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7 MPa - Absolutdruck-Kolbenmanometer für die Neubestimmung der Boltzmann-Konstante

12.11.2009
Bei der Neubestimmung der Boltzmann-Konstante mit Hilfe der Dielektrizitätskonstanten-Gasthermometrie müssen Absolutdrücke in Helium bis 7 MPa mit einer relativen Standardunsicherheit von 1·10-6 gemessen werden [1]. Dies ist eine Herausforderung für die Druckmetrologie, wie die Resultate des letzten CIPM-Schlüsselvergleichs CCM.P-K1.c (1998-1999) zeigen [2]. In diesem Vergleich betrugen die relativen Differenzen zwischen den Ergebnissen der Teilnehmer bis 23·10-6, die berichteten relativen Standardunsicherheiten variierten zwischen 8·10-6 und 17·10-6. Die in der PTB in den letzten 16 Jahren durchgeführten Untersuchungen an unterschiedlichen unabhängigen 10 cm2- und 5 cm2-, gas- und ölbetriebenen Kolben-Zylinder-Systemen erlaubten eine Bestimmung ihrer wirksamen Querschnittsflächen (A0) aus dimensionellen Messungen mit einer relativen Standardunsicherheit von (2 bis 5)·10-6 und zeigten eine Konsistenz von A0-Werten innerhalb von 3·10-6 sowie ihre Langzeitstabilität innerhalb von 2·10-6 relativ. Im Licht dieser Ergebnisse erschien die angestrebte Unsicherheit von 1·10-6 als ein realistisches Ziel, das mit Hilfe von speziell konzipierten und vor kurzem fertig gestellten Kolbenmanometern und unter Anwendung fortschrittlicher Verfahren zur metrologischen Charakterisierung dieser Kolbenmanometer erreichbar werden soll.

Eine Analyse des Unsicherheitsbudgets für den mit einem Kolbenmanometer gemessenen Druck erlaubte es, die wichtigsten Unsicherheitsquellen zu identifizieren und die Schritte zur Reduzierung der kombinierten Standardunsicherheit auf kleiner als 1·10-6 zu unternehmen:
  • Allein durch die Verwendung von 20 cm2 - statt 10 cm2 - Kolben-Zylinder-Systemen als Primärnormalen konnte die relative Unsicherheit ihrer dimensionellen Charakterisierung mit denselben Messinstrumenten um Faktor √2 reduziert werden. Mit dem neuen in der PTB-Arbeitsgruppe "Geometrische Normale" entwickelten Komparator [3] sind die Durchmesser von Kolben und Zylinderbohrungen mit Standardunsicherheiten von 5 nm bzw. 10 nm bestimmbar, was einem Beitrag zur A0 - Unsicherheit von deutlich kleiner 1·10-6 entspricht. Rundheitsmessungen mit einer Standardunsicherheit von 15 nm, die schon heute Stand der Technik sind, reichen für die angestrebte Genauigkeit aus. Eine Verbesserung von Geradheitsmessungen, die bisher mit den Unsicherheiten zwischen 30 nm and 40 nm eher konservativ abgeschätzt wurde, war erforderlich. Ein neues Auswerteverfahren zur Verknüpfung von Durchmesser-, Geradheits- und Rundheitsdaten wurde kürzlich entwickelt. Damit wurden Widersprüche zwischen diesen Daten an gemeinsamen Punkten minimiert und 3D-Datensätze für die Oberflächen des Kolbens und der Zylinderbohrung erzeugt [4]. Die Standardunsicherheiten der mit diesem Auswerteverfahren generierten 3D-Daten betragen typischerweise ≤8 nm für die Kolben und ≤17 nm für die Zylinder der drei 20 cm2 - Systeme (Bild 1).

    Diagramm Restliche Diskrepanzen
    Bild 1: Restliche Diskrepanzen zwischen den optimal verknüpften Durchmesser- (D), Geradheits- (G) und Rundheitsdaten (R) für den Zylinder des 20 cm2 - Systems 1162 und die Standardunsicherheiten der generierten Radien entlang der Mantel- und Kreislinien.
     
  • Die herkömmliche Dadsonsche Theorie, die normalerweise zur A0-Berechnung aus dimensionellen Daten eingesetzt wird, wurde erweitert, um die molekularen Eigenschaften des im Kolben-Zylinder-Spalt fließenden Gases zu berücksichtigen [5]. Methoden der Dynamik der verdünnten Gase wurden angewendet, um ein adäquates Modell aufzustellen, das zur Charakterisierung der 20 cm2 - Kolben-Zylinder-Systeme eingesetzt wurde.
     
  • Statt des üblichen 2D axialsymmetrischen Modells wurde für die A0-Berechnung ein 3D Modell entwickelt und eingesetzt, mit dem sich der Einfluss der Unkoaxialität des Kolbens und der Zylinderbohrung quantifizieren und der Unsicherheitsbeitrag infolge der Unvollkommenheit der Kolben- und der Zylinderbohrungsgeometrie reduzieren ließ.
     
  • Mit der Verwendung der neuen dimensionellen Techniken, Auswerteverfahren und Theorien konnte die wirksame Querschnittsfläche der drei 20 cm2 - Systeme mit einer relativen Standardabweichung kleiner 8·10-7 bestimmt werden.
     
  • Die neu konzipierten und aufgebauten Kolbenmanometer sind mit einer Gesamtbelastung von 150 kg ausgestattet und erlauben, Drücke mit 20 cm2 - Primär-Kolben-Zylinder-Systemen bis 0,75 MPa darzustellen. Messungen im Bereich (0,75 bis 7,5) MPa werden mit Hilfe von 2 cm2 - Kolben-Zylinder-Systemen durchgeführt, die auf die 20 cm2 - Systeme zurückgeführt werden. Druckvergleiche zwischen den drei 20 cm2 - und drei 2 cm2 - Systemen sollen Konsistenz ihrer wirksamen Querschnittsflächen innerhalb von 1·10-6 demonstrieren.
     
  • Die Kolben-Zylinder-Systeme wurden nach einem speziellen Design konstruiert, das Einbaueffekte in der Messstelle und die A0-Druckabhängigkeit minimieren soll. Die elastischen Konstanten der Werkstoffe der Kolben-Zylinder-Systeme wurden mit Hilfe der Resonanz-Ultraschall-Spektroskopie gemessen, um den Druckverformungskoeffizient der Systeme mit der Finite-Elemente-Methode zu berechnen. Die Konstruktion der Kolbenmanometer wurde mit dem Ziel optimiert, die Wärmequellen zu minimieren und eine gute thermische Homogenität der Druckmesseinrichtungen zu garantieren.
     
  • Die neuen Kolbenmanometer werden im Absolutdruckmodus betrieben, um Unabhängigkeit von Luftdruckschwankungen zu erreichen, aerodynamische Effekte der rotierenden Gewichtsplatten zu beseitigen und schließlich die bestmögliche Stabilität der erzeugten Drücke zu gewährleisten. Zu diesem Zweck sind die neuen Kolbenmanometer mit automatischen Gewichtsauflagevorrichtungen ausgestatte, mit denen Kolben unter Vakuumbedingungen mit unterschiedlichen Massen belastet werden können.
     
  • Ein neues Druckabgleichsverfahren wird für den Vergleich der Kolbenmanometer miteinander im Absolutdruckmodus eingesetzt, das experimentelle Standardabweichungen der Druckmessungen in der Größenordnung von 10-7 ermöglicht. Dieses Verfahren ist auch für den Vergleich von Kolben-Zylinder-Systemen mit einem großen Unterschied in den Querschnittsflächen, wie z.B. 1:10, tauglich. Mit diesem Verfahren soll die Konsistenz der wirksamen Querschnittsflächen für jedes Paar der sechs zu vergleichenden Systeme innerhalb von 1·10-6 nachweisbar sein. Hochpräzisions-Differenzdruckaufnehmer (DPC) werden zur Messung von Druckdifferenzen zwischen den zu vergleichenden Kolbenmanometern verwendet. Unterschiedliche Typen von DPC wurden bezüglich ihrer Eignung für solche Messungen untersucht. Die mit zwei 10 cm2 - Systemen und einem 0,84 cm2 - System im Überdruckmodus durchgeführten Experimente mit den DPC führten zu den relativen Standardabweichungen von kleiner 2·10-7. Solche kleinen Standardabweichungen konnten sogar dann beobachtet werden, wenn sich die Drücke in den zu vergleichenden Normalen bis um 500 Pa unterschieden haben. Dieser Wert entspricht dem kleinsten einstellbaren Druckschritt in den neuen Kolbenmanometern.
     
Druckvergleichsmessungen zwischen den 20 cm2 - und 2 cm2 - Kolben-Zylinder-Systemen haben begonnen, nach deren Abschluss die Kolbenmanometer in der PTB Berlin zur Druckmessung bei der Bestimmung der Boltzmann-Konstante eingesetzt werden sollen.

Literatur

[1]  Fischer J, Fellmuth B, Seidel J, Buck W, Towards a new definition of the kelvin: ways to go, Proceedings of TEMPMEKO 2004, Dubrovnik, 22-25 June 2004
 
[2]  Final report, CCM key Comparison 7 MPa, Phase B (CCM.P-K1.c),
http://kcdb.bipm.org/appendixB/AppBResults/CCM.P-K1.c/CCM.P-K1.c_Final_Report.pdf
 
[3]  Neugebauer M, Lüdicke F, A new comparator for measurement of diameter and form, Proc. of 9th IPES, 178-181
 
[4]  Sabuga W., Priruenrom T., An approach to the evaluation of dimensional measurements on pressure-measuring piston-cylinder assemblies. In: Proceedings of the 3rd Conference on Pressure Measurement IMEKO TC16, Merida, Mexico, 2007,
http://www.imeko.org/publications/tc16-2007/IMEKO-TC16-2007-074u.pdf
 
[5]  Ehrlich C, A review of gas-operated piston gauges, Metrologia, 30 (1993/94) 585-590
 

 

Ansprechpartner:

W. Sabuga, AG 3.33, E-Mail: wladimir.sabuga(at)ptb.de