Was ist drin im menschlichen Gehirn?
Neue Technik erlaubt anatomisch selektive Messung von Metaboliten in vivo
Moderne Magnetresonanz-(Kernspin)-Tomografen erlauben eine unschädliche, weil strahlungsfreie Bildgebung. Zudem kann man mit ihnen die Konzentrationen von Stoffwechselprodukten (Metaboliten) im menschlichen Organismus nichtinvasiv messen. So hilft die quantitative Magnetresonanzspektroskopie beispielsweise bei der Suche danach, wie und warum neurologische und psychiatrische Erkrankungen entstehen, und kann in Zukunft bei deren Diagnostik und Therapiekontrolle sehr nützlich sein.
Die Forschung rund um diese Technik beschäftigt sich intensiv damit, diejenigen anatomischen Zielregionen, in denen ein neurochemisches Profil gemessen werden soll, noch genauer ansteuern zu können. Bislang kann bei der Gehirn-MRS das Messsignal ausschließlich aus einem quaderförmigen Zielvolumen (Voxel) in der interessierenden Hirnregion gewonnen werden. Diese Begrenzung ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Magnetfeldgradienten, die die Voxelgeometrie festlegen, mit den Hochfrequenzpulsen, die das zu detektierende Spinsystem anregen. Allerdings sind Quader an die Windungen der Großhirnrinde oder andere üblicherweise unregelmäßig geformte anatomische Strukturen nur schlecht anzupassen. Wird das MRS-Voxel klein genug gewählt, um strukturspezifisch zu sein, resultiert daraus jedoch ein geringeres Signal- Rausch-Verhältnis (SNR), was die Präzision der Messung beeinträchtigt. Wird das Voxel vergrößert, so wird viel Gehirnsubstanz mit erfasst, was wiederum die Messung verfälscht.
In der PTB wurde deshalb eine neue MRS-Sequenz (SHAVE − SHAped Voxel Excitation) entwickelt, die es erlaubt, anatomisch angepasste Volumina anzuregen. Der Kern des Verfahrens ist die mehrkanalige Sendetechnik für die hochfrequente Anregung des Volumens. Dazu dient ein 8-Kanal-Sendearray in Kombination mit einer 8-Kanal-Hochfrequenzspule. Deren einzelne Kanäle senden Hochfrequenzpulse, bei denen Amplitude und Phase unabhängig voneinander manipuliert werden können. Durch Kombination solcher Pulse kann im Prinzip jede beliebige Zielvolumenform angeregt werden. Mit der neuen Messtechnik konnten MR-Spektren aus Voxeln ohne unerwünschten Anteil von grauer Gehirnsubstanz gewonnen werden.
Ein zusätzlicher Vorteil ergab sich durch die Implementierung eines Zwei-Schuss-Verfahrens in der Lokalisierung der dritten Raumrichtung. Dadurch kann das MR-Signal mit einer sehr kurzen Echozeit ausgelesen werden. Das führt dazu, dass die zu bestimmenden Metabolitresonanzen nahezu keine Zeit zum Abklingen haben und damit hohe Signale liefern. Auf diese Weise können auch Metaboliten mit sehr niedrigem SNR aufgrund kurzer transversaler Relaxationszeit detektiert werden.
Um die neue Methodik klinisch anwendbar zu machen, wird der Arbeitsablauf optimiert und an funktionell hochdifferenzierte, z. B. kortikale und subkortikale Gehirnstrukturen angepasst, die schwierig anzusteuern sind.
Ansprechpartner
Florian Schubert
Fachbereich 8.1
Medizinische Messtechnik
Telefon: (030) 3481-7477
florian.schubert(at)ptb.de
Wissenschaftliche Veröffentlichung
P. Waxmann, R. Mekle, F. Schubert, R. Brühl, A. Kühne, T. Lindel, F. Seifert, O. Speck, B. Ittermann: A new sequence for shaped voxel spectroscopy in the human brain using 2D spatially selective excitation and parallel transmission. NMR Biomed. 29, 1028−1037 (2016)