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Ultrastabile Materialien genau untersucht

Thermische Ausdehnung bei tiefen Temperaturen für zukünftige Weltraummissionen gemessen

PTB-News 2.2016
05.04.2016
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  • Halbleiterphsyik
  • Materialforschung

Weltraumteleskope wie das Infrarot- Observatorium Herschel der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA beobachten Strahlung im fernen Infrarot. Dabei ist die Kühlung ihrer Instrumente unerlässlich, damit sie nicht selbst störende Infrarotstrahlung emittieren. Die Spiegel dieser Teleskope, die bei Temperaturen unterhalb von -190°C zum Einsatz kommen, werden aus speziellen ultrastabilen Keramiken hergestellt. In einem Kooperationsprojekt mit der ESA hat die PTB die thermische Ausdehnung der verwendeten Materialien sowie von einkristallinem Silizium sehr genau gemessen. Die Untersuchungen nützen zukünftigen Weltraummissionen, zeigen aber auch, dass die bisher verwendeten Werte für einkristallines Silizium als Referenzmaterial korrigiert werden müssen.

Das Weltraumteleskop Herschel (2009–2013) ermöglichte faszinierende Einblicke in die Entstehung von Sternen. (Abb.: ESA)

Weltraumteleskope können vom Weltraum aus Spektralbereiche untersuchen, die von der Erde aus nicht zugänglich sind. Wie entscheidend es für den Bau solcher Teleskope ist, das thermische Ausdehnungsverhalten der verwendeten Materialien genau zu kennen, wurde bei der Herschel-Mission deutlich, als die vorab durchgeführten Simulationen letztlich nicht mit den gefertigten Spiegeln übereinstimmten. Zwar wurden die Unstimmigkeiten nicht erst im Weltraum entdeckt, aber sie führten zu unnötigen Verzögerungen. Um derartige Überraschungen zu vermeiden, waren genauere Untersuchungen der verwendeten Materialien erforderlich. Im Rahmen des ESA-Projektes untersuchten die PTBWissenschaftler die Längenausdehnung der speziellen ultrastabilen Keramiken wie etwa Siliziumkarbid in einem Temperaturbereich von -266 °C bis +20 °C mit Nanometer- Genauigkeit. In weiten Teilen dieses Temperaturbereichs entspricht die erreichte Genauigkeit einer relativen Längenänderung von etwa einem Milliardstel pro Grad Celsius.

Das eingesetzte Ultrapräzisionsinterferometer der PTB gilt als weltweit einzigartig. Um Messungen mit ähnlicher Genauigkeit auch in anderen Instituten und mit weniger Aufwand durchführen zu können, werden üblicherweise Referenzmaterialien mit genau bekannter thermischer Ausdehnung als Vergleich herangezogen. Ein solches Referenzmaterial, einkristallines Silizium, ist in dem Projekt ebenfalls untersucht worden. Dabei zeigten sich in einem weiten Temperaturbereich signifikante Abweichungen von den bisherigen Referenzwerten für kristallines Silizium.

Die Ergebnisse sind von Bedeutung für weitere, bereits geplante Weltraumteleskope. Durch geschicktes Vermeiden jeglicher Strahlungswärme werden beim James-Webb-Weltraumteleskop Einsatztemperaturen unterhalb von -220 °C herrschen. Beim Infrarot-Weltraumteleskop für Kosmologie und Astrophysik (SPICA) könnten die Temperaturen sogar noch darunter liegen.

Ansprechpartner

René Schödel
Fachbereich 5.4 Interferometrie an Maßverkörperungen
(0531) 592-5400
rene.schoedel(at)ptb.de

 

Wissenschaftliche Veröffentlichung

T. Middelmann, A. Walkov, G. Bartl, R. Schödel: Thermal expansion coefficient of single-crystal silicon from 7 K to 293 K. Phys. Rev. B 92, 174113 (2015)