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Heft 3: Metrologie für Umwelt- und Klimaschutz

PTB-Mitteilungen 3/2022

Inhaltsverzeichnis/Abstract

Einleitung

Fabian Plag

Beim Thema „Klima und Umwelt“ ist es vielfach bereits fünf vor zwölf. Doch für belastbare Aussagen über die Veränderungen braucht man quantitative, genaue und verlässliche Messungen – und dies in einem hochkomplexen System mit einer sehr hohen Zahl an relevanten Messparametern und Stoffgruppen. Weil Umwelt- und Klimaprozesse keine Grenzen kennen, ist einer der wichtigsten Partner der PTB bei der Klimaüberwachung die World Meteorological Organization (WMO), die unter anderem das Global Atmosphere Watch (GAW) Programme und das Global Climate Observing System (GCOS) betreibt. Letzteres definiert beispielsweise 54 essenzielle Klimavariablen, also physikalische, chemische und biologische Messgrößen, die eine Beschreibung des globalen Klimazustandes zum Ziel haben. Die Änderungen dieser Größen sind klein, und um Entwicklungen eindeutig zu erkennen, sind langfristige, hochgenaue und zuverlässige (sprich: auf das Internationale Einheitensystem SI rückgeführte) Messungen notwendig. Daher ist die PTB in zunehmendem Maße an der Rückführung dieser Messungen beteiligt.

Umweltlärm: Metrologie für die Lärmmessung

C. Kling, C. Koch

Lärm ist einer der wesentlichen Umweltfaktoren in unserer heutigen Welt [1]. Trotz intensiver Aktivitäten in der Forschung und dem Lärmschutz muss auch heute noch von einer signifikanten Belastung von Personen durch Lärm sowohl im Arbeitsbereich als auch dem alltäglichen Leben ausgegangen werden. Neben einer gestiegenen Sensibilität gegenüber Lärm in der Bevölkerung und auch bei den verantwortlichen Behörden und Institutionen liegen die Ursachen dafür insbesondere an den sich ständig wandelnden Expositionen, denen der Mensch ausgesetzt ist. Weiter steigende Verkehrszahlen führen zum Beispiel zu ansteigendem Verkehrslärm auch in bewohnten Gebieten. Gleichzeitig entstehen aber auch gänzlich neue, immer noch weitgehend unverstandene Szenarien wie z. B. die Emission von Infraschall von Erzeugern erneuerbarer Energie wie Windenergiesystemen oder Biogasanlagen.

Eine wesentliche Voraussetzung aller Strategien zur Beurteilung von Lärm ist eine quantitative Analyse der Gesamtsituation, die im Wesentlichen auf einer Messung von Schallfeldvariablen und ihrer strukturierten Weiterverarbeitung bis zur Ermittlung von beurteilbaren Endgrößen beruht. Dabei werden vielfältige, sowohl rechtlich als auch geschäftlich relevante Schlussfolgerungen gezogen, die nach Mess- und Eichrecht nur mit geprüften Geräten durchgeführt werden dürfen. Die PTB führt dementsprechend alle notwendigen Arbeiten durch, die immer wieder an neue Gegebenheiten angepasst werden müssen. Jüngstes Beispiel ist die von der neuen Bundesregierung angestrebte neue Fassung der TA Lärm [2]. Eine Revision dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes- Immissionsschutzgesetz wird auch Auswirkungen auf die Behandlung von Messgeräten haben. Zusätzlich verändern sich durch die digitale Transformation sowohl die Geräte als auch ihre Einbindung in Datennetze und Messsysteme mit extrem hoher Geschwindigkeit.

Wirkung neuer Lärmarten auf den Menschen: Infraschall und Luftultraschall

M. Bug, C. Koch

Lärm ist ein wesentlicher Umweltfaktor, der das tägliche Leben in privaten wie beruflichen Bereichen wesentlich beeinflusst. In vielen Studien wurde gezeigt, dass Lärm negative Einflüsse auf den menschlichen Körper hat und zu direkten Gesundheitsschäden führen kann [1–3]. Lärm verursacht aber auch Stress und beeinflusst das psychische Wohlbefinden oder einfach nur die Lebensqualität im weitesten Sinne. Die Zusammenhänge und Wirkmechanismen sind vielfältig und trotz langer Forschungshistorie sind viele Fragen offen, insbesondere auch deshalb, weil sich die Expositionsszenarien ständig verändern.

So sind in den letzten Jahren vermehrt Expositionen mit Schall im Randbereich und außerhalb des „traditionellen“ Hörfrequenzbereiches aufgetreten und in den Fokus auch intensiver gesellschaftlicher Diskussion gerückt. Häufig sind die Erzeuger von erneuerbarer Energie, wie Windenergieanlagen oder Biogasanlagen, Quellen von Infraschall (Schall mit Frequenzen unterhalb von 20 Hz), aber auch andere technische Quellen (z. B. Flug- und Straßenverkehr oder Lüftungssysteme) emittieren in diesem Frequenzbereich [4]. Deshalb nehmen einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge die Beschwerden über Infraschalllärm jährlich um etwa 30 % zu [5]. Aber auch auf der hochfrequenten Seite (Ultraschall, Schall mit Frequenzen oberhalb von 20 kHz) nehmen Emittenten und Beschwerden zu [6], was oft insbesondere im Alltagsleben zu schwierigen Situationen, Stress und Auseinandersetzungen führt.

PTB metrological infrastructure for the environmental dose assessment

F. Krasniqi, U. Stolzenberg, M. Luchkov, V. Morosh, P. Kramer, K. Kahnt, B. Reinelt, J. Kretzer, R. Zwiener

This article gives an overview of the unique metrology infrastructure for ionizing radiation in the environment that has been developed at PTB over the last three decades. This infrastructure includes reference sites used to quantify terrestrial radiation (ionizing radiation due to radioactive nuclei in the Earth’s crust), secondary cosmic radiation (due to the decay of galactic and solar cosmic rays in the Earth’s atmosphere) and artificial radiation (through simulation of a bypassing radioactive cloud) in quantities that represent the biological effects of ionizing radiation. These reference sites have supported research and development in a number of EURAMET projects that resulted in groundbreaking developments of spectrodosimetry systems for radiological surveillance of the environment. They also foster interdisciplinary collaboration that paves the way for new insights and knowledge on the links between the ionizing radiation in the environment, climate, anthropogenic activities, and health.

Uran und Plutonium in der Umwelt

D. Arnold, D. Zapata-García

Uran und Plutonium sind zwei radioaktive Schadstoffe, die regelmäßig im Rahmen von Programmen zur Überwachung der Umweltradioaktivität weltweit gemessen werden. Aber warum? Uran und Plutonium sind zwei radioaktive Elemente, die sowohl für die Produktion von Kernwaffen genutzt werden als auch mit der Erzeugung von Kernenergie in Verbindung stehen. Damit handelt es sich um zwei sicherheitsrelevante Elemente, deren Auftreten in der Umwelt sehr genau beobachtet wird.

Uran ist primordial, es ist also seit der Entstehung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren in der Erdkruste vorhanden. Es gibt zwei primordiale Uranisotope U-235 und U-238, die als Ausgangspunkte von zwei radioaktiven Zerfallsreihen mehr als zwanzig weitere Radionuklide erzeugen, die alle in der Umwelt messbar sind. Das Isotopenverhältnis von U-235 zu U-238 in Natururan beträgt 0,72 % was einem Aktivitätsverhältnis von 4,6 % entspricht. Hinzu kommt ein drittes natürliches Uranisotop, U-234, das Teil der Zerfallsreihe von U-238 ist.

„RemoteALPHA“: Optische Detektionssysteme zur sicheren und zuverlässigen Messung von Kontaminationsvorfällen mit Alpha-emittierenden Radionukliden

F. Krasniqi, M. Luchkov, V. Dangendorf, R. D. Taubert, P. Tesch, A. Förster, S. Röttger, F. Mertes, A. Honig, U. Giesen1, K. Tittelmeier, F. Langner

Aufgrund ihrer hohen Energie und ihres hohen lokalen Energietransfers stellen Alphateilchen ein sehr hohes Risiko für biologisches Gewebe im Vergleich zu allen nuklearen Zerfallsprodukten dar. Radiologische Notfälle, bei denen Alpha-emittierende Radionuklide versehentlich oder absichtlich freigesetzt werden und in den menschlichen Körper gelangen, können Menschen erheblichen Schaden zufügen. Um eine schnelle, koordinierte und wirksame Reaktion in solchen Notfällen zu ermöglichen, wurde das EMPIR (European Metrology Program for Innovation and Research)-Projekt 19ENV02 „RemoteALPHA“ (siehe Danksagung auf Seite 49) bewilligt. Dieses Forschungsprojekt, an dem acht EU-Institutionen beteiligt sind, zielt auf die Entwicklung neuartiger Methoden und Instrumente bis hin zu einer nachhaltigen Metrologie- Infrastruktur für die Ferndetektion von Alphastrahlern in der Umwelt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Motivation für das Projekt „RemoteALPHA“, mit dem besonderen Schwerpunkt auf der Entwicklung neuartiger optischer Detektionssysteme und ihrer Kalibriermöglichkeit, und stellt einige vorläufige Ergebnisse vor, die das Potenzial der optischen Detektionstechnologie für die Fernkartierung von Alpha-Kontaminationen zeigen. Diese Forschung ist besonders wichtig, da es derzeit kein Detektionssystem gibt, mit dem eine großflächige Kontamination mit diesen Radionukliden gemessen werden kann, da die Reichweite der Alphateilchen in der Luft im Zentimeterbereich liegt. In diesem Zusammenhang sind also neue Ferndetektionstechniken erforderlich, die sowohl den Bediener als auch den Detektor aus dem Strahlungsfeld heraushalten, um die Unzulänglichkeiten herkömmlicher Handdetektoren zu überwinden.

Was Klimabeobachtung und Strahlenschutz verbindet: Neue Metrologie für Radon-Messungen in der Außenluft

A. Röttger, S. Röttger, F. Mertes, V. Morosh

Das natürlich vorkommende Radon ist Ursache für den größten Teil der Exposition der Bevölkerung durch ionisierende Strahlung. Radon ist gleichzeitig ein hocheffizienter Tracer, um atmosphärische Prozesse zu verstehen, die Genauigkeit chemischer Transportmodelle zu bewerten und integrierte Emissionsschätzungen von Treibhausgasen zu ermöglichen. Für Atmosphären-, Klimaund Strahlenschutzforschung wird daher ein metrologisches System für die Messung der atmosphärischer Radon-Aktivitätskonzentrationen benötigt. Die besondere Herausforderung liegt in den niedrigen Aktivitätskonzentration des Radons in der Außenluft von 1 Bq · m–3 bis 100 Bq · m–3, wobei es unterhalb von 100 Bq · m–3 derzeit gar keine metrologische Rückführung gibt. So können Messwerte unterschiedlicher Instrumente betrieben an unterschiedlichen Standorten bezüglich ihrer Ergebnisse nicht verglichen und Austauschprozesse nicht verfolgt werden.

Um Abhilfe zu schaffen, wird im Folgenden eine neue Kalibriermethode für Aktivitätskonzentrationen unter 20 Bq · m−3 und deren Anwendung auf einen Prototyp eines mobilen Radonmonitors beschrieben, der bei diesen Aktivitätskonzentrationen erstmals metrologisch rückgeführt Unsicherheiten von 5 % (bei k = 2) erreichen kann und auf der Referenzmessfläche der PTB betrieben wird,

pH-Messungen zur Quantifizierung der Versauerung von Meerwasser

F. Bastkowski, S. Seitz

Der pH-Wert ist ein wichtiger physikochemischer Parameter in vielen Bereichen, wie z. B. in der Biochemie, Industrie, Landwirtschaft und Medizin. Steigende anthropogene CO2-Emissionen führen zu einem stetigen Anstieg des CO2-Partialdrucks in der Atmosphäre. CO2 löst sich in Wasser unter Bildung von Kohlensäure, wodurch der pH-Wert jährlich um ca. 0,002 absinkt, wie man in Abbildung 1 sehen kann. Es zeigt sehr anschaulich die Korrelation zwischen dem Anstieg des CO2- Partialdruckes in der Atmosphäre und im Meerwasser und dem Absinken des Meerwasser-pHWertes im Nordpazifik. Die vermeintlich geringe Änderung des pH-Wertes von 0.002/a hat langfristig jedoch ernste Konsequenzen für marines Leben, insbesondere für Korallen, Muscheln, aber auch für Algen und Fische und für die Biodiversität.

Exakte und rückgeführte Messungen des pHWertes sind daher von besonderem Interesse, um Änderungen des Meerwasser-pH über einen langen Zeitraum zuverlässig zu verfolgen und damit die Vergleichbarkeit von Messergebnissen weltweit sicherzustellen.

Developing a black carbon reference material and a standard for light absorption by aerosol particles

J. Saturno, A. Nowak

Black carbon (BC), also known as soot aerosol particles, is produced by incomplete combustion of fossil fuels or biomass and is emitted from multiple sources (see Fig. 1). The nature of emitted soot particles depends greatly on the combustion conditions. Fuel-rich combustion leads to high amounts of BC and organic carbon (OC), whereas a fuel-lean combustion produces less particulate matter but BC rich soot aerosol.

Combustion generated aerosol particles have strong climate impacts by directly absorbing incoming solar radiation from the ultraviolet (UV) up to the infrared (IR) region, and by different indirect and semi-direct effects related to cloud radiative effects. Due to their radiative effects, BC particles itself are identified as one of the most significant causes of global warming (IPCC 2021, see Fig. 2).