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Referenz-Gaskalorimeter für die europäische Gaswirtschaft

02.11.2009

Für Abrechnungszwecke in der Gaswirtschaft ist es essentiell, den Brennwert von Erdgasen und damit den Energiegehalt genau zu kennen. In der Regel werden gegenwärtig Brennwerte auf der Basis von Analysen der Gaszusammensetzung mittels Gaschromatographen gemäß der Norm DIN/EN/ISO 6976 berechnet [1].

Die in dieser Norm angegebenen Brennwerte für reine Gase basieren auf Messungen, die in den 30er und 70er Jahren des vergangen Jahrhunderts durchgeführt wurden und für die eine Analyse der Messunsicherheiten entsprechend den heute international akzeptierten Verfahren nicht möglich ist. Die Unsicherheiten der in ISO 6976 angegebenen Brennwerte können nur grob abgeschätzt werden. Für Methan ist ein Wert von 0,11 % festgesetzt (zweifache Standardabweichung).

Vor diesem Hintergrund wurde in der PTB parallel zum Aufbau eines neuen Normal- Gaskalorimeters im Rahmen eines Projektes gemeinsam mit einer Gruppe europäischer Gasversorgungsunternehmen (Groupe Européen de Recherches Gazières, GERG) sowie mit dem französischen nationalen Metrologieinstitut (LNE) ein Referenz-Gaskalorimeter entwickelt. Dieses Referenz-Gaskalorimeter wurde zum Jahresende den GERG-Partnern übergeben und wird in Zukunft an der Ruhruniversität Bochum und Federführung der E.ON Ruhrgas AG betrieben.

Querschnittzeichnung des Isoperibolkalorimeters
Abb.1: Querschnittzeichnung des Isoperibolkalorimeters mit Brenner und Rührer. Das konstante Wärmbad (water jacket) liefert der Thermostat innerhalb der Temperaturkonstantkammer (siehe Abb. 2).

Der prinzipielle Aufbau des Referenz-Kalorimeters ist an die 1931 von F.D. Rossini beschriebene Variante eines Verbrennungskalorimeters angelehnt (Abb. 1). Dabei wird eine durch Wägung bestimmte Portion Gas (ca. 1 g) in einem Isoperibolkalorimeter verbrannt, was zu einem Temperaturanstieg (etwa 3 K) im Kalorimeter führt. Zusätzlich wird durch elektrische Kalibrierung die Wärmekapazität des Systems bestimmt. Aus den Messgrößen Masse des Brenngases, Temperaturanstieg und Wärmekapazität (ca. 18 kJ/K) kann der Brennwert (Energiegehalt pro Masse) von Gasen berechnet werden.

Während eines Verbrennungsexperiments wird nicht die gesamte Gasportion in Wasser und Kohlendioxid umgesetzt. Deshalb wird die unverbrannte Masse an Brenngas (ca. 3 mg) mittels eines Infrarot-Analysators gemessen. Eine weitere Korrekturgröße stellte der Wasserdampf dar, der das Kalorimeter während einer Verbrennung verlässt und mit ca. 370 J zur Gesamtenergie des verbrannten Gases beiträgt.

Im Laufe der Entwicklung des Gaskalorimeters wurden stetig Verbesserungen in den Messbau eingefügt. So gelang es durch eine Temperaturkonstantkammer (siehe Abb. 2), die das Kalorimeter von den Schwankungen der Umgebungstemperatur auf besser als 0,1 °C abschirmt und andere Maßnahmen, die Fluktuationen der Messtemperatur im inneren des Kalorimeters (siehe Abb. 1) auf 25 μK zu begrenzen. Insgesamt ermöglichten diese Verbesserungen die Messung der Wärmekapazität des Kalorimeters mit einer Wiederholbarkeit von etwa 0,001 %. Für den Brennwert beträgt die Wiederholbarkeit etwa 0,01 %, da hier noch weitere Messgrößen einfließen wie etwa Masse der Gasportion, unverbrannte Gasmenge und diverse Energiekorrektionen (z.B. Wasserdampf).

Temperaturkonstantkammer mit Thermostat
Abb.2: Temperaturkonstantkammer mit Thermostat (links) und Wägekammer (rechts). Links daneben stehen Messgeräteschränke für Steuerelektronik und Datenaufzeichnung.

Bei der Entwicklung des Referenzkalorimeters wurde besonders Wert darauf gelegt, verschiedene, wesentliche Versuchsführungen, die in der Literatur für ähnliche Experimente mit Verbrennungskalorimetern beschrieben sind, mit dem Referenzkalorimeter realisieren zu können. Damit wird ein für die Unsicherheitsanalyse hoher Grad an Zuverlässigkeit bei der Berücksichtigung systematischer Messabweichungen erreicht. Dies ist im Hinblick auf eine erwartete internationale Neufestlegung von Brennwerten reiner Gase mit möglichst kleiner Messunsicherheit von großer Bedeutung.

Vergleich der Prozentualen Abweichungen der Mittelwerte
Abb.3: Vergleich der Prozentualen Abweichungen der Mittelwerte des Brennwerts von Methan (nach ISO 6976) und der zweifachen Standardabweichung aktueller Messungen ("This work") mit Daten aus der Literatur.

Für Methan wurde mit dem neu entwickelten Referenz-Gaskalorimeter ein Brennwert von 890,578 kJ/mol gemessen, was in sehr guter Übereinstimmung mit dem in DIN/EN/ISO 6976 festgelegten Wert von 890,63 kJ/mol ist. Allerdings liegt die Streuung der Messwerte mit 0,023 % (zweifache Standardabweichung) klar unter den Werten von 0,149 % bzw. 0,092 % für die Messreihen, auf denen der gegenwärtig in DIN/EN/ISO 6976 angegebene Wert beruht (siehe auch Vergleich mit Literaturwerten in Abb. 3).

Außerdem bestätigen drei unabhängige Analysen der Messunsicherheit (PTB, BAM und LNE), dass das Ziel einer Gesamtmessunsicherheit für den Brennwert von 0,05 % erreicht wird (95 % Vertrauensintervall).
 

 

Literatur

[1]  ISO 6976: Natural Gas - Calculation of Calorific Values, Density, Relative Density and Wobbe Index from Composition. International Standard ISO 6976, second edition 1995-12-01, corrected and reprinted 1996-02-01.
 
[2]  F. D. Rossini: The Heats of Combustion of Methane and Carbon Monoxide, Bur. Stand. J. Res. 6 (1931) 37-49 and F. D. Rossini: The Heats of Formation of Water and the Heats of Combustion of Methane and Carbon Monoxide. A correction, Bur. Stand. J. Res. 7 (1931) 329-330.
 
[3]  D. A. Pittam, G. Pilcher: Measurements of Heats of Combustion by Flame Calorimetry, J. Chem. Soc. Faraday Trans. I 68 (1972) 2224-2229.
 
[4]  F. D. Rossini: Experimental Thermochemistry, Interscience, New York (1956) vol. 1, chap. 4.
 
[5]  A. Dale, C. Lythall, J. Aucott, C. Sayer: High Precision Calorimetry to Determine the Enthalpy of Combustion of Methane, Thermochimica Acta 382 (2002) 47-54.
 
[6]  ALEXANDROV, Yu.I., Estimation of the Uncertainty for an Isothermal Precision Gas Calorimeter, Thermochimica Acta 382 (1-2) (2002) 55-64.

 

 

Ansprechpartner:

J. Rauch, AG 3.31, E-Mail: juergen.rauch(at)ptb.de