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Nanostrukturen erkennen

Röntgenkleinwinkelstreuung an kleinsten lithografischen Messfeldern

PTB-News 1.2018
12.01.2018
Besonders interessant für

Nanometrologie

Halbleiterindustrie

Die Industrie setzt für die Fertigung von Halbleiterbauelementen die Methode der Projektionslithografie ein. Dabei werden die Nanostrukturen der logischen Schaltkreise von einer Photomaske auf den Halbleiter-Wafer optisch abgebildet. Für die Prozesskontrolle sind an verschiedenen Stellen über die Photomaske verteilt Messfelder aus periodisch angeordneten Nanostrukturen aufgebracht, die aus Platz- und somit Kostengründen meist nicht größer als 50 μm × 50 μm sind und deren lithografisch prozessiertes Abbild auf dem Wafer später mikroskopisch ausgewertet werden kann. Auf dem Weg zu einer Auswertung während des Produktionsprozesses ist es im PTB-Labor am Elektronenspeicherring BESSY II in Berlin-Adlershof nun erstmals gelungen, solche Messfelder mittels Röntgenkleinwinkelstreuung in Reflexionsgeometrie zu charakterisieren.

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme einer lithografischen Teststruktur: Die periodischen Linien des 4 μm × 4 μm großen Messfeldes (oben rechts) sind um 10° gedreht in Bezug auf die Symmetrieachse der umgebenden unregelmäßigen Nanostrukturen, um die jeweiligen Röntgenstreusignale räumlich voneinander trennen zu können.

Röntgenkleinwinkelstreuung (Small Angle X-ray Scattering, SAXS) ist im Prinzip eine ideale – weil schnelle und hochauflösende – Messmethode, um periodisch angeordnete Nanostrukturen zu rekonstruieren, und daher ein Kandidat für prozessnahe Metrologie in der Halbleiterindustrie. Eine Messung in Transmissionsgeometrie, bei der der einfallende Röntgenstrahl den Wafer durchdringt, ist aber wegen der Röntgenabsorption nur bei sehr dünnen Wafern möglich. Dieses Problem lässt sich durch SAXS in Reflexionsgeometrie unter streifendem Strahlungseinfall (Grazing Incidence SAXS, GISAXS) zwar umgehen. Doch wegen der für diese Methode notwendigen sehr kleinen Einfallswinkel verlängert sich die Projektion des einfallenden Röntgenstrahls auf der Probe derart, dass sich die Streusignale der zu kontrollierenden sehr kleinen Messfelder mit denen der umgebenden Schaltkreis-Nanostrukturen überlagern. Aus diesem Grund wurde GISAXS als Alternative bisher verworfen.

Das Problem der Signalüberlagerung wurde jetzt aber mit einem einfachen Trick umgangen, indem die Symmetrieachse des Messfeldes in Bezug auf die der umgebenden Nanostrukturen ein wenig gedreht war. Dadurch entstehen die Streusignale in jeweils unterschiedlichen Raumwinkelbereichen und lassen sich beim Nachweis auf einem Flächendetektor räumlich gut voneinander trennen. Messfelder mit Kantenlängen von wenigen Mikrometern konnten so ohne überlagernde Störsignale von deren Umgebung vermessen werden.

In Kooperation mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin wurden entsprechende Teststrukturen für das neue Verfahren entwickelt und im Elektronenstrahl-Lithografieverfahren gefertigt. Ihre erfolgreiche Charakterisierung in der PTB durch GISAXS, aber auch durch Streuexperimente mit extremer Ultraviolettstrahlung (EUV-Scatterometrie) demonstriert das Potenzial der neuen Methode für industrielle Anwendungen bei Lithografie-Masken in der Halbleiterfertigung, sodass das Verfahren kürzlich zum Patent angemeldet wurde.

Ansprechpartner

Mika Pflüger
Fachbereich 7.1
Radiometrie mit Synchrotronstrahlung
Telefon: (030) 3481-7118
Opens window for sending emailmika.pflueger(at)ptb.de

Wissenschaftliche Veröffentlichung

M. Pflüger, V. Soltwisch, J. Probst, F. Scholze, M. Krumrey: Grazingincidence small-angle X-ray scattering (GISAXS) on small periodic targets using large beams. IUCrJ 4, 431–438 (2017)

Opens external link in new windowhttps://doi.org/10.1107/S2052252517006297