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Kontrollierte Kollision zweier Elektronen in einem Halbleiterchip

31.05.2023

Fortschritte in der Quantenelektronik ermöglichen signifikante Verbesserungen für höchstempfindliche Messungen und in der Quanteninformations­verarbeitung. In nanostrukturierten Schaltungen können einzelne ballistische Elektronen kontrolliert auf sich kreuzenden Signalleitungen geführt werden, um so deren Wechselwirkung für die Steuerung der Laufpfade nutzen zu können. Die grundlegende Funktionsweise eines solchen Schaltungselements konnte nun von drei unabhängigen Forscherteams demonstriert werden, deren sich ergänzende Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“ erschienen sind.

Elektrischer Strom ist ein Fluss geladener Elementarteilchen. Die Manipulation beziehungsweise Kontrolle einzelner Ladungsträger, die sich mit hoher Geschwindigkeit durch eine elektronische Schaltung auf einem Halbleiterchip bewegen, stellt eine große technologische Herausforderung dar. Die gezielte Kollision einzelner Elektronen bietet eine Möglichkeit, den Elektronenstrom mit hoher Zeitauflösung abzutasten. Die Funktionsweise einer solchen Elektronenkollisionsschaltung ähnelt dem Versuch, ein sich schnell bewegendes Projektil mit einem weiteren „Schuss“ genau zeitlich zu treffen.

Ein zu diesem Zweck in der PTB entwickelter Halbleiterchip integriert zum einen Elektronenquellen, die einzelne Elektronen kontrolliert auf der Zeitskala von Pikosekunden aussenden können, und zum anderen Detektoren, welche einzelne Elektronen nach einer Kollision erfassen können. Diese Komponenten ermöglichen die Realisierung elektrischer Schaltungen mit einer ausgewählten Anzahl an Elektronen, die sich ballistisch und getrennt von allen übrigen bewegen. Überkreuzen sich die jeweiligen Pfade eines in zwei getrennten Quellen erzeugten Elektronenpaares in einer Kollisionsregion auf dem Chip, ist deren Wechselwirkung ausschlaggebend dafür, welches Elektron welchen der unterschiedlichen Signalausgänge erreicht. Die gleichzeitige Ankunft der Elektronen in der Kollisionsregion, die sogenannte Koinzidenz, und die Erfassung jedes einzelnen Elektrons auf dessen weiterem Weg durch die Schaltung, also die Korrelation der „Clicks“ der Detektoren in den Signalausgängen, verleihen dieser "Koinzidenzkorrelation“-Methode eine hohe Genauigkeit und zeitliche Auflösung. Obwohl die Elektronen sich nur für einen sehr kurzen Moment begegnen, konnten auf diese Weise drei Forscherteams des CNRS Instituts Néel (FR), dem National Physical Laboratory (UK) und der PTB zeigen, dass einzelne ballistische Elektronen kontrolliert zu einer deutlichen Wechselwirkung gebracht werden können. Diese drei Arbeiten wurden nun begleitet von einem „News&Views“-Artikel (https://www.nature.com/articles/s41565-023-01389-0) in der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“ veröffentlicht.

Mögliche Anwendungen dieser auf einzelnen ballistischen Elektronen basierenden Technologie sind ultraschnelle elektronische Sensoren oder Schalter, sowie die Erzeugung von quantenmechanisch verschränkten elektronischen Zuständen als Träger von Quanteninformationen für Quantencomputer.

 

 

Bild: Simulation der elektronischen Kollisionsschaltung: Ein einzelnes Elektron beeinflusst kontrolliert die Bewegung eines zweiten Elektrons auf einer entgegenlaufenden Bahn.

 

 

Veröffentlichung:

Ubbelohde, N., Freise, L., Pavlovska, E. et al. Two electrons interacting at a mesoscopic beam splitter. Nat. Nanotechnol. (2023). https://doi.org/10.1038/s41565-023-01370-x

 

Ansprechperson:

Niels Ubbelohde

Fachbereich 2.5 „Halbleiter und Magnetismus“

niels.ubbelohde@ptb.de