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Bauartzulassung eines videobasierten Systems zur Bestimmung von Geschwindigkeitsdifferenzen von Kraftfahrzeugen

14.10.2009

Über eine Verkehrssituation mit einem langsam überholenden LKW hat sich wohl jeder schon einmal geärgert (siehe Bild 1). Derartige Überholmanöver können zu einer erheblichen Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen und werden im Falle von LKW-Beteiligung als Elefantenrennen bezeichnet. Durch die Erweiterung der Bauartzulassung für das Verkehrs-Kontroll-System der Fa. VIDIT kann die Differenzgeschwindigkeit zweier einander überholender Fahrzeuge ermittelt werden, so dass jetzt auch die Möglichkeit zur Ahndung verkehrsgefährdender Überholmanöver besteht.

Entsprechend der Straßenverkehrsordnung gilt: „Überholen darf nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt”. Im Falle des Verstoßes droht eine Geldbuße von 80 € und ein Punkt in Flensburg, wobei der Bußgeldkatalog darauf verzichtet, eine Mindestdifferenzgeschwindigkeit festzulegen. Es existieren stattdessen OLG-Urteile, nach denen beispielsweise das Überholen eines mit 70 km/h fahrenden Lastzugs durch ein Fahrzeug, das nur 10 km/h schneller fährt, als unzulässig angesehen wird.

Elefantenrennen auf einer deutschen Autobahn

Bild 1: Elefantenrennen auf einer deutschen Autobahn

Das PC-gestützte Verkehrs-Kontroll-System der Fa. VIDIT basiert auf der Auswertung einer Videoaufzeichnung der Verkehrssituation. Es ermittelt die Differenzgeschwindigkeit der beiden Fahrzeuge in dem Zeitraum zwischen zwei ausgewählten Einzelbildern, aus denen die beiden Einzelgeschwindigkeitswerte der betreffenden Fahrzeuge ermittelt werden. Zur Geschwindigkeitsermittlung wird jeweils die Strecke gemessen, die das betreffende Fahrzeug zwischen den beiden abgebildeten Verkehrssituationen zurückgelegt hat. Diese Streckenmessung erfolgt durch eine perspektivische Transformation anhand der in den Videobildern digitalisierten und manuell am Bildschirm anvisierten Fahrzeugpositionen. Der zugehörige zeitliche Abstand der beiden Verkehrssituationen ergibt sich aus der Bildwiederholfrequenz der bei der Eichung kontrollierten Kamera und der vom Verkehrs-Kontroll-System automatisch ermittelten Zahl der Videovollbilder.

Bild 2 zeigt die Orts-Bestimmung des überholenden Fahrzeugs (roter LKW). Die Messlinie kennzeichnet die betreffende Streckenposition (Toleranzbereich 121,9 m bis 123,0 m). Die automatisch aus dem Videobild ausgelesene Zeitinformation beträgt 12h 57min 07s 21F (Bild-Nummer 21). Die Streckenposition des überholten Fahrzeugs wird aus dem gleichen Videobild in entsprechender Weise ermittelt.

Digitalisiertes Videobild der Verkehrssituation zum Zeitpunkt 1 mit der Bearbeitungsmaske (die nachträglich eingefügten farbigen Rahmen dienen der Kennzeichnung der betreffenden LKW)

Bild 2: Digitalisiertes Videobild der Verkehrssituation zum Zeitpunkt 1 mit der Bearbeitungsmaske (die nachträglich eingefügten farbigen Rahmen dienen der Kennzeichnung der betreffenden LKW)

Digitalisiertes Videobild der Verkehrssituation zum Zeitpunkt 2 (die nachträglich eingefügten farbigen Rahmen dienen der Kennzeichnung der betreffenden LKW)

Bild 3: Digitalisiertes Videobild der Verkehrssituation zum Zeitpunkt 2 (die nachträglich eingefügten farbigen Rahmen dienen der Kennzeichnung der betreffenden LKW)

Bild 3 zeigt die zweite Verkehrssituation (Zeitinformation 12h 57min 11s 14F, d.h. 3,72 s später), bei der dann die Positionsbestimmungen der betreffenden beiden Fahrzeuge erneut vorgenommen werden.
Die Bauartprüfung und -zulassung der PTB muss neben der korrekten Funktion der Kamera bzw. Bildfrequenz sicherstellen, dass der Algorithmus zur Bestimmung der Differenzgeschwindigkeit konsequent zugunsten des Fahrers des überholenden Fahrzeugs realisiert ist. Deshalb wird der Geschwindigkeitswert des überholenden Fahrzeugs systematisch vergrößert, der Wert des überholten jedoch entsprechend systematisch verringert. Aus den beiden Einzelgeschwindigkeitswerten der betreffenden Fahrzeuge (91 km/h und 86 km/h) ergibt sich der Messwert der Differenzgeschwindigkeit (5 km/h). Die Verkehrsfehlergrenze für die Differenzgeschwindigkeit beträgt +3 km/h und wird zusätzlich zugunsten des Fahrers des überholenden Fahrzeugs berücksichtigt (weitere Abzüge sind nicht erforderlich). In unserem Beispiel ergibt sich somit für den Fahrer des überholenden Fahrzeugs als vorzuwerfende Differenzgeschwindigkeit ein Wert von 8 km/h, eine größere Differenzgeschwindigkeit kann ausgeschlossen werden.

Die Möglichkeit zur Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften bei Überholvorgängen trägt unmittelbar aktiv zur Erhöhung der Verkehrsicherheit und zur Verbesserung des Verkehrsflusses bei.

Ansprechpartner:

Frank Märtens, FB 1.3, AG 1.31, E-Mail: frank.maertens@ptb.de