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Internationale Zeitvergleiche mit Sub-Nanosekunden Unsicherheit

08.01.2015

Europareise
Stuttgart, Oberpfaffenhofen, Turin, Paris, San Fernando (Cadiz), Ortuccio (L’Aquila, Italien), Braunschweig, Borås (Schweden), Stuttgart: Im Brettspiel „Europareise“, das jedenfalls früher beliebt in Kinderzimmern war, wäre das eine echte Spielsituation mit allen Herausforderungen gewesen. Im Sommer 2014 war das der Transportweg von insgesamt 9650 km einer mobilen Satellitenbodenstation, den Franz Martin Greiner und Arvind Balu von der Firma Time Tech GmbH, Stuttgart, auf sich nahmen. Bild 1 wurde beim Aufbau am schwedischen Institut SP (Borås) aufgenommen. Aufstellung und Betrieb der Station an 7 Zeitinstituten ermöglichte die Kalibrierung von 21 Zeitvergleichsverbindungen über den geostationären Satelliten Telstar 11N (via Two-way satellite time and frequency transfer, TWSTFT) mit Unsicherheiten, die in allen Fällen unter 1.0 ns lagen. Die besuchten Stationen waren die beiden Precise Timing Facilities (PTF) des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo und die fünf Zeitinstitute, die derzeit vertraglich der Firma GMV, Tres Cantos (Madrid), zuarbeiten, die Galileo Systemzeit zu realisieren und ihre Eigenschaften zu bewerten.

Die Vergleiche zwischen den Zeitinstituten waren teilweise Wiederholungen früherer gleichartiger Kampagnen [1], und Übereinstimmung oder Abweichung sind Belege für die Qualität der lokalen Messeinrichtungen und ihre Pflege. Die Ergebnisse vom Sommer 2014 für den Vergleich PTB mit LNE-SYRTE, Observatoire de Paris (OP), und der PTF in Ortuccio wichen von den Ergebnissen vom Oktober 2013 um weniger als 0,5 ns ab, weit innerhalb der kombinierten Messunsicherheit der beiden Kampagnen. Bei anderen Verbindungen wurden größere Abweichungen registriert, allerdings zu teilweise 10 Jahre zurückliegenden Kampagnen und meist innerhalb der 1-Sigma-Unsicherheit früherer Messungen.

Über den Atlantik
Kurz bevor die oben beschriebene Europareise begann wurde die Zeitvergleichsverbindung zwischen der PTB und dem United States Naval Observatory (USNO) zum wiederholten Mal durch Kollegen des USNO kalibriert. Das USNO stellt dazu mit einer transportablen TWSTFT-Station, die auf der Wiese vor dem Kopfermann-Bau aufgebaut wird (siehe Bild 2), eine Verbindung zwischen PTB und dem USNO her, parallel zu den routinemäßigen Verbindungen über TN-11 und über GPS-Zeitvergleiche. Diese Verbindung ermöglicht einen Zeitvergleich zwischen den Zeitskalen UTC(USNO) und UTC(PTB) mit einer Unsicherheit von 0,65 ns, so abgeschätzt im Juni 2014. Die Abweichungen zu den beiden routinemäßigen Vergleichen lagen bei 2,0 ns (TWSTFT) bzw. ‑2,2 ns (GPS). Die entsprechenden Kalibrierkonstanten wurden nachfolgend angepasst. Die Bedeutung dieser Kampagne ist zweifach: Zum einen trägt das USNO mit seinen zahlreichen Atomuhren, darunter vier Rubidium-Fontänenuhren, ganz erheblich zur Realisierung von UTC bei. Zum anderen wird über die PTB als Mittler ein Vergleich zwischen Galileo Systemzeit und GPS Systemzeit durchgeführt, und diese Zeitdifferenz ist eine (zumindest in Zukunft) wichtige Information, um Satellitensignale der beiden Systeme gemeinsam für eine Positionsbestimmung nutzen zu können.

Weltreise
Einer Empfehlung des Beratenden Komitees für Zeit und Frequenz (CCTF) aus dem Jahr 2012 folgend benannten die regionalen Metrologieorganisationen APMP, EURAMET und SIM sogenannte Group-1 Laboratorien, deren GNSS-Zeitvergleichseinrichtungen durch das BIPM kalibriert werden sollen. Global Navigation Satellite System (GNSS) umfasst derzeit GPS und das russische GLONASS. In Europa sind das OP, das spanische Real Instituto y Observatorio de la Armada en San Fernando (ROA) und die PTB benannt. Diese haben den Auftrag, innerhalb ihrer Region die Zeitvergleichsverbindungen zu anderen NMis zu kalibrieren. In einem ersten Schritt hat das BIPM GNSS-Zeitempfänger auf Weltreise geschickt, die u. A. die Institute OP, ROA, OP in Europa und die in Asien (China, Japan, Taiwan) umfasste [2]. Der Betrieb an jedem Aufstellungsort liefert die Kalibrierung der Verbindung jedes Instituts zur PTB, die seit ca. 10 Jahren der „Knoten“ (pivot) aller vom BIPM ausgewählten GNSS-Zeitvergleiche ist. Hier sollen nur zwei Ergebnisse vorgestellt werden. In 2013 und 2014 war das BIPM-Equipment in der PTB aufgebaut, die Ergebnisse unterschieden sich nur um ca. 50 ps – sicher ein Glücksfall, angesichts der abgeschätzten Messunsicherheit von jeweils ca. 1,5 ns. Noch erfreulicher ist die Tatsache, dass die Link-Kalibrierungen ROA-PTB mit zwei komplett unterschiedlichen Verfahren (via TWSTFT, siehe oben, „Europareise“) und durch das BIPM innerhalb von 0,5 ns zum gleichen Ergebnis führten.

Zusammenfassend kann man konstatieren: Das BIPM publiziert die Differenzen zwischen UTC und den nationalen Realisierungen UTC(k), z. B. UTC(PTB), seit Jahren mit einer Auflösung von 0,1 ns. Wir nähern uns der Situation, dass diese Auflösung tatsächlich signifikant wird, also die Unsicherheit der Vergleiche unter den UTC(k)-Zeitskalen in die gleiche Größenordnung kommt.

Bild 1: Aufbau der mobilen Satellitenbodenstation am schwedischen SP, von links: Arvind Balu und Thomas Martin Greiner, TimeTech GmbH, und Kenneth Jaldehag, SP, Quelle: SP

Bild 2: Aufbau der mobilen Satellitenbodenstation des USNO vor der Atomuhrenhalle der PTB im Sommer 2014.


Literatur:

[1]        D. Piester, A. Bauch, L. Breakiron, D. Matsakis, B. Blanzano, O. Koudelka, Time transfer with nanosecond accuracy for the realization of International Atomic Time, Metrologia 45 (2008), S. 185–198.

[2]        BIPM TM228, BIPM guidelines for UTC time link calibration V2.2 draft 2/2014.