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Geschwindigkeits- und Abstandsmessung von Kraftfahrzeugen an schwierigen Fahrbahnabschnitten

16.09.2012

Bislang konnte eine videobasierte Geschwindigkeits-und Abstandsmessung von Kraftfahrzeugen nur an Fahrbahnabschnitten mit nahezu kurvenfreiem und flachem Verlauf durchgeführt werden. Jedoch sind es gerade Autobahnabschnitte mit engkurvigen, hügeligen und Querneigungs-Verläufen, an denen es zu verstärktem Unfallgeschehen kommt. Durch die Erweiterung der Bauartzulassung für das Verkehrs-Kontroll-System (VKS) der Fa. VIDIT können jetzt auch Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen an diesen häufig unfallträchtigen Streckenabschnitten durchgeführt werden.

Bild 1 zeigt eine entsprechende Messstelle gelegen am Autobahnkreuz Köln-Ost, welches täglich von 240 000 Fahrzeugen befahren wird. Das PC-gestützte Verkehrs-Kontroll-System VKS 3.0 der Fa. VIDIT basiert auf der Einzelbildauswertung einer Videoaufzeichnung der Verkehrssituation. Zur Geschwindigkeitsermittlung wird jeweils die Strecke gemessen, die das betreffende Fahrzeug zwischen zwei abgebildeten Verkehrssituationen zurückgelegt hat. Grundlage dieser Streckenmessung bildet die Erfassung der beiden im Videobild abgebildeten Fahrzeugpositionen durch manuelles Anvisieren mit einer Messlinie. Der zugehörige zeitliche Abstand der beiden Verkehrssituationen ergibt sich aus der Bildwiederholfrequenz der bei der Eichung kontrollierten Kamera und der vom Verkehrs-Kontroll-System automatisch ermittelten Zahl der Videovollbilder.

Bild 1: Großes Bild: 3D-Messstelle an einem der am meisten befahrenen Straßenabschnitte Deutschlands mit 240000 Fahrzeugen täglich, kleines Bild: Blick in das Innere eines mit einem Verkehrs-Kontroll-System ausgestatten Messbusses.

Die bisher zugelassenen Ausführungsformen des Verkehrs-Kontroll-Systems VKS 3.0 können nur an Messstellen, deren Oberfläche als ideale Ebene hinreichend beschreibbar ist, eingesetzt werden (2D-Messstellen). Die ideale Ebene wird dabei von vier auf der Fahrbahnoberfläche befindlichen und im Videobild klar erkennbaren Markierungen (so genannten Passpunkten) aufgespannt. Die aktuell neu zugelassene Ausführungsform ermöglicht auch Messungen an 3D-Messstellen, deren Fahrbahnoberflächengestalt erheblich von der einer idealen Ebene abweichen darf. So ist es möglich Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen an Messstellen mit

  • Kuppen- und/oder Wannenausrundungen,
  • Kurven mit Radien kleiner als 500 m,
  • oder wechselnder Querneigung (Links-Rechts-Gefälle)

durchzuführen. Die Konturdaten der Fahrbahnoberflächengestalt (Oberflächenraster) werden dabei in einer speziellen Messstellendatei erfasst und im Auswerte-PC hinterlegt.

Bei der Auswertung von Messungen an 3D-Messstellen wird zunächst die Position der Messlinie im Videobild, analog zur bisherigen Verfahrensweise, in die Position auf der idealen Passpunktebene umgerechnet. Zusätzlich zu diesem als perspektivische Transformation bezeichneten mathematischen Verfahren wird eine sogenannte 3D-Transformation unter Verwendung der individuellen Messstellendatei durchgeführt.

Zur Prüfung der korrekten Funktion der Wegstreckenmessung des neuen Verkehrs-Kontroll-Systems, wurde u.a. an einer 3D-Messstelle eine Referenzstrecke aus exakt ausgerichteten Verkehrsleitkegeln gebildet und mit dem zu prüfenden System ausgewertet. Ergänzend erfolgten Vergleichsmessungen mit einem GPS/INS-Gerät (integriert in ein Versuchsfahrzeug) als Referenz. Zur Messdurchführung war es erforderlich, eine zeitliche Synchronisation der beiden Systeme vorzunehmen. Zu diesem Zweck wurde an der Messstelle ein Störprofil auf die Fahrbahn gelegt (siehe Bild 2). Zunächst wurde die VKS-Zeit zum Zeitpunkt der Störprofilüberfahrt anhand der Videoaufzeichnung bestimmt. Bei der Störprofilüberfahrt lieferten die Beschleunigungssensoren des GPS/INS-Gerätes ein charakteristisches Signal für die Vertikalbeschleunigung, an Hand dessen die Systemzeit des GPS/INS-Gerätes bestimmt wurde (siehe Bild 2). Die beiden Systemzeiten konnten jetzt mit einander synchronisiert werden. Anhand ausgewählter Zeitdifferenzen wurden die von der VKS-Anlage ermittelten Wegstreckendaten mit den Angaben des GPS/INS-Gerätes verglichen. Der Wegstreckenvergleich ergab sehr gute Übereinstimmungen. Diese Vergleichsmessungen bestätigten eindrucksvoll die korrekte Funktion der Abstands- und Geschwindigkeitsmessfunktion der neuen Ausführungsform des Verkehrs-Kontroll-Systems an 3D-Messtellen.

Bild 2: Großes Bild: Überfahrt Störprofil, 1-Passpunktmarkierung, 2-Störprofil; kleines Bild: Verlauf der Vertikalbeschleunigung, der rote Pfeil markiert den bei der Störprofilüberfahrt der Fahrzeughinterräder erzeugten Signalpegel.

Ansprechpartner:

Johannes Kupper, FB 1.3, AG 1.32, E-Mail: johannes.kupper@ptb.de