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Gasdruckmessungen an Patronen mit oder ohne Silikonfett

10.11.2010

Die Auswirkung von verschiedenen Schutzmechanismen für Druckaufnehmermembranen von piezoelektrischen Sensoren auf den Spitzendruck bei der Gasdruckmessung an Kurzwaffenmunition wurde untersucht.

Bei Typenprüfungen und amtlich vorgeschriebenen Fabrikationskontrollen von Munition muss der sich im Innern der Patrone beim Schuss entwickelnde maximale Gasdruck gemessen werden. Die Patrone wird dabei in einem Messlauf gezündet, der zur Druckmessung heutzutage im Patronenlager mit einem piezoelektrischen Druckaufnehmer ausgestattet ist. Um den Druck auf den Aufnehmer wirken zu lassen, wird die Patrone angebohrt und weiter präpariert. Dabei müssen die Prüflabore entsprechend den Beschlüssen der "Ständigen Internationalen Kommission zur Prüfung von Handfeuerwaffen" (C.I.P.) immer das genaueste und praktischste Verfahren wählen. Ausgehend von dieser Forderung wird zunächst die Bohrung mit einer kreisförmigen Kaptonfolie abgedeckt, zusätzlich muss der Freiraum zwischen der angebohrten Patronenhülse und der Membran des piezoelektrischen Druckaufnehmers bei den Messungen bisher vollständig mit Silikonfett gefüllt werden. Insbesondere die Munitionshersteller und einige Anwender von piezoelektrischen Druckaufnehmern bezeichnen diesen Punkt der Messvorschrift als unpraktikabel und als nicht mehr zeitgemäße Anwendung. Die PTB hat nun im Auftrag der C.I.P. die Eignung verschiedener alternativer Präparierungsverfahren analysiert und sich dabei auf das besonders kritische Kurzwaffenkaliber 9 mm Luger konzentriert.

Das Silikonfett soll die Sensormembran gegen mechanische Beschädigungen und thermische Belastungen schützen. Die Fettfüllung dämpft zusätzlich ein mögliches Aufkommen von Resonanzen (Pfeifenschwingungen) und verhindert eine Vergrößerung des Brennraumvolumens um den oben genannten Freiraum. Neue Druckaufnehmer sowie Zubehör zum Schutz der Sensormembran (siehe Bild 2) sollen laut Herstellern von Munition und Drucksensoren den Fetteinsatz überflüssig machen und somit praxistauglicher sein. Der Zeitaufwand für die Prüfungen würde durch die entfallende Demontage des Aufnehmers zur Kontrolle der Messbohrung und einer etwaigen Fettnachfüllung sowie die anschließende Montage erheblich verringert. Fraglich ist jedoch, ob auf diese Weise die Vergleichbarkeit der Messungen mit alternativem Sensorschutz zum Referenzverfahren gegeben ist.

Vor Beginn der Gasdruckmessungen mit den präparierten Patronen wurde zunächst mit einer Serie von 10 Schüssen mit dem Messlauf die Geschossgeschwindigkeit im Normalzustand ermittelt, d.h. ohne die ansonsten zur Gasdruckentnahme erforderliche Anbohrung der Hülse. Diese Messungen lieferten einen Mittelwert von 383 m/s. Die abgeschossenen Messinghülsen zeigten allerdings dabei in ihrer Bodenrandzone starke Pulververschmauchungen, was auf eine nicht unerhebliche Pulvergasströmung über den Hülsenmund in Richtung Verschluss deutet. Daher wurde zur Verminderung des Spaltes zwischen Hülse und Patronenlagerwand der Umfang der Patronenhülse vollständig mit einem Kaptonstreifen umklebt (siehe dazu Bild 1, links). Mit diesen Kaptonstreifen ergab sich eine höhere Geschossgeschwindigkeit bei einem Mittelwert von 389 m/s und wird daher als Referenz angesehen. Die Präparation für die Druckmessung sollte sich möglichst wenig auf das Abbrandverhalten bzw. die Beschleunigung des Geschosses auswirken. Das entscheidende Maß hierfür ist die Abweichung der Geschwindigkeit. Bei den folgenden Gasdruckmessungen wurde in gleicher Weise als Abdichtungsmaßnahme der oben erläuterte Kaptonstreifen verwendet (siehe Bild 1, rechts).

Links: Patronenhülse 9 mm Luger, nicht angebohrt ohne Verschmauchung, mit Ausbeulung im Bereich Druckaufnehmerbohrung, Rechts: Hülse angebohrt, mit nicht verschmauchtem Bodenrand

Bild 1: Links: Patronenhülse 9 mm Luger, nicht angebohrt ohne Verschmauchung, mit Ausbeulung im Bereich Druckaufnehmerbohrung, Rechts: Hülse angebohrt, mit nicht verschmauchtem Bodenrand

Bei den Verfahren mit Druckmessung, d.h. mit angebohrter Hülse, wurden neben dem vorgeschriebenen Verfahren "Messung des Gasdrucks der Zentralfeuerpatronen für Waffen mit gezogenem Lauf [XX-9]" drei alternative Präparations- bzw. Schutzverfahren mit ungefülltem Freiraum untersucht: "Teflonscheibe als Membranschutz", "Membranschutz" und "Thermoschutzschild mit Thermoschutzplatte", siehe Bild 2. Zusätzlich wurde untersucht, wie es sich auswirkt, wenn nur die Membran gefettet wird.

Aufnehmer mit Silikonfett vor der Membran, Membranschutz (Kistler 6567) und Thermoschutzschild mit Thermoschutzplatte (Kistler 6565A mit 1181A)

Bild 2: Aufnehmer mit Silikonfett vor der Membran, Membranschutz (Kistler 6567) und Thermoschutzschild mit Thermoschutzplatte (Kistler 6565A mit 1181A)

Es wurde mit den Verfahren ohne Fetteinsatz begonnen, um den Einfluss der Fettung auf die Ergebnisse bezüglich Geschossgeschwindigkeit und Gasdruck von vornherein auszuschließen. Anschließend wurden dann die Verfahren mit Fettung durchgeführt. Es wurden jeweils 10 Schüsse ausgewertet. Die Silikonfettfüllung der Messbohrung in der Patronenlagerwand des Messlaufes wurde nach jedem Schuss mit einem Endoskop kontrolliert. Obwohl ein Fettverlust während der Messserie nicht ersichtlich war, wurde nach dem 5. Schuss die Messbohrung des Laufes von der Verschlussseite aus im Patronenlager mit Silikonfett mit einem geeigneten Spachtel aufgefüllt ohne den Druckaufnehmer zu entfernen.

Die Ergebnisse der Gasdruck- und Geschossgeschwindigkeitsmessungen für die verschiedenen Kombinationen werden im Diagramm im Bild 3 illustriert.

Abweichungen der mittleren Geschossgeschwindigkeiten und des Gasdrucks, bezogen auf die Messserie mit nicht angebohrten Hülsen und Maßnahmen zur Gasschlupfminderung bei alternativen Präparations- bzw. Schutzverfahren

Bild 3: Abweichungen der mittleren Geschossgeschwindigkeiten und des Gasdrucks, bezogen auf die Messserie mit nicht angebohrten Hülsen und Maßnahmen zur Gasschlupfminderung bei alternativen Präparations- bzw. Schutzverfahren

Erkennbar ist, dass das von der C.I.P. vorgeschriebene Verfahren bezüglich der Geschwindigkeit deutlich weniger von der mittleren Referenzgeschwindigkeit (ohne Bohrung) abweicht. Die Druck- und Geschwindigkeitsmesswerte untereinander sind im Kontext eines relativen Verfahrensvergleichs zu sehen, ohne Betrachtung des auftretenden systematischen Fehlers. Bei den alternativen Verfahren betragen die maximalen Abweichungen der Geschwindigkeit im Mittel bis zu 21,4 m/s (entspricht 5,5%) bezogen auf die Messung ohne Anbohrung und die des Gasdrucks bis 153 bar (entspricht 6,4%) bezogen auf den mit Fett gefüllten Freiraum. Die vorliegenden Messergebnisse zeigen deutlich, dass das in den Beschlüssen beschriebene Verfahren den Vorgaben der C.I.P. am nächsten kommt.

Für die Gasdruckmessungen müssen die Aufnehmer zuvor kalibriert werden. Diese Kalibrierungen erfolgen bisher stets ohne Vorsatzhülsen. Entsprechende Kalibrierungen der PTB mit der Kugelfallapparatur ergeben, bei Verwendung eines Thermoschutzschildes mit Thermoschutzplatte eine Abnahme der Empfindlichkeit von 1,5%.

Gemäß den Vorschriften der C.I.P. - Beschlüsse sind Kalibrierungen von mechanisch-elektrischen Druckaufnehmern entweder quasistatisch mit einer Druckwaage oder dynamisch im Referenzverfahren an einer Fallkugelapparatur durchzuführen. Die bei vorherigen Gasdruckmessungen verwendeten unterschiedlichen Freiraum-Anordnungen dienten auch als Messbedingungsanordnung für die Messserien mit der Kugelfallapparatur der PTB.

Es zeigte sich eine relative Veränderung der Empfindlichkeit mit den unterschiedlichen Messanordnungen in der Druckübertragungsbohrung des Prüflings, bezogen auf das aktuelle C.I.P. - Verfahren zur Ermittlung der Empfindlichkeit gegenüber dem Referenzaufnehmer.

Die Abweichungen zum aktuellen Standardverfahren der C.I.P. für die Geschwindigkeits- und Gasdruckmessung wurden im "Arbeitskreis Beschussämter und PTB" bereits in 2010 diskutiert.

Ansprechpartner:

Ernst Franke, FB 1.3, AG 1.33, E-Mail: dynamische_druckmessung@ptb.de