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Der Meter aus dem Kristall

Alternativer Zugang zu Längenmessungen im Nanometerbereich

PTBnews 2.2020
28.04.2020
Besonders interessant für

Metrologieinstitute

Hersteller und Anwender von Rastersondenmikroskopen

Im Zuge der Revision des Internationalen Einheitensystems (SI), die am 20. Mai 2019 in Kraft trat, hat die internationale Meterkonvention auf Vorschlag des beratenden Komitee für die Länge (CCL) zugelassen, den Gitterparameter des Siliziumkristalls – also den Abstand zwischen den atomaren Schichten – als Basis für die sekundäre Darstellung des Meters im Nanometerbereich zu nutzen. In der hochauflösenden Mikroskopie sind damit Unsicherheiten im Bereich von Pikometern für Messungen von Stufenhöhen bis 10 nm erreichbar. Die PTB hat dafür kristalline Siliziumproben in reproduzierbar hoher Qualität hergestellt.

Probe mit atomaren Stufenhöhen, aufgenommen mit einem konfokalen Laserscanning-Mikroskop. Jede der Terrassen ist eine atomar glatte Netzebene des Silizium (111)-Kristalls, mit einer konstanten Stufenhöhe von h ≈ 0,314 nm.

Das genaue Messen von Längen im Nanometerbereich ist eine besondere Herausforderung. Da für die Realisierung des Meters bisher im Wesentlichen Laser im sichtbaren Spektralbereich genutzt werden, ist bei dieser Art der Rückführung der Weg bis zum Nanometerbereich lang und beschwerlich. Als Folge sind sowohl die Unsicherheiten als auch die Kosten für den Anwender in der Praxis oftmals recht hoch.

Das beratende Komitee für die Länge (CCL) der Internationalen Meterkonvention hat im Zuge der Revision des SI in einer Mise en pratique den Gitterparameter des Siliziums als eine sekundäre Realisierung des Meters für dimensionelle Messungen in der Nanometrologie zugelassen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, substanzielle Fortschritte in der dimensionellen Kalibrierung von Rasterkraftmikroskopen zu erreichen, denn der Gitterparameter im Si-Volumenkristall ist mit relativen Unsicherheiten kleiner als 10–8 verfügbar.

Im Rahmen des europäischen Metrologie- Forschungsprojekts „Crystal“ wurden in der PTB kristalline Silizium- Proben in reproduzierbar hoher Qualität hergestellt, bei denen die Höhe einer Monolage Silizium 0,314 nm beträgt. Vergleichsmessungen in unterschiedlichen Metrologieinstituten belegen, dass mit diesen kristallinen Normalen für Messungen kleiner Stufenhöhen auf der Nanometerskala eine erweiterte Unsicherheit von 10 pm erreicht werden kann. Das ist eine Verbesserung gegenüber bisherigen Methoden von mehr als einer Größenordnung.

Hergestellt werden diese Normale durch einen Selbstorganisationsprozess im Ultrahochvakuum auf Siliziumwafern mit (111)-Orientierung. Durch eine spezielle Prozessierung wird erreicht, dass das Kristallgitter des Wafers an der Probenoberfläche ungestört rekonstruiert wird. Damit ist sichergestellt, dass die Atome an der Oberfläche genauso regelmäßig angeordnet sind wie in der Tiefe des Kristalls.

In einer neuen Präparationskammer soll dieses Verfahren auf noch komplexere Anwendungsfälle ausgeweitet werden.

Ansprechpartner

Ingo Busch

Fachbereich 5.1

Oberflächenmesstechnik

Telefon: (0531) 592-6136
Opens window for sending emailingo.busch(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

Bureau International des Poids et Mesures (Hrsg.): Mise en pratique for the definition of the metre in the SI. SI Brochures, 9th edition (2019), Appendix 2