiziert, um Nichtlinearitäten vektoriell, d. h. gleichzeitig beide Quadraturkomponenten n2 und β, zu bestimmen.
Dabei wird die Strahltaille an der Austrittsfläche des Messobjekts durch ein achromatisches 1:1 Abbildungssystem in eine dünne Quarzglas-Referenzplatte abgebildet. Die in beiden Proben durch ultrakurze Anregungsimpulse (Dauer ≅100 fs bei λ  1560 nm) erzeugte Vierwellen-Mischfelder werden heterodyn-detektiert um die gewünschte Phaseninformation zu erhalten. Dazu werden sie mit dem Feld aus einem Lokal-Oszillator überlagert. Der Beitrag aus der Referenzplatte kann, je nachdem ob sie sich im Fokus der Abbildung befindet oder nicht, ein und aus geschaltet werden, ohne die Strahlgeometrie zu verändern. Dies ermöglicht einen präzisen Vergleich der Nichtlinearität des Messobjekts und der der Referenz. Als Referenzmaterial wurde Quarzglas gewählt, weil sein n2-Wert aus der Literatur wohlbekannt und die nichtlineare Absorption β bei Wellenlängen im Telekommunikations-Bereich vernachlässigbar klein ist.
Wenn nun mittels eines Zweiphasen-Lock-in-Verstärkers beide Quadraturkomponenten des Messsignals simultan gemessen werden, so verändern sich ihre Werte beim Ein- und Ausschalten der Referenz nur entlang der n2-Achse da der Referenzbeitrag zur nichtlinearen Absorption dabei konstant bleibt. Auf Grund dieses vektoriellen Messverfahrens lassen sich die nichtlineare Absorption und Refraktion voneinander separieren und die unbekannten Werte n2 und β des Testobjekts auf den wohlbekannten Wert n2 der Referenz zurückführen.
Eine erste Demonstration des Messverfahrens zeigt Abb. 1. Hier wurden die Nichtlinearitäten von Silizium und Quarzglas miteinander verglichen. Dabei wurde, entgegen der obigen Beschreibung, die Reihenfolge der Messobjekte getauscht: Die Anregungsimpulse durchliefen zuerst die Referenz, ein 13 mm langes Stück einer Einmoden-Quarzglasfaser. Auf diese Weise wurde der Modenfelddurchmesser für beide Messobjekte festgelegt. Der Ausgang der Faser wurde anschließend mit dem Abbildungssystem auf eine 0,38 mm dicke Si-Probe fokussiert. Durch Bewegung dieser Probe in Strahlrichtung wurde ihr nichtlineares Signal ein- und ausgeschaltet und dabei die Ausgangssignale des Zweiphasen-Lock-In-Verstärkers komplex aufgetragen. Bei ausgeschalteter Si-Nichtlinearität ergaben sich die (rot gezeichneten) Signalpunkte der Quarzglasfaser. Sie dienten zur Kalibrierung der Referenzphase, d. h. das gesamte Original-Koordinatensystem wurde zuerst so gedreht, dass diese Punkte auf der n2-Achse eines n2/β-Koordinatensystems lagen und anschließend so verschoben, dass die Quarzglas-Messpunkte den Ursprung des n2/β-Systems bildeten. In diesem System liegen die Messpunkte, die man beim Durchfahren der Fokusebene mit der Si-Probe erhält (grün gezeichnet), nicht auf der n2-Achse sondern zeigen auch eine nichtlineare Absorption. Aus dem Winkel, den eine Gerade durch diese Punkte mit den Koordinatenachsen bildet, lässt sich direkt das Verhältnis zwischen dem nichtlinearen Brechungsindex und der nichtlinearen Absorption bestimmen. Somit können verschiedene Materialien und Wellenleitertypen verglichen und für die Anwendung als verlustarme Licht-Licht-Schalter optimiert werden

 

 

Abb. 1: Vergleich der optischen Nichtlinearitäten von Quarzglas und <100>-Silizium bei λ=1,5 mm. Bei verschwindend kleiner nichtlinearer Absorption von SiO2 (rot) liegen die Messwerte von Si (grün) nicht auf der n2-Achse: ein klarer Hinweis auf nichtlineare Absorption

 

Literatur

[1]     A. Sherman, E. Benkler, H. R. Telle, Small third-order optical-nonlinearity detection free of laser parameters, Opt. Lett. 34, 49 (2009)