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Zündgefahren bei Annäherung elektrostatisch aufgeladener Flüssigkeitsoberflächen an metallische geerdete Einbauten im leitfähigen Behälter

25.11.2019

In Kooperation mit dem Unternehmen Merck KGaA fanden bei der PTB in Braunschweig experimentelle Untersuchungen statt, bei denen die elektrostatischen Auf- und Entladungsvorgänge beim Befüllen und Entleeren von 1 m3 Edelstahl IBC nachgestellt und messtechnisch erfasst wurden. Es wurde ermittelt, ob Zündgefahren beim Annähern einer elektrostatisch aufgeladenen isolierenden Flüssigkeitsoberfläche an leitfähige geerdete Einbauten, wie z. B. Überfüllsicherungen, vorliegen.

Für das Befüllen und Entleeren des 1 m3 Edelstahl IBC wurden 1000 l Testbenzin mit einer elektrischen Leitfähigkeit von 20 pS/m eingesetzt, das laut [1] als isolierende Flüssigkeit einzustufen ist und nach [2], im Vergleich mit anderen einphasigen Flüssigkeiten, die höchsten elektrostatischen Aufladungen aufweist. Es wird zwischen Spritz- und Tauchrohrbefüllung unterschieden. Der Durchfluss beträgt maximal 5,4 m3/h mit einer maximalen Strömungsgeschwindigkeit von 1,32 m/s.

In [1] wird angeben, dass ausgehend von isolierenden Flüssigkeiten keine Büschelentladungen zu erwarten sind, wenn das Potential der Flüssigkeitsoberfläche 25 kV nicht überschreitet. Für Gefahrstoffe der Gruppe IIA gilt ein Grenzwert von 58 kV [1]. Diese Grenzwerte gelten nur für Kugelelektroden mit einem Durchmesser von 10 mm bis 40 mm und nicht für Einbauten [3]. Untersuchungen mit 8 l Testbenzin mit einem Oberflächenpotential von -10 kV, -20 kV und -30 kV in einer 0,012 m3 Metallwanne zeigen, dass mit kleineren Radien der Elektrodengeometrien der Betrag der übertragenen Ladung zunimmt. Bei einem Flüssigkeitsoberflächenpotential von -10 kV treten keine nachweislichen Entladungen zu einer 25 mm Kugelelektrode auf. Dies wird dadurch begründet, dass sich bei Annährung der Kugelelektrode an die aufgeladene Flüssigkeitsoberfläche das Testbenzin auftürmt und eine Flüssigkeitsbrücke ausbildet, die vergleichbar zu einem hochohmigen Kurzschluss eine vom Messystem detektierbare Entladung verhindert.

Ergänzend dazu gilt eine Entladung, ausgehend von einer aufgeladenen festen isolierenden Oberfläche mit einem Potential von bis zu 4 kV, für Stoffe der Gruppe IIC, als nicht zündfähig [2, 4]. Das Innere eines Behälters wird als Zone 0 eingeteilt, sofern der Betreiber nicht durch genaue Produktkenntnisse eine andere Zone festlegt [1]. Für Zone 0 gelten die Grenzwerte der übertragenen Ladung laut [1]:

für Gruppe IIA:        25 nC
für Gruppe IIB:        10 nC
für Gruppe IIC:        Es dürfen keine Entladungen detektierbar sein.

Im geerdeten 1 m3 Edelstahl IBC erreicht das Potential der Flüssigkeit(-oberfläche) beim Befüllen und Entleeren mit maximal 3,4 kV nicht den Grenzwert von 58 kV, 25 kV und 4 kV. Es treten keine nachweislichen Entladungen auf. Geerdete 1 m3 Edelstahl IBC können, optional zusammen mit leitfähigen geerdeten Einbauten, ohne die Entstehung elektrostatischer Zündgefahren, mit den Begrenzungen des Versuchsaufbaus, für das Befüllen und Entleeren mit Flüssigkeiten der Gruppe IIA und IIB eingesetzt werden. Das Potential von 3,4 kV liegt nah am Grenzwert von 4 kV. Unter Beachtung der möglichen Abweichungen durch Betriebs- und Umwelteinflüsse und der Messmethoden, werden Stoffe der Gruppe IIC nicht zugelassen.
Das Befüllen und Entleeren eines isoliert aufgebauten 1 m3 Edelstahl IBC generiert Flüssigkeitsoberflächenpotentiale und Potentiale innerhalb der Flüssigkeit von maximal 12,2 kV. Der Grenzwert von 4 kV wird überschritten. Weiterhin haben Flüssigkeitsoberflächenpotentiale von -10 kV, bei Versuchen in der 0,012 m3 Metallwanne, nachweislich zu Entladungen geführt. Laut [1] müssen leitfähige und ableitfähige Behälter mit einem Volumen von ≤ 1 m3 beim Befüllen und Entleeren mit Flüssigkeiten geerdet sein. Der Einsatz von isoliert aufgebauten Behältern, optional mit leitfähigen geerdeten Einbauten, ist deswegen und aufgrund der Messergebnisse für Stoffe der Gruppe IIA, IIB und IIC nicht zulässig.
Beim Entleeren des 1 m3 Edelstahl IBC fand eine Entladung durch das Leerfördern und dem damit verbundenen Ansaugen von Luft statt. Durch das Ansaugen von Luft nimmt die Anzahl und Größe der Phasengrenzen zu, es kommt verstärkt, durch die steigende Strömungsgeschwindigkeit, zu schnellen Trennvorgängen. Das Leerfördern des 1 m3 Edelstahl IBC mit Pumpen und dem damit verbundenen Ansaugen von Luft muss auf maximal 30 Sekunden begrenzt sein [5], um das Auftreten von elektrostatischen Auf- bzw. potentiell zündfähigen Entladungen zu unterbinden.
Opens external link in new windowhttps://doi.org/10.7795/210.20190521O

Literatur

[1]    TRGS 727 Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen, Ausschuss für   
         Gefahrstoffe - AGS-Geschäftsführung - BAuA, 2016.
[2]    von Pidoll U. (2016): Forschungsbericht FV 37029 Aufladbarkeit von Lösemitteln mittlerer und
         hoher Leitfähigkeit beim Rühren in Behältern, PTB Braunschweig
[3]    Krämer H., Asano K. (1979): Incendivity of sparks from surfaces of electrostatically charged liquids,
        Journal of Electrostatics,6 (1979) p.361 - p.371
[4]    International Electrotechnical Commission, International Technical Specification
        IEC/TS 60079-32-1:2013, Explosive atmospheres, Part 32 Electrostatics, Part 1 Guidance
[5]    Himstedt M. (2018): Explosionsschutz an Membranpumpen, Technische Sicherheit Bd. 8 Nr. 3 -
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