„Licht-Autobahn“ für hochgenaue Frequenzen
Vergleich optischer Atomuhren über neue 1400 km lange Glasfaserstrecke zwischen Braunschweig und Paris – europäisches Netzwerk der besten Uhren rückt näher
Der Vergleich von sehr genauen Uhren ermöglicht äußerst empfindliche Messungen, z. B. für die Suche nach möglichen zeitlichen Änderungen von Naturkonstanten. Der Gang einer Uhr kann aber auch für die Messung des lokalen Gravitationspotenzials genutzt werden: Ein Vergleich zwischen zwei Uhren ergibt – über die gemessene Gravitationsrotverschiebung – die Höhendifferenz zwischen den Uhren, also Stützpunkte für die geodätische Referenzfläche, das sogenannte Geoid der Erde. Dieser Forschungsansatz wird u. a. im DFG-Sonderforschungsbereich 1128 („geo-Q“) von Physikern und Geodäten gemeinsam verfolgt.
Die genauesten Atomuhren basieren heutzutage auf optischen Übergängen. Diese optischen Uhren können eine stabile Frequenz mit einer relativen Unsicherheit von wenigen 10–18 liefern. Somit sind sie etwa 100-mal genauer als die besten Cäsium-Fontänenuhren, die zurzeit die SI-Einheit Sekunde realisieren. Doch Vergleiche, bei denen Frequenzen optischer Uhren per Satellit übertragen werden, stoßen bei einer Frequenzunsicherheit von 10–16 an ihre Grenzen.
Vor diesem Hintergrund haben seit vielen Jahren Wissenschaftler in der PTB und an zwei französischen Instituten in Paris (Systèmes de Référence Temps-Espace, LNE-SYRTE, und Laboratoire de Physique des Lasers, LPL) an einer Glasfaserverbindung zwischen dem deutschen und dem französischen nationalen Metrologieinstitut, also der PTB und dem LNE-SYRTE, gearbeitet. Jetzt ist die 1400 km lange Strecke fertig. Frequenzverschiebungen, die auf dem langen Weg durch die Standard-Telekommunikationsglasfasern entstehen, werden um bis zu sechs Größenordnungen aktiv unterdrückt und Leistungsverluste von 200 dB (1020) mit speziellen Verstärkern ausgeglichen. So können optische Signale mit sehr hoher Stabilität hindurchgeleitet werden.
Die Strecke erlaubt schnelle Uhrenvergleiche mit einer Messunsicherheit von weniger als 10–18. Beim Vergleich der beiden optischen Strontium-Gitteruhren von PTB und LNE-SYRTE lag bereits nach einer Mittelungszeit von nur 2000 Sekunden die Frequenzschwankung bei weniger als 2 ⋅ 10–17; dies zeigt die hohe Stabilität der Uhren. Die Höhendifferenz ihrer Standorte (22,7 Meter) wurde über die gemessene Gravitationsrotverschiebung innerhalb der kombinierten Messunsicherheit der Uhren von 5 ⋅ 10-17 bestätigt.
Damit rückt ein europäisches Netzwerk von glasfaserverbundenen optischen Uhren näher, an dem sich sukzessive weitere europäische Metrologieinstitute beteiligen können. Das dürfte ihnen eine führende Rolle auf dem Gebiet der Verbreitung von optischen Referenzfrequenzen einbringen, die bisher nur in wenigen Metrologieinstituten verfügbar sind. Außerdem ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Neudefinition der Sekunde getan, wenn nun optische Uhren an der Realisierung der weltweiten Zeitskala beteiligt werden können.
Ansprechpartnerin Glasfaserstrecke
Gesine Grosche
Fachbereich 4.3 Quantenoptik und Längeneinheit
Telefon: (0531) 592-4340
gesine.grosche(at)ptb.de
Ansprechpartner Strontiumuhr
Christian Lisdat
Fachbereich 4.3 Quantenoptik und Längeneinheit
Telefon: (0531) 592-4320,
christian.lisdat(at)ptb.de
Die wissenschaftliche Veröffentlichung
C. Lisdat, G. Grosche et al.: A clock network for geodesy and fundamental science. Nature Communications 7:12443 (2016)