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Untersuchungen der Effektivität von pulverbetriebenen Viehbetäubungsapparaten im Hinblick auf den Tier- und Arbeitsschutz

04.11.2013

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ist in Deutschland als Benannte Stelle für die Serienprüfung von pulverbetriebenen Viehbetäubungsapparaten (VBA) nach Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ausschließlich im Sinne des Arbeitsschutzes zuständig. Jährlich werden bis zu zehn vorgelegte Baumuster für den europäischen Markt neu oder wiederholt geprüft. Aufgrund medial thematisierter, hoher Fehlbetäubungsraten solcher VBA zur Rinderschlachtung - laut Literaturangaben zwischen 4% und 9% - sahen es das Max-Rubner-Institut für Fleischforschung (MRI) in Kulmbach und die Herstellerfirma  Schermer in Ettlingen als notwendig an, jetzt auch eine Untersuchung zur Effektivität verschiedener Apparatetypen im Sinne des Tierschutzes durchzuführen. Seit dem 1. Januar 2013 wird mit der neuen Verordnung 1099/2009 versucht, den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Schlachtung zu verbessern. Die PTB unterstützt diese Bemühungen im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes.

Die PTB übernahm hierbei die Bestimmung der kinetischen Bolzenaufschlagsenergie (Bild 1) bestimmter Viehbetäuber von Schermer, in Kombination mit drei Kartuschenladungsstärken, während die physikalische bzw. tierschutzrelevante Effektivität vom MRI überprüft wurde. Die kinetische Energieabgabe der überprüften Bolzenschussapparate der Typen KR, KL und KS wird allgemein durch die Länge und das Gewicht des Bolzens, sowie die verwendete Treibladungstärke beeinflusst. Die Ergebnisse zeigten nun, dass beim Viehbetäuber KS das vorhandene Bolzenrückholsystem, das zur Entlastung des Bedieners beim Entfernen des Gerätebolzen aus dem Tierschädel dient, die Aufschlagsenergie im Gegensatz zu den ungepufferten Typen nennenswert vermindern kann. Bolzenrückholsysteme helfen nicht nur beim Befreien der Geräte, sondern dämpfen zusätzlich die Wucht des Rückschlags der Apparate nach Auslösung zur Minderung möglicher körperlicher Langzeitschäden beim Schlachtenden.

Bild 1: Versuchsaufbau Viehschussapparat mit präpariertem Bolzenkopf zur Erfassung der Aufschlagsgeschwindigkeit mittels IR-Lichtschranke.

Diese Pufferungen, die im Sinne des Arbeitsschutzes für das Schlachtpersonal durchaus sinnvoll sind, tragen dazu bei, dass Rinder am häufigsten unzureichend tief betäubt werden (Fehlbetäubungsrate ca. 6%). Ergebnisse hierzu wurden vom MRI im Rahmen des Projektes an zwei Schlachthöfen durch Beobachtungen zur Betäubungseffektivität dieser Geräte bei Bullen, Kühen und Färsen erhoben.

Es wurde durch das Projekt deutlich, wie wichtig die genaue Festlegung der geforderten Schlüsselparameter (Ansatzstelle, Schlagrichtung und -geschwindigkeit, sowie Austrittslänge und Durchmesser des Bolzens je nach Tiergröße und –art) für die Bolzenschussbetäubung, im Hinblick auf den Tierschutz, aber auch den Arbeitsschutz, ist.

Bild 2: Aufschlagsenergie des Betäubers KS im Vergleich zu KR und KL.

Durch die Messung der Auftreffenergie des Schlachtbolzens konnte auf dessen Energieabgabe an den Tierschädel geschlossen werden, da seine Masse bekannt war. Bild 2 zeigt, die Unterschiede in der Effektivität je nach Schlachtapparat und Kartuschenstärke. Das Gerät KS gibt bei stärkster Ladung maximal 360 Joule ab. Das Gerät KL hat mit maximaler Energieabgabe von mehr als 380 Joule zwar die beste Energieabgabe, jedoch ist der Streubereich bei der mittleren Kartuschenstärke verhältnismäßig hoch. Hier sind Effektivität und Wirkungsgrad der Geräte sowie der Kartuschen noch weiter zu prüfen.

Nach der neuen Verordnung VO (EG) Nr. 1099/2009 (In Kraft seit 01. Jan. 2013) zum Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung, sind Hersteller der Geräte nach Artikel 8 aufgefordert, genaue Mindestaufschlagsenergie je nach Kartuschenstärke für jede Tierart vorzugeben.

Fazit der Untersuchungen ist, dass die gleichzeitige Einhaltung von Arbeitschutzanforderungen für das Schlachtpersonal und Tierschutzanforderungen eine Gratwanderung ist und nur gelingen kann, wenn die Mindestaufschlagsenergien in Abhängigkeit aller wesentlichen Einflussparameter, insbesondere auch der Tierart, optimal definiert und in der Praxis eingehalten werden. Die o.g. neue Verordnung ist insofern auf jeden Fall ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Ansprechpartner:

Holger C. Schönekeß, FB 1.3, AG 1.33, E-Mail: holger.schoenekess@ptb.de