Logo der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Erfolgreiche Erprobung von Platin-Iridium-Sorptionskörpern für Präzisionsmassebestimmungen unter Vakuumbedingungen

27.07.2010

Mit Hilfe von Sorptionskörpern, die aus einer Platin-Iridium-Legierung hergestellt wurden, konnte der Einfluss von Sorptionseffekten auf die Genauigkeit von Massebestimmungen unter Vakuumbedingungen deutlich verringert werden.

Massebestimmungen unter Vakuumbedingungen (= 0,1 Pa) sind für die Massemetrologie von besonderem Interesse, da im Vakuum der Einfluss des Luftauftriebs und Störungen durch Konvektionseffekte vernachlässigt werden können. Dieser Vorteil ist vor allem dann von Bedeutung, wenn es um die Massebestimmung von Objekten geht, die einen großen Dichteunterschied zur Referenzmasse aufweisen, wie dies z. B. bei einem Massevergleich zwischen Kilogrammprototypen aus Platin-Iridium (Dichte 21,5 g/cm³) und Normalen aus Stahl (Dichte 8,0 g/cm³) oder Silizium (Dichte 2,3 g/cm³) der Fall ist.

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Massenormale beim Wechsel zwischen Luft und Vakuum Masseänderungen unterliegen, die in Form von Sorptionskorrektionen berücksichtigt werden müssen. Für deren gravimetrische Bestimmung werden spezielle Massenormale – so genannte Sorptionskörper – eingesetzt. Diese Körper sind so konstruiert, dass sie die gleiche Masse, das gleiche Volumen, die gleichen Oberflächeneigenschaften, aber eine möglichst große Oberflächendifferenz aufweisen. Meist hat der eine Körper die Form eines Zylinders, während der andere Körper aus mehreren Scheiben zusammengesetzt ist (Bild 1). Aus der Kenntnis der Differenz der Oberflächen und der beim Wechsel zwischen Luft und Vakuum gemessenen Änderung der Massedifferenz zwischen den beiden Körpern kann die Masseänderung der Sorptionsschicht pro Flächeneinheit, d. h. der Sorptionskoeffizient in ng/cm², experimentell bestimmt werden.

Platin-Iridium-Sorptionskörper während ihrer Erprobung in einem Vakuum-Massekomparator. links: Zylinder, rechts: Scheibenkörper, aufgebaut aus 8 Scheiben und 21 Distanzstiften

Bild 1: Platin-Iridium-Sorptionskörper während ihrer Erprobung in einem Vakuum-Massekomparator. links: Zylinder, rechts: Scheibenkörper, aufgebaut aus 8 Scheiben und 21 Distanzstiften

Für höchste Anforderungen werden Sorptionskörper aus einer Platin-Iridium-Legierung
(PtIr 10), dem gleichen Material aus dem auch die Kilogrammprototypen bestehen, eingesetzt [1, 2]. Auf Grund der gleichen Dichte ist der Einfluss der Auftriebskorrektion auf die Messunsicherheit bei der Massebestimmung des Platin-Iridium-Zylinders mit Hilfe eines Kilogrammprototyps in Luft vernachlässigbar. Dieser Zylinder, dessen Masse in Luft mit der Genauigkeit eines Prototyps bestimmt werden kann, dient für Massebestimmungen unter Vakuumbedingungen als Referenzmasse. Er stellt somit ein Transfernormal zwischen Luft und Vakuum dar und unterliegt bei dem Transfer zwischen Luft und Vakuum Masseänderungen, die aus dem Massevergleich zu dem Platin-Iridium-Scheibenkörper während der Messungen ermittelt und berücksichtigt werden können. Der jeweilige Sorptionskoeffizient ist abhängig von den Umgebungsbedingungen (Luftdruck, Luftfeuchte) und den Oberflächeneigenschaften (Material, Rauheit, Reinigungszustand).

Das Rohmaterial für die Platin-Iridium-Sorptionskörper der PTB wurde vom Bureau International des Poids et Mesures (BIPM) entsprechend den Anforderungen an Kilogrammprototypen geprüft und an die PTB geliefert. Die Bearbeitung der Oberflächen und der Masseabgleich erfolgten im Fachbereich 5.5 „Wissenschaftlicher Gerätebau” der PTB. Im letzten Fertigungsschritt konnte eine mittlere Rauheit von 2 nm < Ra < 4 nm erreicht werden, die der Oberflächenqualität der Kilogrammprototypen des BIPM entspricht [3]. Die Masse des Platin-Iridium-Zylinders wurde bis auf etwa 1 mg auf die Masse eines Kilogrammprototyps abgeglichen. Die Oberflächendifferenz zwischen dem Scheibenkörper und dem Zylinder beträgt rund 180 cm². Bild 1 zeigt die fertig gestellten Sorptionskörper während ihrer Erprobung in einem Vakuum-Massekomparator. Wiederholte Messungen in Luft und Vakuum ergaben, dass sich die Massedifferenz zwischen dem Scheibenkörper und dem Zylinder bei einem Luft-Vakuum-Transfer im Mittel um rund 7 µg ändert (vgl. Bild 2). Dies entspricht einem Sorptionskoeffizienten von 38 ng/cm² bzw. einem Massenäquivalent von 1,2 monomolekularen Wasserschichten. Auf Grund der relativ kleinen Oberfläche des Platin-Iridium-Zylinders (72 cm²) bedeutet dies für dessen Masse eine Sorptionskorrektion von nur -2,7 µg, d. h. der Zylinder besitzt im Vakuum eine um 2,7 µg geringere Masse als in Luft. Die Standardmessunsicherheit der Sorptionskorrektion liegt hierbei im Bereich von nur 1 µg – eine Verringerung um mehr als 80 % gegenüber bisherigen Werten.

Gemessene Massedifferenzen zwischen dem Scheibenkörper und dem Zylinder in Luft und Vakuum

Bild 2: Gemessene Massedifferenzen zwischen dem Scheibenkörper und dem Zylinder in Luft und Vakuum

Mit dem erfolgreichen Abschluss der Fertigstellung und Erprobung können die Platin-Iridium-Sorptionskörper nun als Transfernormale für Präzisionsmassebestimmungen unter Vakuumbedingungen eingesetzt werden. Erste Messungen sind z. B. im Zusammenhang mit der Massebestimmung von Siliziumkugeln im Rahmen eines internationalen Projektes zur Neubestimmung der Avogadro-Konstanten und vorbereitenden Untersuchungen zur praktischen Realisierung und Weitergabe der Masseneinheit nach einer möglichen Neudefinition des Kilogramm auf der Grundlage einer Naturkonstanten geplant.

[1] Picard, A.; Fang, H.: Methods to determine water vapour sorption on mass standards. Metrologia 41 (2004) 333–339

[2] Davidson, S.; Brown, S.; Berry, J.: A report on the potential reduction in uncertainty from traceable comparisons of platinum-iridium and stainless steel kilogram mass standards in vacuum. NPL Report CMAM 88 (2004), Teddington: National Physical Laboratory, 1–24

[3] Haidar, Y.; Tollens, E.; Silvestri, Z; de Fornel1, F.; Zerrouki, C.; Picard, A.; Pinot, P.: Study and comparison of two polishing methods for platinum–iridium surfaces, by means of three characterization techniques. Metrologia 42 (2005) 115–128

Ansprechpartner:

Michael Borys, FB 1.1, AG 1.11, E-Mail: michael.borys@ptb.de