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Ultraschallsignale durch Entfaltung korrigieren und gleichzeitig Messunsicherheiten ermitteln

05.10.2020

Ein interaktives Softwarepaket wurde entwickelt, mit dem in Form eines Tutorials die Nutzung der Methode der Entfaltung zur nachträglichen Korrektur von gemessenen Ultraschallsignalen an exemplarischen Messdaten gezeigt wird und das auch zur Auswertung eigener Messdaten genutzt werden kann [1]. Das Verfahren der Signalentfaltung soll damit einem breiteren Anwenderkreis zugänglich gemacht werden als Grundlage für eine Standardisierung und die Aufnahme in den relevanten Normen.

Die von medizinischen Ultraschallgeräten abgegebenen Ultraschallsignale müssen vor Markteinführung eines Gerätes charakterisiert werden. Eine messtechnische Herausforderung dabei besteht in den oftmals großen Bandbreiten der zu messenden Schalldruckwellenformen. Die zur Messung verwendeten Hydrophone sollten daher eine hohe Bandbreite mit einer möglichst frequenzunabhängigen Empfindlichkeit besitzen, damit die Signale verzerrungsfrei registriert werden können. Reale Hydrophone weisen jedoch in der Regel einen deutlichen Frequenzgang auf, der zu einer ungleichmäßigen Bewertung der gemessenen spektralen Anteile führt. Der Frequenzgang des Hydrophons wird durch individuelle Kalibrierung bestimmt und liegt dem Anwender als Datensatz vor. Inzwischen ist es möglich, den Amplituden- und Phasengang von Hydrophonen in einem Frequenzbereich bis zu 100 MHz zu kalibrieren [2]. Unter Verwendung solcher Kalibrierdaten lässt sich eine Signalentfaltung durchführen, um die bei der Messung entstandenen Verzerrungen zu kompensieren und auf diese Weise das ursprüngliche Ultraschalldrucksignal zu rekonstruieren.

 

Bild 1: Schematischer Ablauf einer Signalentfaltung am Beispiel einer Ultraschallmessung. Ausgangspunkt sind die gemessene Übertragungsfunktion des Hydrophons, welche in Form von Kalibrierdaten vorliegt, sowie das mit dem Hydrophon gemessene Ultraschallsignal, welches als Spannungssignal vorliegt. Über die verschiedenen Schritte wird nun die Entfaltung durchgeführt, so dass am Ende die Ultraschalldruckwellenform rekonstruiert wird. Es wird eine Regularisierung mittels eines Tiefpasses durchgeführt. Der dadurch entstehende zusätzliche Unsicherheitsbeitrag wird mit einem in der PTB entwickelten Abschätzungsverfahren [3] berechnet. In jedem Schritt des gesamten Prozesses werden sowohl die Signaldaten als auch die Unsicherheiten betrachtet [4], so dass das Endergebnis mit beigeordneter Unsicherheit angegeben werden kann.

Um dieses Verfahren der Entfaltung praktisch durchführen zu können, wurde ein interaktives Pythonprogramm in Form eines Jupyter Notebooks entwickelt [1]. Die Grundlage dafür legt das Pythonpaket PyDynamic [5], welches von Mitarbeitern der PTB erstellt und gepflegt wird. Der Fokus des Tutorials wurde auf Fragestellungen gelegt, die insbesondere im Bereich der Ultraschallmesstechnik auftreten. So sind exemplarische Kalibrierdaten von verschiedenen Hydrophonen und reale Messdaten typischer Schallabgabemessungen mit diesen Hydrophonen dem Programm beigelegt. Im Notebook wurden zahlreiche Erläuterungen eingefügt, sodass der Anwender im Sinne eines Tutorials den Ablauf nachvollziehen und das Wissen auf eigenen Anwendungen übertragen kann (siehe Bild 2). Die hinterlegten Datensätze können zusätzlich auch zur Validierung eigener Entfaltungsroutinen des Anwenders eingesetzt werden. Ein Transfer auf Signalentfaltungsfragestellungen außerhalb der Ultraschallexposimetrie ist ebenfalls möglich. Die Software kann kostenfrei Opens external link in new windowonline direkt mit dem Browser ausprobiert werden. Sie kann ebenfalls kostenfrei Opens external link in new windowheruntergeladen und auf dem eigenen Rechner verwendet werden. Letzteres ist besonders empfehlenswert, wenn eigene Messdaten ausgewertet oder individuelle Änderungen an der Software umgesetzt werden sollen.

 

Bild 2: Screenshot aus dem Tutorial und Skript. Der Ausschnitt zeigt als Ergebnisgraphik einen entfalteten Ultraschallwellenzug inkl. Messunsicherheiten sowie die Ergebnisse der ermittelten Kenngrößen.

 

Literatur:

[1] Martin Weber, Volker Wilkens, Sascha Eichstädt, Tutorial for the deconvolution of hydrophone measurement data, Opens external link in new windowDOI: 10.5281/zenodo.4012242

[2] Martin Weber, Volker Wilkens, Using a heterodyne vibrometer in combination with pulse excitation for primary calibration of ultrasonic hydrophones in amplitude and phase, 2017, Metrologia 54: 432, Opens external link in new windowDOI: 10.1088/1681-7575/aa72ba

[3] Sascha Eichstädt, Volker Wilkens, Evaluation of uncertainty for regularized deconvolution: A case study in hydrophone measurements, 2017, The Journal of the Acoustical Society of America 141:6, 4155-4167, Opens external link in new windowDOI: 10.1121/1.4983827

[4] Sascha Eichstädt, Volker Wilkens, GUM2DFT – A software tool for uncertainty evaluation of transient signals in the frequency domain, 2016, Meas. Sci. Technol. 27:5, 055001-1-055001-12, Opens external link in new windowDOI: 10.1088/0957-0233/27/5/055001

[5] Björn Ludwig et al., PyDynamic: v1.4.4, Opens external link in new windowDOI: 10.5281/zenodo.1489877

 

Ansprechpartner:

Volker Wilkens, FB 1.6, AG 1.62, E-Mail: Opens window for sending emailvolker.wilkens(at)ptb.de