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Neues Beurteilungssytem für die Schalldämmung in Gebäuden

09.11.2010

Die Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts eingeleitete Harmonisierung europäischer Normen betraf auch den Schallschutz in Gebäuden. Ziel der Harmonisierung war es, übergreifend für ganz Europa Bauprodukte und Gebäude nach denselben Maßstäben zu vermessen und zu beurteilen, um länderübergreifenden Handel und Aktivitäten zu erleichtern.

Da aber die entsprechenden Normungsgremien mit Fachleuten besetzt sind, die keine politische Entscheidungsbefugnis haben, war das Resultat der Harmonisierung, dass praktisch alle bestehenden Mess- und Beurteilungsgrößen in einer Norm vereinigt wurden. Bei der jetzt anstehenden überarbeitung der zentralen Bewertungsnorm ISO 717 "Rating of sound insulation in buildings and of building elements" wurde daher die wesentliche Straffung der zur Verfügung stehenden Bewertungsgrößen für den baulichen Schallschutz in Angriff genommen, wobei auch historisch gewachsene Inkonsequenzen bereinigt werden sollten. Der hier vorgestellte Entwurf für die neue ISO 717 wurde von den beiden Vorsitzenden der einschlägigen Normen-Arbeitsgruppen überarbeitet, Frau Prof. Judith Lang aus Wien und Prof. Dr. W. Scholl von der PTB Braunschweig.

Für die Feststellung der Schalldämmfähigkeit eines Bauteils durch einen einzigen, abschließenden Zahlenwert (den sog. "Einzahlwert") können ganz unterschiedliche Verfahren herangezogen werden. Man kann z.B. das Bauteil mit einem bestimmten Geräusch beschallen, z.B. einem typischen Straßenverkehrsgeräusch, und den durchgelassenen Schall daraufhin untersuchen, wie laut er ist, ob er hörbar ist oder wie sehr er stört. Wäre das Geräusch menschliche Sprache, käme noch eine Beurteilung der Verständlichkeit in Frage. Aus solchen durchgelassenen Schallereignissen kann man entsprechende Kennwerte bilden, u. A. den sog. "A-Schallpegel", bei dem die verschiedenen Frequenzanteile des Geräusch analog der Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs bewertet und dann energetisch zusammengefasst werden. Ein ganz andere Art der Bewertung liegt den sog. "bewerteten Schalldämm-Maßen" zugrunde. Hier wird das Verhältnis von auftreffender zu durchgelassener Schallleistung als Frequenzspektrum dargestellt und mit einer Art Idealkurve ("Bezugskurve") verglichen, die so gegenüber der Kurve des zu beurteilenden Bauteils verschoben wird, dass die Idealkurve im Mittel um höchstens 2 dB unterschritten wird. Der Wert der Idealkurve bei 500 Hz ist dann der Einzahlwert für das Bauteil.

Umfangreiche jüngere Untersuchungen von Park, Bradley und Gover sowie von Mortensen haben ergeben, dass zwischen den subjektiven Bewertungen und den Einzahlwerten, die auf A-bewerteten Schallpegeldifferenzen beruhen, die höchste Korrelation besteht. Daher enthält der Vorschlag für die neue ISO 717 nur noch drei solche Luftschalldämm-Maße:
- Rtraffic als Schalldämm-Maß gegenüber Straßenverkehrslärm,
- Rliving als Schalldämm-Maß gegenüber den "Lebensgeräuschen" des Nachbarn, und
- Rspeech als Maß für die Vertraulichkeit durchgelassener menschlicher Sprache.

Die oben genannten Untersuchungen empfehlen auch, den betrachteten Frequenzbereich der beiden erstgenannten Maße bereits bei 50 Hz beginnen zu lassen.

Beim sog. "Trittschall" soll ebenfalls vom Bezugskurven-Vergleich auf die gehörrichtige "A-Bewertung" ab 50 Hz übergegangen werden, vor allem hinsichtlich Gehgeräuschen in den Gebäuden. Neu ist der übergang von den bisher üblichen Trittschall-Pegeln als Kennwerte zu neu definierten Trittschall-Dämm-Maßen. Hierdurch werden Luftschall und Trittschall völlig analog behandelbar und die Möglichkeit, Schalldämmung bezüglich verschiedener Anregespektren zu untersuchen, besteht dann auch für den Trittschall.

Das vorgeschlagene System wird zur Zeit auf ISO-Ebene als Norm-Entwurf behandelt und dann den Mitgliedsländern zur Abstimmung vorgelegt.

Ansprechpartner:

Werner Scholl, FB 1.7, Email: Werner.Scholl@ptb.de